Ritt auf der Rasierklinge - Überschuss durch Sondereffekte
Stadtrat Neuwied verabschiedet den Haushalt 2026
Neuwied. Im Mittelpunkt der jüngsten Stadtratssitzung stand der 830-seitige Haushaltsplan 2026. Geplant ist ein Überschuss von 4,5 Mio. Euro. Nicht zuletzt Dank mehrerer Schuldenentlastungsproramme konnten die Kassenkredite in den letzten fünf Jahren von 90 Mio. Euro auf 28 Mio. reduziert werden.
Die langfristigen Schulden bleiben hoch und steigende Zinsen belasten den Haushalt. 2,4 Mio. Euro dürften es 2026 sein. Beigeordneter Ralf Seemann lobte zwar die anhaltend positive Entwicklung, sprach aber von einem Haushalt im Krisenmodus und einem Ritt auf der Rasierklinge. Schnell könne aus dem Überschuss ein Verlust werden. Denn das Plus sei in weiten Teilen Sondererträgen zu verdanken. Neuwied sei daher einer der wenigen Kommunen und Städte, die einen positiven Haushalt 2026 vorlegen können. Strukturell gebe es ein großes Problem: Die Zuweisungen seien zu niedrig. Der Staat überträgt den Städten und Kommunen immer mehr Aufgaben, ohne auskömmlich für die Finanzierung zu sorgen. In Neuwied kommen weitere Probleme hinzu. Ralf Seemann berichtete, dass die Gewerbesteuereinnahme mit 400,00 Euro/Kopf halb so hoch wie in benachbarten Städten liege. Als große Herausforderung bezeichnete der Dezernent den enormen infrastrukturellen Sanierungsstau in der Stadt Neuwied. Sei es im Tiefbau aber ganz besonders im Bereich von Schulen, Kindertagesstätten und Sporthallen. Von den 35 Mio. Investitionen sind 10 Mio. für den Bau bzw. Erweiterung der Kitas Raiffeisenring, Kastanienhof, Feldkirchen und Awo „Am Schlosspark“ sowie für die Interims-Container-Kita in Oberbieber vorgesehen. 1 Million Euro wird für die Umgestaltung des Sportplatzes Germaniastraße eingestellt, 0,6 Mio. als erster Schritt für die Erneuerung des Feuerwehrhauses in Heimbach-Weis.
Für die Großmaßnahme Deichkrone sind im Haushalt 650.000 Euro eingeplant, für einen noch nötigen Anbau an die Marienschule 500.000 Euro. Für die Modernisierung der IT-Infrastruktur sind 1 Mio. Euro eingeplant. Die Fraktionen stimmten mit Ausnahme der AfD dem Haushalt 2026 zu. Das man aber dennoch nicht gänzlich im Einvernehmen liegt, wurde in verschiedenen Redebeiträgen deutlich.
Generalabrechnung mitder Verwaltung
Die Königsdebatte eines jeden Jahres nutzte unter anderen Patrick Simmer (Ich tu´s) zur Generalabrechnung mit der Verwaltung. „Da ist der Wurm drin“, sagte der Ratsherr und nannte Beispiele: Trotz Budget wurde der Radweg Andernacher Straße wieder nicht angegangen. Dafür mit neuer Ausrede. Es gebe auch noch immer keine zentrumsnahen Wohnmobil Stellplätze und auch der Marktplatz samt fehl geplanten Toilettenhäuschen hätten für Schlagzeilen gesorgt. Schuldig geblieben sei die Verwaltung einen Sachstandsbericht zum Verkehrsentwicklungsplan und wirksame Maßnahmen zur Temporeduzierung in der City. Dennoch resümierte Patrick Simmer, hätte man das Vertrauen nicht vollständig verloren und auch den Eindruck, gehört zu werden. Den Mehrertrag von 800.000 Euro aus den erhöhten Parkgebühren ab Januar fordert der Ratsherr für einen kostenlosen Busverkehr an den Samstagen zu nutzen. Bärbel Birkenbeil (FDP) lobte den Haushalt, der im 6. Jahr in Folge positiv sei. In ihrer Analyse der etwas anderen Art wies sie darauf hin, dass das Eigenkapital der Stadt bei 2.060 Euro/Kopf liege. Die Schulden bei 1.911 Euro/Kopf. Aufgrund des Entschuldungsprogramm immerhin ein historischer Tiefpunkt. Oliver Mogwitz (AfD) bezeichnete den Haushalt als „Spiegelbild der Ratlosigkeit“. Nach Ansicht seiner Fraktion seien bei den Ausgaben falsche Prioritäten gesetzt. Er nannte die Ausgaben für das Klima als Wohlfühlprojekt, während Geld für Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit fehle. Oliver Mogwitz verwies auf den mangelnden Finanzausgleich durch den Bund und nannte als Beispiel die Kosten für die Unterbringung von Migranten.
Steuererhöhung erhöht den Gestaltungsspielraum
Regine Wilke (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einem ehrlichen Haushalt. Maßgeblich sei die Grundsteuer B Erhöhung im Jahr 2021 gewesen, die Luft für die dringend benötigte Nettoneuverschuldung verschaffte. Trotz schwieriger Ausgangslage sei die Stadt nun wieder handlungsfähig. Die Fraktionsvorsitzende hob die Investitionen in die Schulen und Kitas hervor und bezeichnete die Ausgaben für den Klimaschutz als „Ausdruck unserer Verantwortung gegenüber kommenden Generationen“. Positiv hob sie den Verkehrsentwicklungsplan als Grundlage von Sicherheit, Lebensqualität und Klimaschutz hervor. Regine Wilke resümierte: „Der Haushalt 2026 zeigt, dass sich Neuwied selbst zu helfen weiß“. Lars Ebert (FWG) bedauerte, dass Land und Bund keine nachhaltige Finanzierung zum Haushalt liefern. Er begrüßte die Investitionen in die Attraktivität der Stadt und der Stadtteile sowie die Erschließung in neue Gewerbeflächen, um Arbeitsplätze zu schaffen und Steuereinnahmen zu erhöhen. Der Sanierungsstau sei nur über viele Jahre abzutragen. Tobias Härtling (BSW) zeigte sich skeptisch, dass die Haushaltslage in den nächsten Jahren positiv bleibt. Umso wichtiger sei daher die Verbesserung der Einnahmensituation. Hier liegt die Hoffnung des Ratsherrn auf mehr Gewerbe im Friedrichshof. SPD-Chef Sven Lefkowitz lobte die Ausgaben in die Infrastruktur und in Soziales als Beitrag zum guten Miteinander. Allerdings bedauerte er, dass die Verwaltung mangels Personals zu langsam sei. Als Beispiele nannte Sven Lefkowitz die Grundschule in Gladbach und die ehemalige Rommersdorf Hauptschule, bei denen es nicht voran gehe. Als zu gering betrachten die Sozialdemokraten die Ansätze für die Starkregenvorsorge. Jan Petry (CDU) bezeichnete die massive Grundsteuererhöhung von 2021 als richtig.
Gestaltungsspielraum statt Schulden
„Wir hinterlassen unseren Kindern keine Schulden, sondern schaffen Gestaltungsspielraum. Abgesehen davon, so der Ratsherr, hätten zahlreiche Gemeinden längst nachgezogen und sogar höhere Hebesätze als Neuwied. Von den Ausgaben in Höhe von 29 Mio. Euro hob Jan Petry als Schwerpunkte das Ehrenamt Feuerwehr und den Katastrophenschutz hervor. Weitere Schwerpunkte lägen in der Bildung als Schlüssel zum gesellschaftlichen Aufstieg sowie die Wirtschaft und Attraktivität der Stadt. Dr. Jutta Etscheidt (Fraktionslos) lobte den Schuldenabbau, allerdings erkauft durch die Grundsteuererhöhung. Der Verwaltung rät sie von der Installation von W-Lan in Schulen und Kitas ab. Über 100 Studien würden belegen, dass die hochfrequenten, elektromagnetischen Wellen und der Elektrosmog zu vielen Krankheiten bei Kindern führen. Als Alternative sei Li-Fi, eine Datenübertragung mit Licht, auf dem Vormarsch. Die Ausgaben für die „völlig überdimensionierten“ Industrieflächen in Gladbach, Heddesdorf und Irlich kritisierte die Ratsfrau. Die Hälfte hätte es auch getan. Stattdessen werden Böden versiegelt, Natur zerstört, die Luftqualität verschlechtert sowie Hitzeinseln gebildet.
FF
Ein Ära geht zu Ende: Letztmalig leitete OB Jan Einig eine Stadtratssitzung im Heimathaus. Die Stadthalle schließt zum 31.12.2025.
