Jahreshauptversammlung der NABU-Ortsgruppe Mayen
Der Luchs stand im Mittelpunkt

Mayen/Welling. Hans-Peter Flick, Großkarnivorenbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz, hielt im Zusammenhang mit der jüngsten Jahreshauptver-sammlung der NABU-Ortsgruppe Mayen einen interessanten und spannenden Vortrag über den Luchs. Es ist nicht auszuschließen, dass diese faszinierende Großkatze, die vor rund 150 Jahren in Rheinland- Pfalz ausgerottet wurde, vielleicht wieder, bislang noch unbemerkt, in den Wäldern von Eifel, Hunsrück oder Westerwald umherschleicht.
„Der hat Augen wie ein Luchs“ - dieses Sprichwort kommt nicht von ungefähr. Der Luchs kann aus 150 Metern Entfernung noch genau erkennen, ob er dort einen Maulwurfshügel vor sich hat oder ein Kaninchen - und das bei Dämmerlicht. Der frühe Morgen und die beginnende Nacht sind die bevorzugten Zeiten, in denen sich die Großkatze auf die Jagd begibt. „Luchse fressen ausschließlich Fleisch“, berichtete Hans-Peter Flick. Der ehemalige Kriminalbeamte beschäftigt sich seit seiner Pensionierung intensiv mit dem Luchs und dem Wolf. Ausgebildet zum Wolfs- und Luchsberater wurde er bei der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Trippstadt. Dort sitzt Dieter Huckschlag, bei dem alle Erkenntnisse, die über die beiden Tierarten hier in Rheinland-Pfalz gemacht werden, zusammenfließen. Der letzte Luchs in Rheinland-Pfalz wurde 1769 im Pfälzer Wald erschossen. Aber wer weiß, vielleicht schleichen eine oder mehrere der Katzen schon jetzt wieder in den Wäldern umher, eingewandert, ohne dass sie entdeckt wurden.
Für Menschen ungefährlich
Luchse leben sehr heimlich. Für den Menschen sind sie laut Flick absolut ungefährlich. „Sie haben in etwa die Größe eines Schäferhundes“, beschreibt Flick die Statur der Luchse. Kennzeichnend ist auch ihr Stummelschwanz. Die Vorderbeine sind etwas kürzer als die kräftigen Hinterbeine, was ihm die leicht nach hinten angehobene Haltung verleiht. Auf Jagd geht er vorzugsweise in der Morgen- oder Abenddämmerung. „Der Luchs ist außerordentlich spurtstark. In wenigen Sekunden ist er von Null auf Siebzig, aber schon nach 30 bis 40 Metern verlassen ihn die Kräfte. Hat er bis dahin die ausgewählte Beute nicht gepackt, gibt er auf und zieht seines Weges“, berichtet Flick. Neben dem bereits erwähnten guten Augen besitzt der Luchs auch ein hervorragendes Gehör. „Noch auf 50 Metern kann er eine vorbeilaufende Maus ausmachen“, so Flick. Ob er in einem Revier anwesend ist, verraten unter anderem Risse, Trittsiegel oder auch Kratzspuren, die er mit seinen kräftigen Krallen beispielsweise an Buchen hinterlässt. „Dieses Kratzen dient nicht der Markierung, sondern zur der Schärfung der Krallen“, sagt Flick. Als Luchsberater wird er zu Hilfe gerufen, wenn beispielsweise ein gerissenes Reh aufgefunden wird, dass Spuren aufweist, die eventuell von einem Luchs stammen könnten.
Dazu gehören Krallenspuren auf dem Rücken oder an den Flanken des Tieres. Um festzustellen, dass tatsächlich das Tiere von einem Luchs erbeutet wurde, stellt Flick umfangreiche Untersuchungen an. Unter anderem werden Fraßstellen am Beutetier Speichelproben entnommen und der Hals nach Bissspuren nachgesehen. Luchse drücken der Beute nachdem sie sie zu Fall gebracht haben, die Kehle zu. Die Blutzufuhr zum Gehirn wird beim erbeuteten Tier so blitzschnell unterbunden. Der Tod tritt rasch ein. In der Nähe des Fundortes schaut der Luchsberater auch nach Kot- und Urinspuren, die der Luchs eventuell dort hinterlassen hat. Es wird eine Fotofalle aufgestellt, die all das dokumentiert, was sich an der Beute zu schaffen macht. „Hat man Glück, dann ist auch der Luchs dabei, denn der kommt immer wieder zu seiner Beute zurück, um davon zu fressen. Meist beginnt er mit dem Verzehr der Keulen“, berichtet Flick. Rund 50 Rehe erbeutet ein Luchs im Jahr. „Das klingt zunächst nach sehr viel, aber man muss das Ganze relativieren, denn ein Luchs durchstreift ein Jagdrevier von rund 150 bis 200 Quadratkilometern Größe“, so Flick.
Der Entnahme von Speichelproben an den Fraßstellen am Beutetier wird die größte Bedeutung zugewiesen, denn von ihnen lässt sich durch genetische Untersuchungen absolut sicher feststellen, ob ein Luchs hier zuschlug oder nicht. „Von allen bislang bekannten Luchsen liegen Gen-Dateien vor. So können die aufgenommenen Proben verglichen und einem Tier zugewiesen oder festgestellt werden, ob es sich um einen bislang unbekannten Luchs handelt“, weiß Flick. Auch Haare dienen der genetischen Bestimmung. Bei durch Fotos dokumentierten Tieren lassen sich diese durch die Maserung ihres Fells, dass bei jedem Tier unterschiedlich ist, genau bestimmen. Nicht jeder Beobachtung, die von der Anwesenheit eines Luchses künden, ist seiner Erfahrung nach Glauben zu schenken. Meist wird im Nachhinein festgestellt, dass es sich nicht um einen Luchs handelte, der da angeblich beobachtet wurde.
Die sich dem Vortrag anschließenden Fragen aus dem Publikum zeigten, dass ein großes Interesse an der Großkatze in der Bevölkerung vorhanden ist. Das bewies aber auch die hohe Zahl der Teilnehmer der Veranstaltung. Um die 70 Gäste konnte Margot Bechtoldt, die Vorsitzende der NABU-Ortsgruppe Mayen im Hotel-Restaurant „Zu Post“ in Welling willkommen heißen. Sie, wie auch Hans-Peter Flick, freuten sich darüber, dass nicht nur NABU-Mitglieder den Worten des Großkarnivorenbeauftragten lauschten, sondern dass auch zahlreiche Jäger der Kreisjagdgruppe Mayen-Koblenz anwesend waren, darunter deren Vorsitzender Walter Kemp. Wahrscheinlich wird es zu einem weiteren Vortrag kommen, bei dem dann der Wolf im Mittelpunkt des Geschehens stehen wird. Der Wolf wird von den Experten noch eher in den heimischen Wäldern zurückerwartet als der Luchs. Mehrere Beobachtungen gab es bereits.
Info: Rheinland-Pfalz besitzt ein Netzwerk von Großkarnivoren-Beauftragten. Hans-Peter Flick ist einer von ihnen. Insbesondere bittet er die Jäger um Mithilfe. Im Falle von Luchs- oder Wolfssichtungen oder verdächtigen Spuren ist er unter Tel. (01 72) 6 80 66 04 zu erreichen. Beobachtungen können aber auch direkt der sogenannten Großkarnivoren-Hotline in Trippstadt mitgeteilt werden. Diese lautet (0 63 06) 91 11 99.