Transgender-Thematik am Beispiel von „Brigitte Bordeaux“ beleuchtet
Man bleibt Mutter oder Vater ein Leben lang

Mayen. Zweifellos war es mutig vom neuen Intendanten Alexander May, das vom Komponisten Tom van Hasselt extra für Mayen vom Theaterstück zum Musical umgearbeitete Stück „Brigitte Bordeaux“ gleich in seiner ersten Spielzeit auf die Bühne zu bringen. Das von der Transgender-Thematik geprägte Musical entwickelte sich - vielleicht in Mayen ein wenig unerwartet - in kürzester Zeit zum Publikumsliebling. Dies obwohl die Thematik sehr ernsthaft und einfühlsam bearbeitet und dargestellt wurde und daher absolut nichts mit Charleys Tante gemein hat, die eher als reine Witzfigur angelegt war.
Das Musical erzählt die Geschichte der Winzerfamilie Treves aus Moselheim, deren Oberhaupt Herbert eines Tages seinen Liebsten eröffnet, von nun an als Frau leben und sich Brigitte nennen zu wollen. Herbert betreibt die Sache sehr ernsthaft und konsequent, um Erfahrungen zu machen, zu einem in frühen Jahren begangenen und vor der Familie stets geheim gehaltenen Fehler. Bereits vor der Ehe mit Moni hatte Herbert einen Sohn gezeugt, der schon frühzeitig feststellte, sich nicht dem männlichen Körper zugehörig zu fühlen. Herberts seinerzeitige Reaktion ließ seinen Sohn nach Paris flüchten, wo er als Brigitte Bordeaux Karriere machte. Um seinen verloren gegangenen Sohn und dessen Vertrauen zurückzugewinnen, muss Herbert jetzt die gleichen Situationen durchleben mit dem gesellschaftlichen Umfeld, wie sein Sohn in frühen Jahren. Was also sagen die Nachbarn im spießigen Dorf Moselheim dazu, was der Männergesangsverein, was der Bauern- und Winzerverband – und was vor allen Dingen Ehefrau Moni und Sohn Sebastian? Als Brigitte dann auch noch als Weinkönigin kandidiert, überschlagen sich die Ereignisse.
Podiumsgespräch
Im Anschluss einer der letzten Vorstellungen des Musicals hatten die Burgfestspiele Staatssekretär David Profit vom rheinland-pfälzischen Familienministerium zu einem Podiumsgespräch eingeladen. Profit ist seit 2021 gleichzeitig Landesbeauftragter für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität. Der 45-jährige Jurist folgte damit auf Dr. Christiane Rohleder, die 2016 als bundesweit erste Landesbeauftragte für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität dieses Amt übernommen hatte. Die Aufgabe des Landesbeauftragten ist, die Akzeptanz von LGBTIQ* (= Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Intersex & Queers) in Rheinland-Pfalz zu fördern, gegen Diskriminierung und für rechtliche Gleichstellung einzutreten.
QueerWeine
Um queeren WinzerInnen im Land den Rücken zu stärken, startete Staatssekretär Profit als eines der ersten Projekte gemeinsam mit einem Kollegen aus dem Weinbauministerium die Initiative QueerWein Rheinland-Pfalz. Man erntete viel Kritik besonders aus rechten und konservativen Kreisen, die die Probleme an der Ahr dabei ins Feld führten. Sexuelle Identität stehe dort derzeit nicht im Vordergrund so deren Tenor. Auch aus diesem Grund habe man sich über die Gratulation zur Idee durch den Präsidenten des Winzerverbandes Ahr besonders gefreut. Zum Verfassungstag im Mai wurden ein Merlot aus der Pfalz und ein Riesling aus Rheinhessen als erste rheinland-pfälzische QueerWeine vorgestellt.
Intendant Alexander May war über Wandlungen erfreut. Sei man 2018 mit dem Theaterstück Brigitte Bordeaux noch zu den Winzern gefahren, so kommt der Wein heute zu uns. Er habe das Musical mit viel Mut auf die Bühne gebracht und dabei fest auf die Offenheit der Zuschauer und Gäste vertraut. Glücklicherweise habe er bei der Besetzung des Stückes Schauspieler gefunden, die ernsthaft an dem Thema gearbeitet haben.
Die beiden Sensitivity Reader (sie prüfen u.a. Theaterstücke auf schädliche oder missverständliche Darstellungen und Sprache sowie Mikroaggressionen) Felicia Rolletschke und Vincent Maron erklärten übereinstimmend, die Diskriminierungsthemen Rassismus und Sexismus müssten noch stärker bekämpft werden. Beide richteten an die Gesellschaft den Appell, sich weiter zu öffnen. Gleiches gelte für Eltern, weil ein sich früh outendes Kind sonst für sie für immer verloren ginge. Passend dazu bezeichnete Michael Ophelders, der die beiden Hauptfiguren Herbert bzw. Brigitte spielt, man bleibe Mutter oder Vater ein Leben lang als die wichtigste Erkenntnis des Stücks. Hauptdarsteller Joel Zupan, der sich selbst als nonbinäre Person bezeichnet, hatte zunächst annähernd Angst das Stück in Mayen zu zeigen. Seine Sorge verschwand erst im Verlauf der Proben, als er merkte, mit welcher Ernsthaftigkeit an dem Stück gearbeitet wurde. Die städtische Beigeordnete Natascha Lentes berichtete, man habe ihr vor wenigen Tagen beim Frisör erklärt, dass man ein solches Stück in Mayen noch vor zehn Jahren nicht hätte spielen können. Und aus der Stadtspitze berichtete Lentes, man würde dort nicht über das gendern, also die Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel lachen, um Menschen aller Geschlechtsidentitäten gleichermaßen sichtbar zu machen.
Unter die gut 50 Gäste, die zum anschließenden Podiumsgespräch vom zuvor voll besetzten Abend verblieben waren, hatte sich auch Chorleiter Andreas Barth-Steinborn gemischt. Selbst mit einem Mann verheiratet war er von den Darstellungen des Ensembles begeistert und empfand diese als sehr authentisch.
Lange hatte Intendant Alexander May die Belegung der beiden für den Publikumsliebling freigehaltenen Termine kurz vor Ende der diesjährigen Festspielsaison hinausgezögert. Das wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, denn die Mayener Theatergäste hatten sich schon sehr frühzeitig entschieden: für das Musical Brigitte Bordeaux. WEC
Die beiden Sensitivity-Reader Felicia Rolletschke und Vincent Maron, Intendant Alexander May, der rheinland-pfälzische Staatssekretär und LGBTIQ*-Landesbeauftragte David Profit, Mayens Beigeordnete Natascha Lentes sowie die Schauspieler Michael Ophelders und Joel Zupan bei ihren Analysen zu Brigitte Bordeaux. Foto: WEC