Franz Müntefering begeistert in Rheinbreitbach Gäste aus der Region
Demokratie leben, indem alle sich einbringen

Rheinbreitbach. Auf Einladung der Bürgerstiftung Unkel Willy-Brandt-Forum sprach Vizekanzler a.D. Franz Müntefering vor einem interessierten Publikum aus der gesamten Region und Vertretern aller Parteien in der Hans Dahmen-Halle in Rheinbreitbach.
Zunächst begrüßte der Vorsitzende der Bürgerstiftung Unkel Willy-Brandt-Forum, Georg Walenciak, die zahlreich herbeigeströmten Zuhörer und Zuhörerinnen. Es folgte ein Grußwort des Rheinbreitbacher Bürgermeisters, Roland Thelen, sowie eine Einführung durch Wolfgang Reeder vom Vorstand der Bürgerstiftung Unkel.
Die Überschrift von Münteferings Vortrags lautete „Wahrheit in Wahlkampf und Regierungspolitik – Erfahrungen und Ermahnungen“. Zunächst hat er sehr anschaulich gemacht, wie er selbst zur Politik kam. Er habe bereits als junger Mensch gelernt, dass der einzelne sich einmischen und beteiligen müsse. Entgegen dem Rat seines Vaters („geh‘ in keine Partei“) habe er sich schließlich parteipolitisch engagiert.
Eingangs beschrieb Müntefering drei Ebenen: neben der staatlichen Ebene aus Bund, Ländern und Gemeinden komme der gesellschaftlichen Ebene der Vereine, Verbände und gesellschaftlichen Zusammenschlüssen große Bedeutung zu. „Die dritte Ebene betrifft uns als Individuen.“
Zustimmung war im Raum zu spüren, als Müntefering die Verantwortung der Gesellschaft für die älteren und alten Menschen hervorhob. In seinem Wohnort Berlin sterben beispielsweise viele alte Menschen allein in ihrer Wohnung. Es gebe eine gesellschaftliche Verantwortung dafür zu sorgen, dass die Menschen Kontakte haben, Freundschaften pflegen. Müntefering unterstrich, wie wichtig Laufen, Lachen und Lernen auch für ältere Menschen seien.
Dann leitete der frühere Vizekanzler über zu den Aufgaben des Staates, zuvorderst die Aufgabe, Frieden zu schaffen und zu erhalten. Er selbst lernte seinen Vater erst als fast Siebenjähriger kennen, als dieser aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrte.
Müntefering beschrieb, wie sich die Art, Koalitionsvereinbarungen zu schließen, im Laufe der Jahre sehr gewandelt habe. Bei Willy Brandt und Walter Scheel habe ein Versprechen in die Hand genügt, „dass wir das zusammen hinkriegen“. Brandt habe gesagt: „Das muss ja wohl reichen.“ Während ausformulierte Koalitionsvereinbarungen zu Beginn noch unter 50 Seiten umfassten, regelten die jüngeren Vereinbarungen auf 150 Seiten Einzelheiten des „Wie“. Da die Zukunft nicht statisch sei, dürfe man in solchen Vereinbarungen nicht alle Details regeln wollen. Zudem mache der Bundestag die Gesetze und sei nicht „Abwicklungsmaschine“ für Koalitionsverträge. Die Abgeordneten müssten die Freiheit haben, es anders zu machen. Ganz besonderen Wert legte Müntefering darauf, dass die Politik Kompromisse schließen müsse.
Im Weiteren hob Franz Müntefering die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit hervor. Europa sei der größte geographische Bereich, in dem man versuche, demokratische Politik zu gestalten. Im Geflecht zwischen den Weltmächten sei das nicht leicht.
Auch im Austausch mit den engagierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde seine Grundüberzeugung immer wieder deutlich: die Verantwortung des Einzelnen sich gesellschaftlich zu engagieren, auch noch nach Ende einer Berufstätigkeit. Durch eine Vertreterin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) erfuhr das Publikum von Münteferings früherem Engagement als Vorsitzender der BAGSO und erhielt Hinweise auf deren Aktionstag „JA zum Alter“ am 1. Oktober 2025.
Was das Engagement für die Gesellschaft betrifft, sehen sich die Mitglieder des Vorstands der Bürgerstiftung Unkel und der Kuratoriumsvorsitzende, Stadtbürgermeister von Unkel Alfons Mußhoff, auf dem richtigen Weg: Sie alle haben die gesetzliche Altersgrenze bereits überschritten.
Zur guten Stimmung im Saal trugen der vom Stuxhof gestiftete Blumenschmuck ebenso bei wie der von Rabenhorst beigesteuerte Saft.