Allgemeine Berichte | 19.02.2019

Turmgespräch über Sinzig vor 100 Jahren und die Romanze von General MacArthur und Herta Heuser auf Haus Schönberg

Neuigkeiten aus der rheinischen Lokalgeschichte

Richard Volk fesselte mit seinem spannenden Vortrag etwa 100 Gäste

Hardy Rehmann (r.) übergibt Richard Volk den beim Denkmalverein traditionellen „Referententrunk. Foto:-HG-

Sinzig. Um es vorwegzunehmen: Dieses „Turmgespräch“ des Denkmalvereins übertraf alle Erwartungen. Wenn Regional- und Lokalgeschichte so kompetent und spannend aufbereitet wird, wie jüngst vom Politologen Richard Volk, dann wird sie zum Hochgenuss. Der hielt 80 Minuten an, rief die Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg als kaum noch bekannte Facette rheinischer Regionalgeschichte ins Bewusstsein und darin eingebettet die deutsch-amerikanische Romanze des später weltberühmten amerikanischen Generals Douglas MacArthur und der jungen deutschen Rotkreuz-Schwester Herta Heuser auf Haus Schönberg in Sinzig. Daher hatte der Sinziger Referent seinen Vortrag „Ein Amerikaner in Sinzig“ betitelt, angelehnt an den Musical-Film „Ein Amerikaner in Paris“.

Die Amerikaner schickten ihre besten Divisionen

Zwar musste das „Turmgespräch“ kurzfristig vom Schloss ins Rathaus umziehen, doch tat dies dem Erfolg keinen Abbruch. Im Gegenteil. Um die 100 Gäste, mehr als der Schlosssaal fasst, fanden sich ein und reisten zurück ins Sinzig vor 100 Jahren. In Folge des verlorenen Krieges, der Bestimmungen des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 und des Versailler Vertrages war damals „das gesamte linksrheinische Gebiet plus drei rechtsrheinischen Brückenköpfe von alliierten, das heißt französischen, amerikanischen, britischen und belgischen Truppen zu besetzen“. Bis Sommer 1919 übernahmen das im Regierungsbezirk Trier und im Norden des Regierungsbezirks Koblenz die Amerikaner. Ende 1918 schickten sie ihre besten Divisionen. Für die Besetzung des Kreises Ahrweiler war die 42. Division eingeteilt, eine Spitzendivision, bekannt auch als „Regenbogendivision“. Oberst Douglas MacArthur hatte ihre Aufstellung und Ausbildung als ihr Stabschef organisiert.

Meistdekorierter US-Soldat

Dieser „Soldat durch und durch“ aus einer Offiziersfamilie war 1918 jüngster Brigadegeneral der gesamten US-Armee und innerhalb der 42. Division Truppenführer der 84. Infanteriebrigade. MacArthur rückblickend: „Ich lernte das Reiten und Schießen noch bevor ich lesen und schreiben konnte.“ Er war der meistdekorierte US-Soldat aller Zeiten und ungemein einflussreicher Vizeregent in Ostasien. Im Ersten Weltkrieg Brigadegeneral, setzte er seine Militärkarriere ab 1930 als Stabschef der US Army fort, um anschließend das US-Kommando auf den Philippinen zu übernehmen.

Von Sedan in Ostfrankreich marschierte die 42. Division mit ihren zwei Infanteriebrigaden Ende 1918 bis in den Kreis Ahrweiler, wo sich die Einheiten auf 21 Orte verteilten. MacArthur legte das Hauptquartier für seine 84. Brigade nach Sinzig. Deren wichtigster Verband, das 167. Infanterieregiment aus Alabama, quartierte Bataillone in Sinzig, Westum Löhndorf und Koisdorf ein, während Bataillone des 168. Infanterieregiments aus Iowa in Niederbreisig, Oberbreisig, zunächst in Brohl, später in Niederzissen stationiert wurden. Das 151. Maschinengewehr-Bataillon der 84. Brigade aus Georgia war erst in Waldorf und Gönnersdorf, dann in Kripp einquartiert.

„Dixie“ zum Einzug

Klangvoll erreichte am 16. Dezember 1918 das 167. Infanterieregiment den Sinziger Markt. Denn vorneweg spielte die Regimentskapelle den im Süden der USA populären Song „Dixie“, auch Spitzname für die amerikanischen Südstaaten. Laut Regimentschronist spannte sich beim Einzug ein Regenbogen übers Rheintal.

Trotz der ungemeinen Belastung für die Bevölkerung – die 5.300 Einwohner Sinzigs mussten 2.700 Mann Quartier geben – winkten auch Einnahmen. Die Geschäftsleute und Wirte Sinzigs erlebten „goldene Zeiten“, zitierte Volk den Chronisten, und die Besatzer verhielten sich „ohne Tadel“. Die Sinziger Bürgerschaft war durch die amerikanische Besatzung „in keiner Weise behindert, jeder konnte seinem Geschäfte und Erwerb nachgehen wie im Frieden“. Doch erschütterte das Publikum im Rathaussaal der Anblick der ausgedehnten malträtierten Flur der Godenhauswiesen durch Manöver, US-Pferde- und Maultierdepot sowie LKW-Depot.

Sport, Kultur und Zeitung

Es verblüfft, welche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung den amerikanischen Besatzungssoldaten geboten wurden. Der in Kripp stationierte Gefreite Edward Inman berichtete in seinem Tagebuch von organisierten Gruppenausflügen in Nachbarstädte und Schiffstouren auf dem Rhein. Viel tat die Wohlfahrtsorganisation YMCA, („Christlicher Verein Junger Männer“) für die stationierte Klientel. Volk glaubt, dass sie in Sinzig den Kaisersaal als Veranstaltungsort nutzten. Jedenfalls boten sie Lesestoff an, auch Schreibutensilien für Briefe in die Heimat. Zudem wurde zu Sport, Konzerten, Filmen, Theaterstücken, aber auch Gottesdiensten eingeladen. Sogar eine englischsprachige Wochenzeitung namens „The Alabamian“ (Die Alabamer Zeitung) erschien ab Januar 1919 in Sinzig, „printed by J. Walterscheid, Sinzig on the Rhine“, wurde also gedruckt vom Verlag Jean Walterscheid, der auch die Sinziger Zeitung herausgab.

Der Referent fesselte durch die akribisch recherchierte, geschickt gegliederte Geschichte voller Neuigkeiten und unbekannter Bilder. Es sprang aber auch seine eigene Begeisterung auf das Publikum über, das sich verschiedentlich mit Zwischenapplaus Luft machte. Richard Volk las in der Berichterstattung wieder und wieder, MacArthur habe während der Besatzung im Sinziger Schloss sein Quartier gehabt. Doch nicht das Schloss, sondern Haus Schönberg wählte er wegen des Blickes auf den Rhein als Domizil. Dort, im Elternhaus von Herta Heuser, entspann sich die Romanze zwischen ihm und der jungen Frau. Ihre Pflege ließ den an einer Gasvergiftung Leidenden genesen und er verliebte sich in sie.

Amouröse Korrespondenz

Ihr „sehr privater“ Briefwechsel von Mai 1919 bis Oktober 1921 kam in Teilen auf Umwegen zum Vorschein. Allein das wäre eine Geschichte für sich. Von Dauer war das Verhältnis nicht. Zurück in Amerika heiratete MacArthur, und Herta ehelichte 1932 den aus einem alten russischen Adelsgeschlecht stammenden Alexander von Werefkin, den sie in Berlin kennenlernte. Seine Tante, die Malerin Marianne von Werefkin, Mitbegründerin der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“, fand, so Volk, der Neffe sei gut nach Sinzig verheiratet.

Richard Volk wurde durch seinen Nachbarn Udo Schütter auf die im Internet veröffentlichten Briefe hingewiesen. Ebenso erhielt er Unterstützung durch Willy Weis, der die Kripper Geschichte erforscht, und vom einzigen Nachfahren der Familie Heuser, Hans-Eckart Boeckmann. Er reiste zum Vortrag vom Niederrhein an.

Sinzig als Pionier-Ort des Jazz

Volk bekam lang anhaltenden verdienten Applaus, auch für spannende Nebenerkenntnisse, etwa, dass der Jazz in Deutschland zuerst Sinzig erreichte. Darauf verweist der Programmzettel für eine Varieté-Vorstellung „Alabama Bound“ – „Unterwegs nach Alabama“, die an drei Abenden im Februar 1919 im Sinziger YMCA gezeigt wurde. Die „Jazz Fiends“, („Jazz-Süchtigen“) des 167. Regiments musizierten dazu. Richard Volk folgert: „Das bedeutet, dass Sinzig mit größter Wahrscheinlichkeit der Ort war, wo zum allerersten Mal in Deutschland Jazz-Klänge zu hören waren, lange bevor dies zum Beispiel in Berlin und anderen Großstädten der Fall war. Wer hätte gedacht, dass Sinzig als ein Pionier-Ort des Jazz in Deutschland betrachtet werden muss.“ HG

Hardy Rehmann (r.) übergibt Richard Volk den beim Denkmalverein traditionellen „Referententrunk. Foto:-HG-

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