Ein lokales Wintermärchen mit einem wahren Kern

Vom jungen Jäger unddem Freischütz in Rheinbreitbach

Vom jungen Jäger und
dem Freischütz in Rheinbreitbach

Noch betrunken vom Wein machte sich derjunge Jäger auf in den Wald, zur Hütte des Freischütz'.

Vom jungen Jäger und
dem Freischütz in Rheinbreitbach

Der Freischütz war ein sonderbarerMann. Fotos: Couleur @pixabay

Vom jungen Jäger und
dem Freischütz in Rheinbreitbach

In dem Wald in Richtung des Westerwaldes nahe des Weinortes Rheinbreitbach lebte einst ein sonderbarer Mann, den man den Freischütz nannte. Er war stattlich gebaut, hatte einen langen dunklen Bart, einen Hut mit grüner Feder und zerschlissene Kleidung. Allein lebte er in einer kleinen Waldhütte tief im Wald. Wenn er aus dem Haus ging, trug er immer eine Pistole bei sich. Wer ihn ansprach, bekam meistens keine Antwort. Manche behaupteten sogar, er könne nicht sprechen. Doch in Wirklichkeit wollte auch niemand mit ihm sprechen. Denn zahlreiche Gerüchte gingen über ihn im Orte Rheinbreitbach umher. Unter anderem, dass die Pistole, die er bei sich trug mit silbernen Kugeln schoss und das Ziel niemals verfehlte. Da einige Rheinbreitbacher den Freischütz schon des Öfteren bei der Jagd haben schießen hören und er aus weiter Ferne auch ein Tier erlegen konnte, mieden die Dorfbewohner den Freischütz so gut es ging.

Eines Tages trug es sich jedoch zu, dass ein junger Jäger in Rheinbreitbach beim jährlichen Schützenfeste auf dem Burgplatz ein wenig zu viel des guten rheinischen Weines trank. Nachdem ihm der Wein etwas zu Kopf gestiegen war, behauptete er vor allen Leuten, dass er der beste und mutigste Schütze nicht nur im Dorf, sondern der ganzen Region sei und forderte den Schützenkönig heraus. Der amtierende Schützenkönig von Rheinbreitbach gewährte ihm diese Gelegenheit, sodass beide auf einen hölzernen Vogel schossen. Doch der junge Jäger war schon so betrunken, dass er den Vogel noch nicht einmal annähernd traf. Die Schützengesellschaft lachte laut auf und erbost ging der junge Jäger vom Platz. „Ihr werdet noch sehen, dass ich der beste und mutigste Schütze bin!“, brüllte er, noch bevor er den Burgplatz verließ.

Als der junge Jäger sich etwas beruhigt hatte, kam ihm plötzlich eine Idee. Er erinnerte sich an die Geschichte des Freischützes und seine silbernen Kugeln, die angeblich immer sein Ziel treffen sollten. Noch vom Wein betrunken, begab er sich in den Wald, um die Hütte des Freischützen zu suchen. Er wollte ihm seine Pistole abnehmen, wenn dieser aus dem Hause gehen würde.

Wenige Stunden später hatte der junge Jäger die Hütte des Freischütz' gefunden. Aus dem Kamin quollen dunkle Rauchwolken und durch das Fenster flackerte das Licht des Kaminfeuers auf. Der junge Jäger schlich sich leise an das Fenster heran. Er schaute hindurch und sah den Freischütz auf einem einfachen Bett liegen. Er schnarchte laut. Auf einem Stuhl hatte der Freischütz seinen Gürtel mit der Pistole und den silbernen Kugeln abgelegt.

Der junge Jäger konnte sein Glück kaum fassen. Leise öffnete er die Haustüre und schlich ins Innere des Hauses. Mit stetem Blick auf den schnarchenden Freischütz und leisen Schritten näherte er sich der Pistole mit den silbernen Kugeln. Doch als der junge Jäger die Pistole greifen wollte, erwachte plötzlich der Freischütz. Er setzte sich auf und starrte den jungen Jäger grimmig an. Der erschrak und war starr vor Angst.

„Wer bist du und was hast du mit meiner Pistole vor?“ begann der Freischütz das Gespräch. Der junge Jäger wusste nicht recht, was er sagen sollte. Er stammelte ängstlich vor sich hin: „Ähh. Ich bin ein junger Jäger aus Rheinbreitbach.“

„Und was willst du mit meiner Pistole“ fragte der Freischütz noch einmal nachdrücklich. „Ich brauche deine Pistole mit den silbernen Kugeln, um beim Wettschießen zu gewinnen.“, antwortete der Jäger wahrheitsgemäß. „Und warum kannst du dieses nicht mit einem anderen Pistole gewinnen?

„Weil..“, der junge Jäger stockte, „weil ich eigentlich nicht schießen kann. Dennoch habe ich behauptet, dass ich der beste und mutigste Schütze nicht nur von Rheinbreitbach, sondern in der ganzen Region bin. Beim Wettschießen habe ich mich dann total blamiert.“

Der junge Jäger ließ den Kopf hängen und eine Träne rollte ihm die Wange herunter. Noch nie war er in seinem Leben so ehrlich gewesen. Bis jetzt hatte er immer nur versucht, mit Prahlerei durchs Leben zu kommen. Doch in Anwesenheit des Freischütz' konnte er nur noch die Wahrheit aussprechen.

Der Freischütz beobachtete den jungen Jäger und seine Situation rührte ihn. Einen kurzen Augenblick überlegte er, ob er ihm die Pistole überlassen sollte. Doch dann hatte er eine bessere Idee. Er sagte dem jungen Jäger, dass er zu seiner Prahlerei stehen müsse und den anderen Schützen dies auch sagen müsse. Der junge Jäger erschrak zuerst und wurde panisch. Doch der Freischütz erwiderte, dass er mit ihm gehen werde und so begaben sich der Freischütz und der junge Jäger auf den Schützenplatz auf dem Burgplatz in Rheinbreitbach. Als der Freischütz mit dem jungen Jäger durch das Burgtor kam, ging ein Gemurmel durch die Menge. Einige sprangen von ihren Sitzbänken auf und verließen fluchtartig den Platz. Doch der Freischütz schaute harmlos in die Menge und sagte, dass der junge Jäger etwas zu sagen habe. Dieser stand mit ernster Miene neben ihn und erklärte vor versammelter Mannschaft, dass er aus Neid auf den Schützenkönig nur so herumgeprahlt habe und der Wein ihm zu Kopf gestiegen sei. Auch sei er kein besonders guter Schütze, überhaupt nicht mutig und würde die Schützengesellschaft um Verzeihung bitten. Die Schützen schauten sich gegenseitig kurz an. Dann stand der Schützenkönig auf, ging zu dem jungen Jäger und klopfte ihm auf die Schulter: „Du magst zwar nicht besonders gut schießen, aber dass du der mutigste Schütze von uns bist, das hast du gerade bewiesen. Ich kenne keinen Mann, der freiwillig zum Freischütz geht, mit diesem auf unser Schützenfest zurückkehrt und dann vor versammelter Mannschaft erklärt, dass er nicht schießen kann.“

Nach diesen Worten applaudierten die Schützen und riefen ein lautes „Horridoh!“ aus.

Als der Freischütz gesehen hatte, dass der junge Jäger zu sich selbst gestanden und seinen Neid überwunden hatte, wollte er gehen. Doch der Schützenkönig sprach ihn an, ob er nicht bleiben wolle. Doch der Freischütz antwortete nur, dass seine Aufgabe hier nun erfüllt sei.

Dieses Märchen ist auch als Podcast veröffentlicht unter https://www.podcast.de/podcast/874328/