
Am 08.01.2025
Allgemeine BerichteRudolf Menacher und Friedhelm Brandau beleben die historische Turmuhr der Sinziger Kirche
Nun schlägt sie wieder
Sinzig. Jahrzehnte lang hat die historische Kirchenuhr in der Pfarrkirche Sankt Peter ihren Dienst getan, also die Uhrzeit durch Schlag und Zifferblatt angezeigt. Im Anschluss bot das Heimatmuseum der Stadt ihr eine würdigende Bleibe. Ein Restaurator brachte ihr Gehwerk zum Laufen. Die beiden Schlagwerke aber machten zwei dem Heimatmuseum sehr verbundene Herren mit viel Einsatz und Spaß an der Technik wieder funktionsfähig.
„J.F. WEULE in BOCKENEM. 1876“ steht auf dem massiven Rahmen. Das verweist auf die renommierte Turmuhrenfabrik und Glockengießerei J. F. Weule in Bockenem, Niedersachsen. Die Firma hat von 1836 bis 1966 durch Qualitätsarbeit einen internationalen Standard geschaffen. Ihre Turmuhren und Glockenspiele lieferte sie in alle Kontinente der Welt. Viele sind noch heute funktionstüchtig. Ob der gute Ruf der Uhrenhersteller seinerzeit bis Sinzig drang? Jedenfalls wurde dort im Juli 1876 eine neue Uhr für die Pfarrkirche bestellt.
Nicht die Pfarrei entschied sich für die Anschaffung. Es war die Zivilgemeinde. Denn neben den örtlichen Kirchengemeinden kamen im 19. Jahrhundert oft auch die politischen Gemeinden für die Kosten einer neu anzuschaffenden Kirchenuhr auf. Dies lag daran, dass die Kirchenuhren nicht nur für religiöse Zwecke genutzt wurden, sondern auch eine zentrale Rolle im öffentlichen Leben spielten, indem sie der gesamten Bevölkerung als Zeitanzeige dienten. Deshalb finanzierten die Kirche und die Gemeinde oft gemeinsam die Uhren.
Ein Jahr Probelauf
In Sinzig beschlossen die Stadtverordneten am 15. September 1876, eine Uhr der Firma Weule für 1.381 Mark zu erwerben. Vorher aber wünschten sie Kostenvoranschläge unterbreitet zu bekommen. So wurde laut dem Standartwerk „Sinzig und seien Stadtteile“ der Beigeordnete Josef Broicher angewiesen, sich beim Bürgermeister von Weißenthurm über „Bezugsquelle, den Preis und die Güte“ der dortigen neuen Kirchenuhr zu erkundigen. Womöglich hatte man inzwischen auch von der 1775 erbauten Weule-Uhr in Sankt Willibrord, Beul, gehört, einem der drei Dörfer, die in dem Jahr zu „Neuenahr“ vereint wurden. Risikobewusst vereinbarten die Stadtverordneten Sinzigs vertraglich, die Uhr erst dann zu bezahlen, wenn sie ein Jahr lang gut gegangen sei. Das klappte offenbar tadellos, denn am 19. Januar 1878 genehmigte das Gremium den Kaufpreis auszuzahlen. Regelmäßig musste nun die unter den Giebel des Kirchendachs platzierte neue Uhr aufgezogen werden. Dies war die Aufgabe des Küsters Geef, der dafür von der Stadt eine Vergütung erhielt.
87 Jahre, von 1876 bis 1963, tat das Uhrwerk seinen Dienst in der Pfarrkirche und wurde ab dann durch eine elektrische Kirchenuhr ersetzt. Im selben Jahr kam die Uhr ins Heimatmuseum im Sinziger Schloss. Dort erhielt sie ein Untergestell und drei neue 17-Kilogramm-Beton-Gewichte anstelle der alten, vielfach schwereren Gewichte aus Naturstein. Diese befinden sich übrigens, wie der Denkmalvereinsvorsitzende Hardy Rehmann mit Kurt Häuser Ende 2024 erkundeten, noch auf dem Dachboden der Kirche, wie auch die beiden Uhrglocken noch im Dachreiter hängen, die größere seit 1661. Damit die Uhr im Museum dennoch wieder schlagen konnte, wurde eine Viertelstundenglocke aufmontiert. Ob sie im Hause aber vor der jüngsten Überarbeitung jemals zum Schlagen gebracht wurde, entzieht sich heutiger Kenntnis.
Prominent im Schlosseingang
Zeit und Technik erlebbar machen, darum geht es Friedhelm Brandau und Menacher, die sich der alten mechanischen Kirchenuhr annahmen. Im Museum gab sich der Zeitmesser lange im zweiten Stock mit schwarzen Takenplatten und gusseisernen Öfen ein Stelldichein dunkler Metallgeräte. Als 2022 die gesamte Abteilung für die neue Römerausstellung renoviert wurde, entschied Museumsleiterin Agnes Menacher, die Uhr nun prominent im Eingangsbereich zu zeigen.
Brandau, der sich bereits mit Manfred Gappe als Sammler von Terra Sigillata Scherben fürs Haus verdient gemacht hatte, besorgte vier starke Männer, die sie hinuntertrugen. Dann lackierte er das Untergestell neu. Für das Säubern und Lösen harziger Verkrustungen sorgte 2024 Metallrestaurator Martin Möbus aus Mertloch, nachdem sich der Kirchbauverein und der Verein zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig darauf geeinigt hatten, die Kosten von rund 6000 Euro zu teilen. Das Gehwerk der von ihm zerlegten und wieder montierten Uhr brachte Möbus zwar zum Laufen, nicht aber die beiden Schlagwerke.
Darauf bot Menacher den Vereinsvorständen an, die Uhr in Eigenregie voll funktionstüchtig zu machen. Unterstützt durch Kraftfahrzeugmechanikermeister Brandau gelang es, so sagt er, recht schnell, die Viertelstundenglocke zum Schlagen zu bringen. Als Ersatz für die Stundenglocke erwarb Menacher eine Bronzeglocke über Ebay: „Diese musste ich allerdings noch schleifen und polieren.“ Dieselbe Prozedur ließ er der Viertelstundenglocke angedeihen. Brandau fertigte für die neue Glocke den Metallrahmen und den Hammer nach dem Muster der Viertelstundenglocke. „Ich habe die Schrottplätze abgesucht nach Flach- und Rundeisen“, so der Ehrenamtler. 80 bis 100 Stunden investierte er in die Uhr. Wie viele Stunden es bei Menacher waren, weiß dieser gar nicht.
Erfolgreich setzen sie den Stundenschlag in Gang. Nun musste Menacher die Uhr „nur noch“ einregulieren und stellen. Heute bringt allein ihr Anblick und Ticken die engagierten Herren zum Lächeln und gewiss auch die Museumsbesucher. Diese haben zu besonderen Terminen, wie kürzlich bei einer Museumsführung, die Gelegenheit die elementare Technik des Uhrwerkes von Sankt Peter Sinzig in Aktion zu erleben. HG