BLICK aktuell unterhielt sich mit Violetta Heinrich, Pressesprecherin des Polizeipräsidium Koblenz - Alle wichtigen Hinweise auf einen Blick
Was tun bei Schockanruf und Enkeltrick? Polizei gibt Tipps
Region. Die Nachrichten und Polizeiberichte sind voll davon: Gemeint ist der sogenannte Schockanruf. Betrüger gaukeln ahnungslosen Menschen am Telefon oder per WhatsApp vor, ein Familienangehöriger zu sein und in einer Notfallsituation zu stecken. Oft soll eines schweren Unfall gegeben haben, der in dramatischen Bildern dargelegt wird. Und immer wird Geld benötigt um die vermeintlichen Verwandten aus ihrer Misere zu befreien. Nicht selten geht es dabei um hohe Summen und gerade ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger sind von der Masche betroffen. Leider haben die Betrüger oft Erfolg, obwohl die Polizei in ihren Pressemitteilungen vor Schockanrufen und Enkeltricks immer warnt. BLICK aktuell sprach ausführlich mit Violetta Heinrich, Pressesprecherin des Polizeipräsidium Koblenz, über das Phänomen.
BLICK aktuell: Subjektiv betrachtet kommen Schockanrufe immer häufiger vor. Nehmen die Fallzahlen tatsächlich zu?
Violetta Heinrich: Eine Auswertung rein auf Schockanrufe ist im polizeilichen System nicht möglich. Wir werten hier alle Arten von Betrug, sprich auch den WhatsApp-Betrug, Enkeltrick, falsche Polizeibeamte etc. aus, weshalb auch keine verlässlichen Zahlen speziell zum Schockanruf genannt werden können. Letztendlich handelt es sich um diverse Betrugsmaschen mit dem selben Ziel – die Opfer um ihr Erspartes zu bringen. Tendenziell ist zu verzeichnen, dass die Fallzahlen in diesen Phänomenbereichen seit dem Jahr 2020 bis 2022 deutlich gestiegen sind.
BLICK aktuell: Wieviel solcher Schockanrufe sind auch erfolgreich? Gibt es eine Dunkelziffer?
Violetta Heinrich: Erschreckenderweise sind immer noch einige betrügerische Anrufe/Nachrichten erfolgreich. Valide Zahlen können wir Ihnen auch hier nicht liefern, da wir dazu die Vergleichszahlen der versuchten, aber nicht vollendeten, Betrüge bräuchten. Diese werden uns aber oft gar nicht bekannt, da sie in diesem Versuchsstadium gar nicht angezeigt werden. Die Dunkelziffer ist demnach hier sicherlich ebenfalls hoch. Viele Geschädigte zeigen aber leider auch vollendeten Betrug aus unterschiedlichen Gründen, beispielsweise aus Scham, nicht an.
BLICK aktuell: Gibt es eine typische Vorgehensweise der Täter?
Violetta Heinrich: Die Vorgehensweise der Täter ist zur Zeit meist eine Kombination aus Schockanruf und Enkeltrick. Die Betrüger geben sich am Telefon als nahe Verwandte (Sohn, Tochter, Enkel, etc.) aus und täuschen eine Notsituation vor. Diese variieren. In einem solchen Fall meldet sich der Anrufer niemals mit Namen, sondern leitet das Gespräch so geschickt ein, dass der Angerufene reagieren muss und unbewusst den Namen der Person nennt, die er glaubt, erkannt zu haben.
Mal erzählt der vermeintliche Angehörige dann, dass er einen schwerer Verkehrsunfall verursacht habe, bei dem ein Mensch getötet wurde. Mal schwebt ein naher Verwandter in Lebensgefahr und muss dringend operiert werden. Die Sachverhalte, die dem Angerufenen aufgetischt werden, haben meistens einen hohen emotionalen Inhalt, sodass das angehende Opfer sofort „geschockt“ und irritiert ist. Die Täter setzen dann im Verlauf des Gespräches das Opfer zeitlich unter Druck und sorgen so dafür, dass die Person keinen Kontakt nach außen aufnehmen und somit auch keine Hilfe erlangen kann.
Um die Glaubwürdigkeit des Geschehens zu untermauern, kommen weitere Personen im Telefonat zum Zuge. Mal ist es der Polizeibeamte, der die Unfallgeschichte bestätigt, mal der Staatsanwalt, der die Festnahme des Verwandten anordnet, bis hin zum Richter, der die Ernsthaftigkeit der Lage bestätigt. Beim medizinischen Notfall ist es der Arzt oder Chefarzt - bis hin zum Spezialisten, der die Dringlichkeit der lebensrettenden Operation hervorhebt.
In allen Fällen, unabhängig von der „Geschichte“, wird das Opfer im Verlaufe des Telefonats über seine finanziellen Verhältnisse (Bargeld, Kontostände, Wertsachen wie Schmuck, Gold etc) ausgefragt. Wenn die Täter dann einen Überblick über die Vermögenslage erlangt haben, wird nun die Höhe der „Kaution“ für die „Freilassung“ bzw. die Höhe der Kosten für die Operation o.ä. festgelegt. Final kommt es dann zur Absprache hinsichtlich der Übergabe der Wertsachen oder des Geldes. Die Täter verlangen meist eine persönliche Übergabe mit dem Hinweis auf die zeitliche Dringlichkeit der Angelegenheit. Der Übergabeort variiert. Teilweise soll das Geld zu Hause abgeholt werden oder es wird ein Treffen an einem – meist öffentlichen – Ort vereinbart. Auch kann es sein, dass die Wertsachen an einem bestimmten Platz versteckt zur Abholung bereitgelegt werden sollen.
BLICK aktuell: Was können Betroffene (und Angehörige) tun, um sich zu schützen?
Violetta Heinrich: Seien Sie bei Anrufen misstrauisch, wenn sich am Telefon eine Person als Verwandter meldet, der in einer Notlage steckt. Achten Sie darauf, ob sich die Person mit Namen gemeldet hat oder ob Sie selbst einen Namen eines Verwandten genannt haben. Die hier genannte Masche ist nur eine von vielen. Egal welcher Sachverhalt und welche Geschichte jemandem am Telefon oder per WhatsApp glaubhaft gemacht werden soll, ist es wichtig, skeptisch zu sein und diese zu hinterfragen.
Insbesondere wenn es um Geld, Wertsachen (Gold, Schmuck, Münzen, Uhren etc.), Bankkonten, Bankschließfächer, Bankkarten und PIN-und/oder Kontonummern geht, ist höchste Vorsicht geboten. Die Maschen der Betrüger verändern sich stetig und sind immer nur auf eins ausgerichtet: Profit! Weder die Polizei, noch die Staatsanwaltschaft oder Gerichte verlangen am Telefon von Ihnen Geld und/oder Wertsachen für eine angebliche Kaution. Die Behandlung eines Unfallopfers ist niemals von einer vorherigen Zahlung eines Geldbetrages abhängig. Es sollte niemals Geld und/oder Wertsachen an unbekannte Personen übergeben oder an einem vereinbarten Ort hinterlegt werden.
Tipps zum richtigen Verhalten
1. Seien Sie vorsichtig, wenn die angezeigte Nummer im Display des Telefon „unbekannt“ lautet.
2. Geben Sie niemals Details über Ihre finanziellen und familiären Verhältnisse preis.
3. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen.
4. Bei Zweifel beenden Sie das Gespräch und sprechen Sie mit anderen über den Anruf.
5. Nehmen Sie immer persönlichen Kontakt unter der Ihnen bekannten Nummer mit Ihren Verwandten/Bekannten auf, um die es sich vermeintlich handelt.
6. Sprechen Sie in der Familie über diese Art von Betrugsmaschen und sprechen Sie sich ab, wie bei einem solchen Fall untereinander kommuniziert werden soll, um die Echtheit zu überprüfen.
7. Wenn Sie einen Betrugsversuch erkennen, benachrichtigen Sie bitte die Polizei.
8. Sollten Sie sogar geschädigt worden sein, scheuen und schämen Sie sich nicht, Ihre Polizeidienststelle zu kontaktieren.
ROB