Julia Klöckner im Interview

„Bei den Soforthilfen hat Rheinland-Pfalz versagt“

„Bei den Soforthilfen hat Rheinland-Pfalz versagt“

Julia Klöckner. Foto: CDU Rheinland-Pfalz

Die Corona-Krise hat Deutschland fest im Griff. Trotz einer Lockerung der Beschränkungen durch die Bundesregierung stellen die Maßnahmen einen massiven Eingriff in den Alltag der Menschen dar. Dennoch: Die Mehrheit der Bevölkerung begrüßt die Entscheidungen. Auch internationale Beobachter attestieren Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Ministerstab ein umsichtiges Krisenmanagement. BLICK aktuell hatte Gelegenheit, sich mit Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft über die Auswirkungen der Krise zu unterhalten. Klöckner, auch CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, schilderte dabei die Situation hinter den Politikkulissen in Berlin und legte dar, warum Hamsterkäufe unsolidarisch sind und warum in ihrem Heimatland Rheinland-Pfalz manches nicht so läuft, wie es sollte.

Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich die Arbeit von Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) verlagert: Statt zu den gewohnten Sitzungen treffe man sich meist virtuell. „Telefonschalten, Video-Konferenzen, WhatsApp, SMS, E-Mail – im Moment stimmen wir uns auf den verschiedensten Kanälen ab“, sagt sie. Mit „wir“ sind in diesem Fall die Bundesregierung und die Kollegen des Ministeriums gemeint. Klöckner unterstreicht die Funktionalität dieser Arbeitsweise. „Es sind jetzt schnelle Entscheidungen gefragt, die Arbeit ist sehr fokussiert“, fasst Klöckner zusammen. Doch nicht nur Corona ist Thema: „Natürlich werden auch Themen wie der gesundheitliche Verbraucherschutz, die Entwicklung ländlicher Regionen oder die Wiederaufforstung der geschädigten Wälder im Hintergrund weiter bearbeitet“, sagt die CDU-Politikerin.

Dafür, dass alles seinen Gang geht, sorgen rund tausend Mitarbeiter im Ministerium sowie knapp 6000 Mitarbeiter in den nachgeordneten Behörden. Die Krisenzeit ist fordernd, verändert Abläufe. „Jeder Tag ist anders“, fasst Klöckner zusammen. „Ich bekomme täglich die aktuelle Marktlage auf den Tisch und dann gilt es, alle Entwicklungen und Maßnahmen rasch abzustimmen - und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern selbstverständlich genauso in den Regionen sowie mit den europäischen und internationalen Partnern. Es geht hier um Lieferketten, um Versorgungssicherheit und die Ernährungsstrukturen.“

Lebensmittel: Keine Engpässe zu erwarten

Dass die Lage für viele Menschen schwer ist, weiß Klöckner. Die Bevölkerung stehe derzeit unter einer großen Belastung. Familien mit Kindern kommen an Belastungsgrenzen, Selbstständige haben schlaflose Nächste und Existenzsorgen, Kurzarbeitenden fehle eingeplantes Einkommen. Die Regelungen zur Kontaktsperre werden dennoch gut eingehalten - wofür Klöckner dankbar ist.

Angesprochen auf die Tendenz zum „Hamsterkauf“ im Supermarkt, sagt Klöckner: „Natürlich kann ich die Verbraucher verstehen. Ein leeres Regal im Supermarkt, das ansonsten immer gefüllt ist, ruft bei manchem Sorge hervor.“ Diese sei jedoch unbegründet: „Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist gesichert.“

Falls das Regal mit Mehl im Supermarkt einmal leer sei, läge das nicht an einem Mangel an dem Lebensmittel an sich. Vielmehr kämen die Erzeuger aufgrund der gesteigerten Nachfragen nicht mehr mit dem Verpacken des Mehls für den Einzelhandel nach. Aber auch das seien grundsätzlich Ausnahmen.

Es sei daher nicht angebracht und unsolidarisch, unangemessen große Mengen an Nahrungsmitteln zu bunkern. „Lebensmittel zu horten, viel mehr zu kaufen als man selbst braucht und was anderen dann fehlt, das ist unsolidarisch“, so die Bundesministerin. „Es ist aber gut, dass die Hamsterkäufe spürbar nachgelassen haben.“ Ihr Ministerium hatte selbst mit einer großen Kampagne dafür geworben, bedarfsgerecht einzukaufen. Auch, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Denn es sei davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Lebensmittel, die über Bedarf auf Vorrat gelagert werden, den Weg vom Küchenschrank oder dem Vorratsraum in die Abfalltonne nimmt.

Verwundert ist nicht nur Julia Klöckner über den sprunghaften Anstieg bei Mehl und Backhefe. Es bleibe zu hoffen, dass die Menschen „jetzt auch wirklich mehr backen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Die Corona-Pandemie habe allen die große Bedeutung einer flächendeckenden, regionalen Erzeugung vor Augen geführt. Grundnahrungsmittel im eigenen Land zu produzieren, sei wichtig. Doch einem neuen Konsumnationalismus zu frönen, davon hält Klöckner nichts – das wäre zu kurz gedacht. Das liege in der Natur der Dinge: „Unser Speiseplan ist bunt und vielfältig. Wir beziehen aus dem Ausland auch einiges an Nahrungsmitteln. Denn mit der Ananas oder der Banane aus Deutschland können wir nicht rechnen. Wenngleich man auch nicht das ganze Jahr Erdbeeren haben muss - saisonales Obst und Gemüse bieten auch Abwechslung“, so die Christdemokratin. „Deutschland exportiert selbst Agrarprodukte ins Ausland. Und wir importieren viel Obst und Gemüse. Unser Selbstversorgungsgrad liegt da nur unter 40 Prozent. Um die gewohnte Vielfalt zu haben, müssen wir Handel betreiben.“

Soforthilfen: „Es geht um Existenzen!“

Auch die Landwirtschaft leidet unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Insbesondere die fehlenden Erntehelfer sorgten für Schwierigkeiten. Doch um diese Situation zu entschärfen, habe man wichtige Schritte eingeleitet, wie Klöckner resümiert. Jeweils 40.000 ausländische Saisonarbeitskräfte dürfen in den Monaten April und Mai einreisen. „Wir haben hier mit dem Bundesinnenministerium eine gute Lösung gefunden. Sie gewährleistet beides: Wirtschaften und Erntesicherung - vereinbart mit Gesundheits- und Infektionsschutz unter Beachtung klarer Regeln für Einreise, Unterbringung und Arbeitseinsatz, die wir gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut erarbeitet haben.“ Aber auch die Solidarität der Bürger bezeichnet Klöckner als herausragend. Auf der von ihrem Ministerium unterstützten Vermittlungsplattform des Maschinenrings für Erntehelfer www.daslandhilft.de bieten weit über 50.000 Menschen ihre Hilfe an. So stünden die Landwirte nicht alleine da.

Dadurch, dass die Landwirtschaft auf Julia Klöckners Initiative hin nun als systemrelevant eingestuft wurde, wurden eine Vielzahl von Einschränkungen abgeschafft, Flexibilisierungen bei der Arbeitszeit ermöglicht sowie beim Hinzuverdienst zur Kurzarbeit. Und Sorforthilfen für die landwirtschaftlichen Betriebe wurden auf Bundesebene bereits auf den Weg gebracht.

Doch gerade bei den finanziellen Hilfen und der Umsetzung der Landesregierung in Rheinland-Pfalz sieht Klöckner dringenden Handlungsbedarf. „Gerade die Situation in Rheinland-Pfalz ist alles andere als zufriedenstellend“, kritisiert sie. Anträge zur Soforthilfe lägen seit Wochen vor und das in hoher Zahl. „Dass Ministerpräsidentin Dreyer und Wirtschaftsminister Wissing hier nicht wie andere Länder dafür gesorgt haben, dass die Gelder schnell und unkompliziert fließen, sondern die Antragsteller zu Beginn noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung zu ihrem Antrag bekommen haben, das ist nicht akzeptabel. Es reicht auch nicht, überwiegend einfach nur Bundesgeld durchzureichen, ohne selbst Geld in die Hand zu nehmen und zu helfen, so wie das andere Bundesländer tun. Hier geht es doch um Existenten und Arbeitsplätze! Die Betriebe sind doch die, die ein Land am Laufen halten und Steuern zahlen. Die kann man doch jetzt nicht hängen lassen.“

Klöckner, die selbst Rheinland-Pfälzerin und auch Landesvorsitzende der CDU im Land ist, stellt fest: „So macht ein Förderprogramm keinen Sinn. Die Landesregierung muss hier ganz dringend die Schlagzahl erhöhen“, fordert sie. „Außerdem hatten wir die Landesregierung aufgefordert, für die Betriebe auch unkomplizierte Zuschüsse einzurichten, die - anders als die Darlehen des Landes - nicht zurückgezahlt werden müssen. Das wurde leider abgelehnt.“

Schnelle Hilfe für die Landwirtschaft

Nach der Corona-Krise könnte laut Meteorologen ein neues Problem drohen: Nach den Dürrejahren 2018 und 2019 zeichne sich derzeit ab, dass es auch in diesem Sommer zu wenig Niederschläge geben könnte. Nach der Trockenheit der vergangenen zwei Wochen sind manche Landwirte besorgt über die Zeit nach der Viruspandemie. Wichtige Unterstützungsmaßnahmen seien bereits umgesetzt, auf die im Fall der Fälle zurückgegriffen werden könne, so Julia Klöckner. Die steuerliche Gewinnglättung oder Dürreversicherungen mit ermäßigtem Steuersatz seien beschlossen. Die Situation habe man im Blick, die derzeitigen Vorhersagen über den Verlauf des Sommers seien aber noch Spekulation, betont Klöckner.

Die Bundesministerin äußert in Bezug auf Konsumverhalten und die Wertschätzung regionaler Produkte Hoffnung für die Zeit nach der Krise. „Viele Konsumenten schauten beim Gemüse im Supermarkt mehr auf den Preis als auf die Herkunft“, blickt sie zurück. Dies sei nun ein viel größeres Thema. Denn wer regional kauft, kann in vielerlei Hinsicht helfen, dass Betriebe um die Ecke überleben können. Mit dem Geldschein hätten die Verbraucher die Möglichkeit, das Angebot mitzubestimmen. Es stelle sich auch die Frage, was uns Verbrauchern die heimischen Lebensmittel wert seien. Wer den Landwirt vor der Haustür unterstütze, stärke die regionale Wirtschaft. „Geht es um die heimischen Erzeugnisse, ist ein gesunder Patriotismus sicherlich gut. Kein Konsumnationalismus, das wäre sicher falsch“, sagt die Ministerin. Doch die deutsche Landwirtschaft produziere qualitativ hochwertige Lebensmittel. Dies spiegele sich auch auf dem Weltmarkt wieder, der für Deutschland eine immense Rolle habe.

Das Interview führte Daniel Robbel