ine Weihnachtsgeschichte aus Bad Neuenahr-Ahrweiler von Werner Schüller, Heimatautor aus dem Ahrtal

Weihnachtsbäume ohne Tannenduft

Weihnachtsbäume ohne Tannenduft

Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz von Ahrweiler.Foto:ROB

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Waldwirtschaft in unserer Region umgestellt. Bei Waldneuanlagen wurden anstatt der langsam wachsenden Harthölzer wie z.B. Eichen und Buchen, Nadelhölzer bevorzugt. In dieser Zeit war der Baustoff aus den heimischen Wäldern zum Beispiel als Bau- und Grubenholz sehr geschätzt und beliebt. So wurde dann zukunftsgerichtet in den Gemeinden und Städten, aber auch von Privatbetrieben, überwiegend mit Nadelholz aufgeforstet. So gab es in der Zeit hektarweise Jungkulturen mit Fichten und Kiefern, ein wahres Schlaraffenland für die Auswahl von Weihnachtsbäumen. Bis in die 1980er Jahre standen überwiegend Fichtenweihnachtsbäume in den Wohnzimmern und öffentlichen Gebäuden.

Bei dieser Weihnachtsbaumschwemme, insbesondere auf den Dörfern, war es nicht verwunderlich, dass sich die meisten Familien keinen Weihnachtsbaum kauften, sondern – wenn sie selbst keinen Wald hatten – diesen im Gemeindewald stibitzten.

In der letzten Adventswoche und manchmal noch an Heiligabend sah man dann die Männer mit Axt und Säge in den Wald strömen. Einige hatten sich schon im Sommer das passende Bäumchen ausgesucht und brauchten es jetzt nur noch zu schlagen. Bei Nacht und Nebel brachten sie dann den Baum heim. In den bäuerlichen Betrieben wurden das Tännchen bis Weihnachten in der Scheune, dem Holzstall oder der Futterküche bis zum Heiligabend vor dem Förster versteckt. Der sah dieses Treiben zwar nicht gerne, aber er konnte alleine nicht viel dagegen machen. Er konnte ja nicht überall im Wald sein. Wenn er jedoch jemanden erwischte, war eine Geldstrafe fällig. Aber die Männer aus dem Dorf kannten sich seit Kindesbeinen im Wald aus. Sie wussten jeden Schleichweg und Steg und so ließen sie sich nicht erwischen. Mein Vater war bis Mitte der 1960er Jahre als Forstmitarbeiter im Forstgut von Graf Metternich beschäftigt. Das Waldstück lag als geschlossenes Anwesen zwischen Ramersbach und Ahrweiler. Dort wurde zu der Zeit schon fortschrittlich mit verschiedenen Edelhölzern wie Nobilistanne, Weißtanne, Nordmannstanne, große Küstentanne, Weihmutskiefern, Coloradotanne, Serbische Fichte, sowie mit verschiedene Zedern und Zypressenarten experimentiert.

Von diesen Holzarten waren auch Versuchskulturen angelegt worden. Im Advent brachte Vater von diesen verschiedenartigen „Exoten“ reichlich Grün für die Vasen und zum Binden des Adventkranzes mit. Auch die Nachbarn und Freunde bekamen immer etwas davon ab und freuten sich besonders wegen des schönen harzigen Duftes.

Auch die Junganlagen im Forstgut Metternich waren an den letzten Adventswochen Ziel des Weihnachtsbaumklaus. Deshalb war Vater mit seinem Kollegen Josef Schumacher ab dem zweiten Adventssonntag im Wald vor Ort, um die jungen Bäume zu bewachen. Alleine schon das rauchende Feuer, welches die beiden immer anzündeten, hielt die meisten Christbaumklauer ab. Aber einige hatten doch Glück und konnten ihren Baum ohne erwischt zu werden heimbringen.

Aber nicht nur die Menschen sondern auch das Wild hatte es auf die neuartigen Koniferen abgesehen. Sie ließen sich die wohlduftenden jungen Triebe im Frühjahr schmecken. Dieser Schaden ließ sich nur durch Ersatzpflanzungen reparieren. Deshalb wurden im nächsten Jahr zur Vorbeugung an jedem Bäumchen einige Ästchen mit sogenanntem Wildverbissmittel angestrichen. Allein der Geruch dieses Mittels hielt das Wild jetzt von den

Bäumchen ab. Sogar das Rindvieh bei uns zu Hause im Stall wich zurück, wenn Vater mit den Kleidern, mit denen er tagsüber die Tännchen gestrichen hatte, die Tiere fütterte,

Im Gegensatz zu dem Wild konnte man selbst an den Bäumchen in freier Natur das Mittel nicht riechen. Allerdings entwickelte das Zeug besonders in warmen Räumen einen unerträglichen Gestank. Am letzten Adventssonntag war Vater wieder zur Wache bei den Tännchen eingeteilt. Er streifte durch die Schonungen und sah an den abgeschnittenen Stümpfen, dass eine Reihe mit Wildverbissmittel „präparierten“ Tännchen fehlten, und dachte: „Die werden an Weihnachten noch viel Spaß haben.“

Nach Neujahr unterhielt er sich zu diesem Thema mit einem guten Bekannten aus Ahrweiler. Es hatte sich herumgesprochen und er wusste zu berichten, dass aus Geruchsgründen bei einigen Ahrweiler Familien schon am ersten Weihnachtstag die Christbäume mit samt Lametta auf den Hof geflogen waren. „Die werden wohl vom Christbaumklau geheilt gewesen sein und im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder einen Baum auf dem Markt gekauft haben“, so mein Vater.

Werner Schüller, Jahrgang 1950, wurde in Ahrweiler geboren und hat im Stadtteil Ramersbach seine Kindheit und Jugendzeit verbracht. Dort ging er auch in die einklassige Volksschule. Seit 1980 wohnt er mit seiner Familie im Stadtteil Walporzheim. Er ist verheiratet, hat eine erwachsene Tochter und zwei Enkelkinder. Er erlernte nach der Volksschule den Beruf des Großhandelskaufmanns im Baustoffhandel. Später arbeitet er als Angestellter bei der Bundeswehr in Bad Neuenahr. Als Hobbyautor und Heimatforscher entstanden unter seiner Mitwirkung verschiedener Bücher, sowie zahlreiche Publikationen auch in den Heimatjahrbüchern des Kreises Ahrweiler

Quelle: Advent- u.Weihnachtsgeschichten aus Bad Neuenahr Ahrweiler.

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