MZEB versorgt Menschen mit Behinderung im Norden von RLP
Schwerstbehinderte werden intensiv sozial-medizinisch versorgt

Neuwied. Medizinisch recht gut versorgt sind Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und Schwerbehinderungen. Die Defizite fangen an, wenn die Menschen ab achtzehn Jahren nicht mehr in Schulen und anderen entsprechenden Einrichtungen betreut werden. Auch für die Eltern im fortgeschrittenen Alter wird die Betreuung der erwachsenen Kinder zunehmend schwieriger. Diese Versorgungslücke wird nun vom Medizinischen Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) geschlossen. Ein Team von Ärzten, Fallbegleitern und Physiotherapeuten ist in der Andernacher Straße 70 Ansprechpartner für Patienten aus dem Norden von Rheinland-Pfalz. Nicht nur in medizinischen Fragen, sondern auch in sozialen Belangen. Landrat Achim Hallerbach, der gemeinsam mit Oberbürgermeister Jan Einig im Namen der kommunalen Familie die Glückwünsche zur Eröffnung überbrachte, freut sich über den Standort. „Das ist ein Zeichen dafür, dass Behinderte nicht an den Rand gedrängt werden, sondern in die Mitte der Gesellschaft gehören“. Weiter sprach der Landrat von einem wichtigen Baustein in der medizinischen Versorgungslandschaft des Landkreises Neuwied. „Behinderte benötigen Solidarität, Vertrauen und Unterstützung. Mit dem MZEB bekennen wir uns dazu“, so Achim Hallerbach. Matthias Rösch sprach von einem Meilenstein. Der Landesbehindertenbeauftragte gehörte zu den Gratulanten und zeigte sich zufrieden darüber, dass das MZEB an die Frühförderung anknüpft. Fach- und Hausärzte seien von den komplexen Krankheitsbildern Behinderter und Schwerbehinderter häufig überfordert. „Drei bis vier Stunden nehmen wir uns für die Erstuntersuchung Zeit“, erklärte Dr. med. Sabine Neumann. Viel Zeit, die andere Ärzte nicht haben. Die leitende Ärztin des MZEB berichtete, dass ihre Patienten Störungen in der Kommunikation und der Mobilität haben, häufig fehle die soziale Kompetenz. Soll heißen: Viele Patienten können sich gar nicht artikulieren, welche Schmerzen und Probleme sie überhaupt haben. Eine umfangreiche Recherche sei daher notwendig. „Deshalb müssen wir viel mehr vorausschauend handeln“, sagte Dr. Paul Reuther. Die Prävention, gab der Mediziner zu, sei der Schwachpunkt in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Dr. Paul Reuther, kürzlich mit der Verdienstmedaille des Landes ausgezeichnet, ist die unermüdlich treibende Kraft hinter dem MZEB. Mehrere Jahre hat er für die Einrichtung gekämpft und geworben. Landrat Achim Hallerbach und MZEB Geschäftsführer Thomas Voss sprachen Dr. Paul Reuther dafür ein ganz besonderes Dankeschön aus. Ebenfalls Worte des Dankes richtete Thomas Voss an die Vertreter der fünf Gesellschafter. 475.000 Euro Start- und Fortfinanzierung für mindestens sechs Monate, bis die ersten Leistungen der Krankenkassen fließen, haben das HTZ Neuwied, die St. Hildegardishaus GmbH und die Lebenshilfen Kreis Ahrweiler, Rheinland-Pfalz und Mayen-Koblenz aufgebracht. Die Neurologie bezeichnete Dr. Paul Reuther als einen Schwerpunkt im MZEB. Angeboten werden Spastikbehandlung, Laboruntersuchungen und Sprechstunden für Orthopädie, Therapien und Transition. Ebenfalls bietet das MZEB die Hilfsmittelversorgung und Laboruntersuchungen. Da damit natürlich nicht alle medizinischen Bereiche abgedeckt werden können, unterstrichen Dr. Sabine Neumann und Dr. Paul Reuther die Notwendigkeit und Fähigkeit der Kooperation. Beispielsweise mit Logopäden oder Ergotherapeuten. Diesbezüglich habe die enge Zusammenarbeit mit dem HTZ viele Kontakte ermöglicht. Dr. Paul Reuther nannte den fortschreitenden Personalmangel als weiteren Grund für Kooperationen. „Wir Ärzte müssen untereinander kommunikativer werden“, schrieb er den Kollegen ins Stammbuch.
Nicht benachteiligt, aber vernachlässigt
Der Landesbehindertenbeauftragte Matthias Rösch und Dr. Paul Reuther erinnerten daran, dass Deutschland im Jahr 2008 die UN Konvention zum Schutz der Rechte von Behinderten unterschriebe und 1994 im Grundgesetz festgeschrieben wurde, dass Behinderte nicht benachteiligt werden dürfen. Das, da waren sich die beiden Festredner einig, sei in Deutschland zwar nicht der Fall. Eine Vernachlässigung sei aber in manchen Bereichen feststellbar. Das ambulante, fachärztlich geleitete Zentrum schließe diese Lücke im Norden von Rheinland-Pfalz für Erwachsene mit schwergradiger geistiger, mehrfacher und chronisch neurologisch bedingter Behinderung. 800.000 Menschen leben im Versorgungszentrum, davon 2.500 – 3.000 mit Behinderungen. Dr. Paul Reuther nannte weitere Zahlen: In den westlichen Industrieländern sei 2% der Bevölkerung gehandicapt. Davon wiederum 10% schwer. Trotz allem medizinischen Fortschritts sinke diese Zahl nicht. Die Lebenserwartung Schwerstbehinderter liege bei nur 56 Jahren. Als Grund nannte Dr. Paul Reuther die frühzeitige Alterung und mangelnde Versorgung.
FF

Dr. med. Sabine Neumann erklärt BM Michael Mang und OB Jan Einig die technisch-diagnostischen Möglichkeiten des MZEB

Dr. Sabine Neumann, Geschäftsführer Markus Wagener, Landrat Achim Hallerbach, Geschäftsführer Thomas Voss Dr. Paul Reuther, OB Jan Einig und BM Michael Mang sowie Matthias Rösch eröffneten das MZEB vergangenen Freitag offiziell.