Nachnutzung des ehemaligen Kraftwerks
Römische Exportschlager aus Weißenthurm und Mülheim-Kärlich
Die Umgebung der Kapelle „Am Guten Mann“ war einst der Standort bedeutender römischer Töpfereien
Weißenthurm. Die Nachnutzung des ehemaligen Kraftwerkgeländes macht Fortschritte. Nachdem im Jahr 2019 der Abriss des Kühlturms bundesweite Schlagzeilen machte, laufen im östlichen Teil des weiträumigen Bereichs bereits die Arbeiten zum Neubau eines Logistikzentrums. Doch nicht nur dort geht es voran: Vor wenigen Wochen hat der Stadtrat von Weißenthurm den Straßennamen für einen Bereich auf dem westlichen Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks beschlossen. Die meisten Menschen verbinden das Kraftwerk mit Mülheim-Kärlich. Dass sich zumindest eine kleine Teilfläche auf Weißenthurmer Gemarkung befindet, wird gerne vergessen. Einst gehörte jedoch auch dieser Bereich zur Kärlicher Gemarkung. Erst im Jahre 1865 erhielt Weißenthurm Flächen von Kettig, Andernach und Kärlich und somit eine eigene Gemarkung.
Im erwähnten Weißenthurmer Stadtratsbeschluss wurde der Straßenname „An der Römertöpferei“ festgelegt. Eine gute Entscheidung, erinnert diese Bezeichnung doch an eine Anlage mit überregionaler Bedeutung.
Archäologen sprechen von Weißenthurmer Töpfereien, „Urmitzer Ware“ oder auch weniger häufig von „Mülheim-Kärlicher Töpfereien“. Es gibt sicherlich Wichtigeres als der Streit, welche Bezeichnung richtig ist. Unumstritten ist die Tatsache, dass sich ein Großteil der Anlage im Bereich der Weißenthurmer Hafenstraße befand. Die Bezeichnung „Urmitzer Ware“ ist wohl darauf zurückzuführen, dass Wissenschaftler einst die Bahn als Anreisemittel nutzten und somit am „Bahnhof Urmitz“ ausstiegen (heute Stadtteil von Mülheim-Kärlich). Wer also die Bezeichnung „Römer Töpfereien am Guten Mann“ bezeichnet liegt mit Sicherheit nicht falsch, denn die gleichnamige Kapelle und das einstige Siechenhaus war nach der Aufgabe der Töpfereien lange Zeit das einzige Gebäude in der Nähe der Anlage.
Warum wählten die Römer ausgerechnet diesen Standort für die Töpfereien? Die Vorteile lagen auf der Hand: Schon immer war die Rheinschiene mit ihrer dortigen Infrastruktur (Wasserstraße, befestigte und unbefestigte Wege) ein guter „Wirtschaftsstandort“. Die Nähe zu den Tonvorkommen sowie das ausreichend vorhandene Holz waren weitere wichtige Gründe für den Erfolg der Töpfereien. Selbstverständlich benötigt man zur Herstellung von Keramiken auch Wasser, welches man im Rhein bzw. den Zuläufen fand.
Die römische Anlage hatte beachtliche Ausmaße: Im Vorfeld des Kraftwerksbaus fanden Ausgrabungen statt, die auf insgesamt 10 Brennöfen schließen lassen. Man kann ohne Übertreibung von einem überregionalen Produktionszentrum sprechen, in welchem überwiegend Teller, Krüge, Schüsseln und Töpfe hergestellt wurden. Diese dienten sowohl dem römischen Heer als auch dem privaten Bereich. Da sich die Ware in Aussehen, mineralogischer Zusammensetzung und Herstellungsart von anderen römischen Keramiken unterscheidet, konnten die Wissenschaftler auch die Verbreitung der Ware gut definieren. Unter anderem wurde von der Nordsee bis hin zu Main und Mosel Keramik gefunden, die eindeutig aus der römischen Töpferei im Bereich „Am Guten Mann“ stammt.
In zahlreichen Museen findet man heutzutage Keramik von hier. Besonders zu erwähnen ist das Stadtmuseum Mülheim-Kärlich, dessen Besuch sich lohnt. Dort findet man neben den bereits erwähnten Keramikwaren auch Dachziegel, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden.
Viele Jahrhunderte nach der Aufgabe der römischen Töpfereien wird der Bereich heute wieder industriell bzw. wirtschaftlich genutzt. Die passende Straßenbezeichnung „An der Römertöpferei“ erinnert an die herausragende Bedeutung der Anlage.