Zahlreiche Freunde und Bekannte feierten mit der Künstlerin die Teilnahme an der 58. Biennale

Martine Seibert-Raken stellt „Unkel goes to Venice“ im Palazzo Mora aus

Martine Seibert-Raken stellt „Unkel goes to Venice“ im Palazzo Mora aus

Eine bedrohlich rote Draht-Wolke wölbte sich über den Balkon im piano nobile des Palastes. Fotos: DL

Martine Seibert-Raken stellt „Unkel goes to Venice“ im Palazzo Mora aus

Von ihrer Installation führte die Martine Seibert-Raken den Stadtvertreter Siegfried Brenke und ihre Fan-Gemeinde zum offiziellen Begrüßung auf eine Dachterrasse des Palazzo Mora.

Unkel. Besuchermassen stauten sich in der Strada Nuova unweit der Vaporetto-Station Ca‘ d’Oro vor dem Eingang zum Palazzo Mora, neben den bekannten Giardini Marinaressa und dem Palazzo Bembo am Canale Grande, einer der drei Standorte der 59. Biennale in Venedig, deren Vor-Eröffnung kurz bevor stand. Von einem langen Tisch vor der gegenüberliegenden Bar „La Cantina“ aus beobachtete die Unkeler Concept-Art-Künstlerin Martine Seibert-Raken zusammen mit Freunden und Bekannten, unter diesen auch der Unkeler Beigeordnete Siegfried Brenke in Vertretung von Stadtbürgermeister Gerhard Hausen, das rege Treiben. „Ich bin jetzt einfach nur noch überglücklich. Meine Installation ‚Once upon a time – Unkel goes Venice‘ steht“, strahlte sie mit der Maisonne um die Wette. Freunde hatten ihr gerade ein großes Herz aus Kaninchendraht geschenkt, aus dem Material, aus dem sie ihre „Wolken“-Installationen formt.

„Die Idee dazu ist mir beim Joggen auf einer grünen Wiese gekommen, ein Paradies für Hasen und Kaninchen.

Da meine künstlerische Arbeit durch eine tiefe Verbundenheit zu allem Lebendigen und der Auseinandersetzung mit dem Vergänglichen gekennzeichnet ist, habe ich mich gefragt, ob der Mensch tatsächlich in der Lage ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und so die Natur erhält, oder ob nur unnatürliche Materialien ‚überleben‘, etwa wie Kaninchendraht, als Eingrenzung, Schutz für die Tiere, aber gleichzeitig auch Beraubung ihrer natürlichen Bewegungsfreiheit“, erinnerte die Künstlerin. Von diesen Gedanken gelenkt, habe sie visionär eine dichte Wolke aus diesem sechseckigen Drahtgeflecht im Grün landen sehen, deren Oberfläche sich durch die Reflexion des Lichtes immer wieder verändert habe. „Diese Vision habe ich realisiert, in einem weiteren Schritt ist die Farbe dazu gekommen und dann die Kombination mit historischen Gebäuden wie Anfang vorigen Jahres bei der Löwenburg, bei meinem Projekt zum internationalen Fest für zeitgenössische Skulptur ‚stArt18‘ von der ‚sculpture network‘“, so Martine Seibert Raken.

Bewerbung für die Biennale

Auf Drängen ihres ältesten Sohnes habe sie sich kurz nach diesem Start der Löwenburg-Aktion bei dem Kurator des Palazzo Mora, René Rietmeyer, mit eben diesem Konzept um eine Teilnahme an der Biennale beworben, die allgemein das Motto „May You Live in Interesting Times“ hat und die als Teil der vom European Cultural Centre betreuten Sonder-Ausstellung „Personal Structures“ die Aspekte „Time and Space“, Zeit und Raum thematisiert.

„Der Niederländer war von meinem Projekt ‚Once upon a Time – Unkel goes to Venice‘ so begeistert, dass er mir nicht nur sofort Bianca Bonaldi als Kuratorin zugewiesen, sondern auch freigestellt hat, in den Giardini südöstlich vom Arsenal Marinaressa oder im Palazzo Bembo auszustellen“, erinnerte die Unkelerin. Aber in einem der Giardini-Pavillons hätte der Bezug zur historischen Architektur gefehlt und auch der Raumbezug wäre ein völlig anderer gewesen. Der Palast an der Riva del Carbon dagegen sei nicht nur wegen seiner roten Fassade nicht so geeignet gewesen, auch wenn eine magentafarbene Wolke an einem seiner Balkone zum Canale Grande hin schon äußerst aufsehend erregend gewesen wäre. „Er ist aber im Vergleich zum Palazzo Mora so riesig, dass ich viel mehr Drahtgeflecht eingesetzt hätte müssen, was mich nicht nur von der handwerklichen Arbeit her, sondern auch finanziell immens überfordert hätte. Schon die Installation im Palazzo Mora mit den 1400 Meter Kaninchendraht und den acht Plexiglasplatten an der Metallkonstruktion habe mehrere 10.000 Euro verschlungen.

„Ohne die Unterstützung durch die Landes-Förderung als Leader-Projekt hätte ich diese Ausgabe gar nicht stemmen können. Neben Mainz bin ich auch der Stadt Unkel sehr dankbar, die mir immer den Rücken gestärkt hat, und natürlich vor allem auch der Familie Bagel, in deren Palmenhaus ich die Konstruktion probeweise aufbauen durfte, um ihre Wirkung zu kontrollieren“, so Martine Seibert Raken wenig später bei der offiziellen Begrüßung ihrer Gäste auf einer der Palazzo-Terrassen. Auch wenn nicht jeder mit ihrer Kunst direkt etwas anfangen könne, Anlass, über sie zu reden, sei jedoch auf jeden Fall gegeben.

Temporäre Daseinsberechtigung für die Löwenburg

Das konnte Siegfried Brenke unter Bezug auf das Löwenburg-Projekt der Künstlerin nur bestätigen. „Das den Abriss geweihte Hotel ist durch die Installation zu einer Skulptur, zu einem Gesamtkunstwerk geworden, das dem maroden Gebäude, das inzwischen schon nicht mehr besteht, zumindest eine temporäre Daseinsberechtigung gegeben hat. So wurde in der Kulturstadt am Rhein Kunst im Prozess von Erneuerung und Vergänglichkeit erlebbar“, erinnerte der Kommunalpolitiker in seiner Begrüßungsrede. Vor rund 1000 Jahren habe Unkel als Insel mitten im Rheinbogen gelegen, in etwa vergleichbar mit Venedig. „Es ist aber schon ganz außergewöhnlich, dass Unkel durch den Titel der Installation von Martine Seibert Raken hier auf der Biennale präsent ist. Das ist Werbung für unsere Stadt und die gesamte Region“, freute sich Siegfried Brenke, bevor der Sprachkünstler Frank Schablewski auf die „Unkel goes to venice“- Installation näher einging.

Diese erhebt sich im piano nobile etwa 2,5 Meter von der Fensterfront mit dem zentralen Balkon entfernt zwischen Treppenaufgang und Lift als neue Wand, eine Metallkonstruktion, die mit acht gleißend-weißen Plexiglasplatten verkleidet ist. Durch diese bahnt sich vehement das gut fünf Meter hohe und mehrere Meter breite magentafarbene Drahtgeflecht seinen Weg und zwar so gewaltsam, dass durch den Druck die ursprünglich scheinbar kompakte Plexiglaswand in acht Teile gesprengt wurde. „In älteren Gebäuden findet man immer wieder Schwamm, der sich wie Badeschaum ausbreitet. Hier verformt er das Plexiglas und dringt nicht nur oben, sondern durch alle Ritzen unaufhaltsam in den Raum vor“, so Martine Seibert Raken.

„In Venedig ausstellen zu dürfen, das ist einfach märchenhaft“

Venedig ist und war schon immer einzigartig, märchenhaft. „In dieser traumhaften Atmosphäre und dann auch noch zusammen mit so vielen internationalen Künstlern ausstellen zu dürfen, das ist einfach märchenhaft“, schwärmte die Künstlerin auf den Beginn des Installationstitels „Once upon a time – Es war einmal“ anspielend. Längst vergessen war die Knochenarbeit, aus 1.400 Meter Draht das Geflecht zu erstellen, längst vergessen auch die verzweifelte Suche nach einer Firma, von der die „Schaumwolke“ magentarot pulverbeschichtet und damit witterungsunempfindlich gemacht werden konnte. Vergessen waren auch die Anstrengungen, die Installation vom Palmenhaus der Familie Bagel auf einem auf einem Pritschenwagen nach und nach zum Parkplatz an der Kamener Straße zu transportieren. „Für die Fahrt nach Venedig brauchte ich einen drei Meter langen und 2,5 Meter hohen Lastwagen, Ausmaße, die zu groß waren, um durch Unkel fahren zu können“, erinnerte die Künstlerin bestens gelaunt nach der Eröffnung, um sich mit ihrer Fan-Begleitung dem nächtlichen Charme der Lagunenstadt hinzugeben.

Deren eher morbide Atmosphäre, sieht man vom Komplex um Markuskirche und Prokuratien sowie um die Piazzetta zwischen Dogenpalast und Biblioteca Marciana und von den großen Palästen am Canale einmal ab, verdeckte da die Dunkelheit. Auf den drohenden Verfall, der abseits der Touristenströme deutlich zu Tage tritt und den vor allem die monströsen, alle historischen Gebäude weit überragenden Kreuzfahrt-Luxusliner in höchstem Grade beschleunigen, will Martine Seibert Raken durch den bedrohlich-roten Teil ihrer Installation hinweisen. Ja sie hat ihn sogar nach außen getragen. Schon wenn man den Garten des Palazzo Mora betritt, fällt die kleine magentafarbene Wolke am Balkon ins Auge. „Sie soll zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Denkmälern und Monumenten als erhaltenswerte Zeichen unserer Kultur aufrufen, damit diese der Nachwelt erhalten bleiben. Venedig mit seinen wundervollen Bauten und Plätzen ist der ideale Standort für einen solchen Appell, der natürlich auch für die kleine Kulturstadt am Rhein Gültigkeit hat“, so die Künstlerin, die Anfang nächsten Monats ihre ersten Biennnale-Erlebnisse den Unkelern präsentieren wird. Ihre Installation „Unkel goes to venice“ ist im Palazzo Mora, Strada Nuova 3659, noch bis Sonntag, 24. November, zu sehen.