Gedenken an die Sprengung der Kronprinz-Wilhelm-Brücke von 74 Jahren
„Nur die Erinnerung verhindert eine Wiederholung“

Urmitz/Engers. Zum Gedenken der Toten durch die Sprengung der Kronprinz-Wilhelm-Brücke hatte die Initiativgruppe um Werner Johann Keßler am Samstag eingeladen. Auf den Tag genau am 9. März 1945 war die Verbindung zwischen Urmitz und Engers in die Luft gegangen. Trotz der darauf befindlichen Menschen und Pferdegespanne. Zu diesem Zeitpunkt war die Brücke die einzige verbliebene Rheinquerung und die letzte Hoffnung für Tausende deutsche Soldaten auf dem Rückzug der Gefangenschaft zu entgehen. Die US-Truppen waren bereits in Mülheim-Kärlich einmarschiert. „Wir stehen hier, weil wir gedenken und nichts verdrängen wollen. Weil wir erinnern und mahnen wollen. Als Mahnung und Verpflichtung zum Frieden“, sagte Werner Johann Keßler. Der engagierte Engerser beendete die Gedenkfeier mit den Worten von Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker. „Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließ, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren“.
„Als Mahnung und Verpflichtung zum Frieden“
Jürgen Donecker kann gar nicht anders, als sich zu erinnern. Er kommt an jedem 9. März nach Engers. Als Hitlerjunge hatte er die Unmenschlichkeit der Nazis mit ansehen müssen. Der 15-jährige befand sich auf dem Weg nach Hause in Niederbieber. Der heute 89-jährige erinnert sich noch ganz genau. Die Neuwieder Straße war gegen 7 Uhr morgens gesperrt worden. In unmittelbar Nähe bei Hausnummer 31 lag mit ihm im Schützengraben der SS-Obersturmbannführer, der um 7.30 Uhr den Befehl zur Sprengung gab. „Wehrmacht und SS standen zu diesem Zeitpunkt nicht unter einem Kommando“, ist sich Jürgen Donecker sicher. Immerhin hatte ein Hauptmann der Wehrmacht gegen 7.15 Uhr die Brückensprengung aufgehoben. Zu den letzten Soldaten, die die Brücke zu diesem Zeitpunkt passierten, gehörten Rudolf Kröll und Hermann Reiff aus Güls. Wie viele nach ihnen den Tod fanden, wissen die Männer nicht. Auch Jürgen Donecker will nicht spekulieren. Jedenfalls seien es viele, sehr viele gewesen. Er ist Werner Johann Keßler dankbar dafür, dass in Engers seit 2014 dem 9. März 1945 gedacht wird. „Mir hat man ja nicht geglaubt“, bedauert der Niederbieberer enttäuscht und sichtlich verärgert. Weil weder im Stadtarchiv noch im Engerser Amtsblatt Schriftliches über die bewusst in Kauf genommenen Opfer zu finden ist, tut sich die Stadt Neuwied bis heute schwer. Entsprechend enttäuscht zeigte sich Werner Johann Keßler über das erneute Fernbleiben des Stadtvorstands. „Ausgerechnet in dieser Zeit“, ärgert er sich und verweist auf das Erstarkten nationalistischer Strömungen und eine Umfrage, nach der 40 Prozent der Jugendlichen nichts mehr mit dem Begriff Holocaust anfangen können. Dass auf der Neuwieder Seite keine schriftlichen Aufzeichnungen existieren, wundert Werner Johann Keßler nicht. „Viele wollten das Geschehen einfach verdrängen“. Vielleicht mag es auch nicht opportun gewesen sein, die Deutschen am Mord an den eigenen Leuten zu überführen. Ganz anders auf der gegenüberliegenden Rheinseite. Zu den wenigen Gästen der Gedenkveranstaltung zählte Walter Häring. Der Urmitzer hat die Schilderungen zahlreicher Augenzeugen dokumentiert und so dazu beigetragen, dass in Urmitz bereits seit 2012 mit einer Stele an das schreckliche Ereignis erinnert wird. Die Augenzeugen haben zahlreiche tote Soldaten und Pferde im Rhein schwimmen sehen. Einige wenige Überlebende klammerten sich an Holzbohlen, mit denen die Eisenbahnbrücke für Fahrzeuge passierbar gemacht wurde. Die Urmitzerin Katharina Reif war es seinerzeit sogar gelungen, einen lebenden Soldaten aus den eiskalten Fluten vor dem sicheren Tod zu retten.
Berichte von Zeitzeugen
Wer sich für das Thema interessiert, findet auf der Homepage der Ortsgemeinde Urmitz die detaillierten Aufzeichnungen von Walter Häring. Darunter die Aussagen zahlreicher Augenzeugen. Die gab es zwar auch in Neuwied, neben Jürgen Donecker unter anderem Maria Mittler aus Gladbach. Allerdings fanden sie kein Gehör. Immerhin trauerte Engers Ortsvorsteher Dieter Neckenig am Samstagmorgen um die Opfer der Brückensprengung. Das Gebet sprachen der Ev. Pfarrer Hartmut Ohlendorf und die Gemeindereferentin Petra Schunkert für die Katholische Kirche. Zum Abschluss der Veranstaltung gab Werner Johann Keßler das Versprechen ab, sich im nächsten Jahr wieder unter der Brücke zu versammeln. Auch wenn die Augen- und Zeitzeugen immer weniger werden. „Wir sind der Zukunft verpflichtet“, unterstrich Werner-Johann Keßler. FF

Die Anzahl der Zeit- und Augenzeugen wird von Jahr zu Jahr weniger.

Am 9. März 1945 wurde die Kronprinz-Wilhelm-Brücke unter Inkaufnahme eigener Opfer von den Deutschen gesprengt.

Pfarrer Hartmut Ohlendorf, Gemeindereferentin Petra Schunkert, Werner-Johann Keßler und Peter Hünermann gedenken den Opfern vor 74 Jahren. Fotos: FF