„Vom Ötzi-Schuh zum High Heel“
Fußbekleidung in all ihren Facetten
Sinziger Denkmalfreunde machten sich im Bonner LVR-Museum mit der erstaunlichen Kulturgeschichte des Schuhs vertraut
Sinzig/Bonn. Schuhe zu tragen ist nicht selbstverständlich. Und der Besitz bestimmter Schuhe sendet Signale von Ansehen und Stellung aus, verrät durch Form, Farbe, Material und Dekore viel über den Träger, seine Gruppenzugehörigkeit und sein Selbstbild. Während die europäische Mode bis zur Französischen Revolution von der herrschenden Klasse bestimmt wurde, markierte das 20. Jahrhundert eine Kehrtwende, als nicht mehr die Oberschicht Trendsetter war, sondern Jugendbewegungen bestimmten, wie die Fußbekleidung auszusehen hat.
Man muss keinen Schuhtick haben, um sich für die gleichnamige Ausstellung im LVR-Landesmuseum Bonn zu begeistern. Das stellten 25 Mitglieder und Gäste des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums Sinzig bei ihrer jüngsten Exkursion fest. „Vom Ötzi-Schuh zum High Heel“, so der Untertitel, war der Bogen mit 400 Exponaten durch die Zeiten und Kulturen gespannt.
Überall hin in Schuhen
Zahlreiche Wandlungen durchlief das Fußkleid vom Gebrauchs- und Schutzgegenstand bis hin zum ausgeklügelten Sportschuh und modisch raffiniertem Accessoire. „Schuhe gibt es, weil der Mensch sich anmaßt, in allen Regionen der Welt unterwegs zu sein“, erklärte Uschi Beatz, bevor sie die Kulturgeschichte mit den unterschiedlichsten Tretern illustrierte. Robbenfell gegen die Kälte, Sandalen und Espadrilles bei Hitze, Holzbesohltes für Feuchtgebiete, Stiefel und – ganz aktuell – leichte Kunststoffüberzieher mit Extrakammern für jeden Zeh in der Bergwelt – so sehen einige der findigen Lösungen aus.
Seit jeher wussten sich die Menschen effektiv zu helfen. Vor rund 5.300 Jahren hatte es Ötzi unten warm auf Bärenledersohlen, deren Fell nach innen zeigte, während das Hirschfell des Oberleders außen den Regen nach unten leitete. Ende des 14. Jahrhunderts wurden spitze Schnabelschuhe populär, doch die durch Menschenmaß bekannte Renaissance führte zu anatomisch angepassten breiten „Kuhmäulern“ und „Bärentatzen“. Unter König Ludwig XIV. war der französische Hof politisch und modisch, inklusive feinem Schuhwerk, tonangebend. Auch der Absatz, eine Erfindung des Orients, wo er Reiterstiefeln im Steigbügel Halt gab, machte Furore.
Extreme Vertreter
Heutigen Designerkreationen, die vor keiner Idee zurückschrecken und sich heftig bei den Moden früherer Jahrhunderte bedienen, stehen die Notschuhe aus Kriegszeiten gegenüber. Und neben niedlichen Kinderknöpfstiefelchen, den schicken Pumps und Riemchensandaletten der Diven gerieten jene riesigen Clownsschuhe ins Visier, mit denen der berühmte Komiker und Tänzer George Ralph, genannt „Little Tich“ (1867-1928), erstmals in seinen Stücken auftrat und die er zu seinem Markenzeichen machte.
Andere Extreme wie High Heels und Overknee-Stiefel schüren erotische Fantasien. Das taten in China bis 1912 winzige Lotusschuhe, in denen verkrüppelte Frauenfüße steckten. Ab dem 10. Jahrhundert praktizierte man den Brauch, adeligen Mädchen ab dem Kleinkindalter die Füße zu binden. Dabei galt: Je kleiner der Fuß, desto größer die Heiratschancen der Frau. Erst mit der Gründung der Volksrepublik China wurde diese Praxis verboten.
Die Gäste erfuhren, dass Nützlichkeit ebenso wie Status, Macht und Schönheitsstreben Trends diktierten und Schuhe zum Spiegel der Gesellschaft machen. Gleichzeitig bewunderten sie den Einfallsreichtum, den die Schuhmacher und Designer zu allen Zeiten aufbrachten, um den Ansprüchen der Träger mit stetig neuen Ausführungen zu genügen. So sprach sich zuletzt der Vereinsvorsitzende Karl-Friedrich Amendt aus im Namen der Sinziger denkmalfreunde „für eine ungemein lehrreiche und unterhaltsame Führung“.
