Interessante Menschen der Verbandsgemeinde im BLICK: Bernhard Lademann beantwortet 7 Fragen im Interview mit Blick-Reporterin Katja Gaebelein
„Jeder Einsatz ist für sich individuell und immer eine Herausforderung“

VG Weißenthurm. Seit über zwei Jahrzehnten gibt es die Notfallseelsorge als Einheit des Zivil- und Katastrophenschutzes im Landkreis Mayen-Koblenz. Feuerwehrmänner, Sanitäter und Polizisten stehen häufig bei Notfällen im direkten Blickpunkt der Menschen, da sie sich um die körperlichen Leiden der Opfer kümmern. Nicht so die Notfallseelsorge: Die dort tätigen Menschen verrichten wichtige Hilfe im Hintergrund. Sie nehmen sich den psychischen Problemen der betroffenen Menschen an. Im Landkreis Mayen-Koblenz ist ein engagiertes Team von Seelsorgerinnen und Seelsorgern ehrenamtlich und unentgeltlich an 365 Tage im Jahr rund um die Uhr in Rufbereitschaft. Einer von ihnen ist der Mülheim-Kärlicher Bernhard Lademann. Blick-Reporterin Katja Gaebelein traf den zweifachen Familienvater zum Interview und stellte fest, dass zwischen der Telefonseelsorge der Notfallseelsorge ein sehr deutlicher Unterschied besteht.
Herr Lademann, seit über 10 Jahren sind Sie nun ehrenamtlich in der Notfallseelsorge tätig. Wie kam es dazu, gab es eventuell ein Schlüsselerlebnis?
Genau genommen bin ich sogar seit mittlerweile 16 Jahren in der Notfallseelsorge Mayen-Koblenz bzw. der Psychosozialen Notfallversorgung, welche 1996 in unserem Landkreis gegründet wurde, tätig. Die Notfallseelsorge Mayen-Koblenz ist übrigens eine eigenständige Regieeinheit des Landkreises im Zivil- und Katastrophenschutz. Anfang 2004 haben wir unser erstes Kind, kurz vor seinem ersten Geburtstag, durch den „Plötzlichen Kindstod“ verloren. Ein sehr schlimmes, prägendes Erlebnis. Wir wurden in der Nacht, in der wir unseren Sohn verloren haben, von einem Notfallseelsorger und einer Notfallseelsorgerin betreut. Dies veranlasste mich einige Zeit nach dem Ereignis, mich mit der Thematik Notfallseelsorge näher auseinanderzusetzen und stellte für mich fest, dass es genau das richtige für mich ist: Personen in Notlagen und Krisen zur Seite stehen und helfen zu können. Mitte 2004 trat ich der Notfallseelsorge Mayen-Koblenz bei. Ehrenamtlich und neben meinem eigentlichen Beruf absolvierte ich meine Grundausbildung.
Sie sind Koordinator der Notfallseelsorge Mayen-Koblenz. Was sind Ihre Aufgaben?
Als Koordinator innerhalb der Notfallseelsorge Mayen-Koblenz kontrolliere und koordiniere ich alle Aktivitäten und Einsatzprozesse, Regel Aufgabenverteilungen und weise Sachbereiche im Einsatzfall zu und steuere die Personaleinsatzplanung. In größeren Schadenslagen bin ich für die Kommunikation mit den Einsatzleitern der anderen BOS-Einheiten zuständig (Anmerkung der Redaktion: BOS steht für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, es ist ein Sammelbegriff für Einrichtungen, die mit der Abwehr von Gefahren betraut sind).
Nebenbei bin ich ebenfalls für den die sogenannten IuK-Bereich (Anmerkung der Redaktion: Information- und Kommunikationstechnik) der Notfallseelsorge zuständig und kümmere mich um die Funktechnik und IT.
In Mayen-Koblenz ist ein Team von Seelsorgerinnen und Seelsorgern ehrenamtlich und unentgeltlich an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr in Rufbereitschaft. Welche Eigenschaften sollte eine Person mitbringen, die sich in diesem Bereich engagiert?
Jeder, der ökumenische Offenheit lebt und andere Religionen, Weltanschauungen und Kulturen achtet, kann in der Notfallseelsorge tätig werden. Man sollte mindestens 26 Jahre alt sein und eine gute psychische, physische Stabilität und Belastbarkeit mitbringen. Eigenverantwortung und Teamfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung sollten gegeben sein. Interessenten können sich gerne über unsere Homepage „www.notfallseelsorge-myk.de“ bei uns melden. Dort finden sich auch detailliertere Informationen über die Zugangsvoraussetzungen.
Gibt es einfache und schwierige Fälle im Bereich der Notfallseelsorge oder ist eine solche Unterscheidung nicht möglich?
Eine solche Unterscheidung ist schwer möglich. Man kann 10 Mal zu einer identischen Einsatzsituation alarmiert werden und trotzdem ist jeder Einsatz für sich individuell und immer eine Herausforderung. Wir werden ständig mit neuen und heftigen Situationen konfrontiert. Die individuelle Katastrophe hat viele Gesichter: Da sind Angst und Einsamkeit des schwer verletzten Autofahrers auf der Trage, da sind Verzweiflung und Hilflosigkeit der Familie, die hilflos mit ansehen muss, wie ihr Hab und Gut mit all den persönlichen Dingen in einer einsamen Nacht ein Raub der Flammen wird. Und da ist die Ehefrau, die eben noch mit ihrem Mann das Wochenende plante und nun nach dessen plötzlichem Herzinfarkt traurig und fassungslos Abschied nehmen soll, während das Rettungspersonal EKG und Beatmungsbeutel wieder einpacken muss oder die Eltern, die gerade ihr Kind verloren haben. Alltägliche Ereignisse und doch eine individuelle Katastrophe, die von den Betroffenen nie mehr vergessen werden und einen tiefen Einschnitt in die Seele darstellen. Überall und zu jeder Zeit kann jeder von uns in eine solche Situation geraten.
Wie lange ist die Notfallseelsorge im Einzelfall tätig - beschränkt sich die Arbeit auf den Unfalltag?
Die durchschnittliche Einsatzdauer liegt bei ca. 4 Stunden. Sie kann, je nach Einsatzsituation auch kürzer oder deutlich länger sein. Die Notfallseelsorge möchte Opfern und ihren Angehörigen Beistand in Extremsituationen bieten. Wir möchten dort sein, wo alle anderen Helfer andere wichtige Aufgaben haben, wir möchten Zeit haben, wo andere schon wieder zum nächsten Einsatz müssen, wir möchten Mut machen, trösten. Wir stellen unsere Zeit ehrenamtlich im Kreis Mayen-Koblenz neben unseren eigentlichen Berufen zur Verfügung, um die wöchentlichen Rufbereitschaften 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr aufrecht zu erhalten. Im Normalfall sind wir ausschließlich für den Akutfall da und zeigen den Betroffenen für eine Nachbetreuung Möglichkeiten und Ansprechpartner auf. In Ausnahmefällen sind wir auch nach dem eigentlichen Einsatz noch Ansprechpartner für die Betroffenen. In enger Zusammenarbeit mit der Feuerwehr, dem Rettungsdienst, der Polizei und anderen Hilfsorganisationen bieten wir rund um die Uhr eine schnelle „Erste Hilfe für die Seele“ an. Eine Alarmierung ist übrigens, wie bei allen anderen BOS-Einheiten auch, ausschließlich über die Integrierte Leitstelle Koblenz unter der Rufnummer 112 möglich.
Die Notfallseelsorger sind dazu ausgebildet, Menschen beizustehen. Gibt es auch Betroffene, die diese angebotene Hilfe ablehnen und zu einem späteren Zeitpunkt dennoch darauf zurückkommen?
Natürlich steht es jedem frei, unsere Unterstützung anzunehmen oder abzulehnen. Wir arbeiten unaufdringlich, verschwiegen, überkonfessionell und unentgeltlich. Das plötzliche, unerwartete Geschehen ändert von einem Moment zum anderen alles Denken und Handeln. In einer solchen Situation ist es normal, dass man nicht immer die angebotene Hilfe wahrnimmt. Sollte unsere Unterstützung zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich werden, sind wir da.
Die Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten, Feuerwehr usw. sind mitunter sehr belastenden Situationen ausgesetzt. Wird in diesen Fällen die Notfallseelsorge auch bei diesem Personenkreis tätig?
Vorsorglich gibt es innerhalb der Notfallseelsorge die Fachgruppe „Einsatznachsorge“, die sich aus erfahrenen, ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirchen, verschiedener Rettungsinstitutionen und sozialpsychologischer Berufe zusammensetzt.
Vielen Dank für das Interview!
Abschließend würde ich gerne nochmals auf unsere Homepage unter „www.notfallseelsorge-myk.de“ hinweisen, auf der es weitere Informationen zur Notfallseelsorge Mayen-Koblenz und unseren Förderverein gibt.KH

Der Mülheim-Kärlicher Bernhard Lademann stand Blick-Reporterin Katja Gaebelein Rede und Antwort zu seiner ehrenamtlichen Tätigkeit.