Neues Exponat für das Heimatmuseum Villip
Blumenfrau Veronika Schüffelgen hat als Skulptur einen Ehrenplatz gefunden
Villip. Sie war bloß eine einfache Blumenfrau vom Lande und hat es doch in der Universitätsstadt Bonn zu erstaunlicher Prominenz und ehrfurchtsvollem Ansehen bis in die allerhöchsten Kreise geschafft. Kein Geringerer als Kaiser Wilhelm II. gratulierte der Blumenfrau höchstpersönlich zur Goldhochzeit, und schon seit vielen Jahren steht eine kleine Holzfigur des Bildhauers Fritz Faust aus dem Jahre 1932 im Bonner Stadtmuseum.
Nun hat Veronika Schüffelgen ihren Ehrenplatz auch im Villiper Heimatmuseum gefunden. Eine anonyme Spenderin aus dem Drachenfelser Ländchen hatte nämlich ein zweites Exemplar der kleinen Holzskulptur auf einem Flohmarkt entdeckt und es der Gemeindearchivarin Dr. Barbara Hausmanns übergeben mit der Maßgabe, „Mutter Schüffelgen“ künftig im Villiper Heimatmuseum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bürgermeisterin Renate Offergeld überreichte die freundlich aussehende Statue an den Vorsitzenden des Heimatvereins Villip, Hasso von Wülfing, und seinen Stellvertreter Georg-Egon Ritgen. In einem fundierten Beitrag für das Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2008 hatte sich Barbara Hausmanns bereits ausführlich mit der Blumenfrau Veronika Schüffelgen beschäftigt und dabei festgestellt: „Sie genoss schon zu Lebzeiten Kultstatus.“
Als Tochter des Webers Peter Münch und seiner Frau Ursula, geborene Hoffmann kam Veronika Schüffelgen am 27. Mai 1845 in Villip zur Welt. Sie wuchs mit ihren Geschwistern in wirtschaftlich kargen Zeiten auf, die selbstverständlich auch die Mitarbeit der Kinder in Haus und Hof forderten. Doch das hielt ihre Eltern nicht davon ab, ihren Nachwuchs in die örtliche Schule zu schicken, offensichtlich mit Erfolg, denn Klein-Veronika lernte nicht nur Lesen und Schreiben, sondern stellte später als geschickte Geschäftsfrau auch ihr Rechentalent unter Beweis.
Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Für damalige Verhältnisse relativ spät, heiratete Veronika erst mit 23 Jahren den Arbeiter Theodor Schüffelgen, einen Tagelöhner, der wohl aus Sicht ihrer Eltern nicht ganz „standesgemäß“ war. Ob die beiden aus Liebe heirateten, weiß heute keiner mehr, es liegt aber nahe. Jedenfalls brachte Veronika im Laufe der Jahre sechs Töchter und vier Söhne zur Welt. Die große Familie lebte in einem kleinen Fachwerkhaus in der heutigen Kreuzgasse in Villip (gegenüber der Apotheke).
So könnten die Versorgung der vielen Kinder und die unregelmäßigen Einkünfte ihres Mannes der Grund gewesen sein, sich eine eigene Einnahmequelle zu erschließen und als Blumenfrau nach Bonn zu gehen. Eine clevere „Geschäftsidee“, denn große Investitionen waren nicht nötig. Blumen ließen sich zumindest von Frühjahr bis Herbst aus dem eigenen Garten in Villip und der Umgebung beschaffen. Und Bonn als Studentenstadt war ein gutes Pflaster, um Abnehmer zu finden. Für Veronika Schüffelgen waren die Studenten der wichtigste Teil ihrer Kundschaft, da deren Bedarf an Blumen mit Blick auf die jungen Damen naturgemäß besonders groß war. Daher gehörte Veronika Schüffelgen ganz selbstverständlich zur Bonner Studentenszene.
Neben Studenten zählte auch der Adel zu ihren Kunden
Sie verkaufte ihre Blumen bei den Frühschoppen der Korporationen, bei den Examensfeiern „der Häre Doktere“, bei Stiftungsfesten und anderen Feierlichkeiten der Corps und Verbindungen. Dabei hatte sie eine unnachahmliche Art, in breitem Platt mit rollendem „R“ ein Verkaufsgespräch zu beginnen. ,,E Srrüßche, Här Doktor, den Preis bestimmt der Här Doktor selvst“ war ein beliebter Einstieg ins Geschäft, wobei sie sämtliche Studenten schon im ersten Semester mit diesem akademischen Titel bedachte. Besser gekleidete „Zivilisten“ wurden von vornherein in den Adelsstand erhoben und mit „Herr Baron“ angesprochen. Erschienen die jungen Herren in Damenbegleitung, setzte sie noch ein: „Nämmt doch e Strüßche für Üeher Fräulein Braut!“ hinzu, und für „nen Jroschen“ wechselte dann garantiert ein kleines Blumengebinde zu einer lächelnden jungen Frau.
Wenn auch die Studenten die Stammkunden von Veronika Schüffelgen waren, so zählten ebenfalls viele Bonner Bürger und nicht zuletzt der Adel zu ihrer Kundschaft, darunter auch der spätere deutsche Kaiser Wilhelm II. und sein Sohn, Kronprinz Wilhelm von Preußen. Ihr Eindruck auf den letzten deutschen Kaiser war wohl nachhaltig, schließlich ließ er der Blumenfrau hochoffiziell anlässlich ihrer Goldhochzeit am 20. Juli 1918 einen Brief samt Porträtfoto mit persönlicher Widmung durch den damaligen Bürgermeister Wilhelm Hackenbroch überreichen: „Seine Majestät der Kaiser und König haben erfahren, daß die Allerhöchst ihnen von Bonn her bekannte Frau Theodor Schüffelgen sen. dort am 20. Juli d. Js. ihre goldene Hochzeit feiert, und ihr aus diesem Anlaß das beiliegende Bildnis mit Allerhöchstem Namenszug und Widmung zu verleihen geruht. Im Allerhöchsten Auftrage ersuche ich Sie, für die Behändigung des Bildes an die Jubilarin am 20. d. Mts. Sorge zu tragen.“
Weit vom glamourösen Leben entfernt
Doch von einem glamourösen Leben war Veronika Schüffelgen trotz ihrer hochgestellten Kunden weit entfernt. Allein der ungefähr 15 Kilometer lange Weg nach Bonn, den sie zu jeder Jahreszeit durch das Waldgebiet des Kottenforstes zweimal am Tag unternahm, war mühsam und mit zunehmendem Alter sicher eine Strapaze. In den letzten Jahren ihrer Tätigkeit soll sie allerdings stets Mitfahrgelegenheiten in einem Automobil bekommen haben.
Alle Überlieferungen sprechen dafür, dass sie zeitlebens eine kluge und bescheidene Frau mit „Bodenhaftung“ geblieben ist.
Ob und wie sie die Diskrepanz zwischen ihrer sozialen Stellung und der ihrer Kunden empfunden hat, ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu sagen. Doch ihr unbefangener und humorvoller Umgang auch mit „allerhöchster“ Kundschaft spricht für ein gesundes Selbstvertrauen und gegen jeden Selbstzweifel. Eine Reihe von Bildern und Dokumenten aus ihrem Leben sind im Heimatmuseum Villip in der Villiper Grundschule zu sehen, das nur nach Vereinbarung öffnet. Interessenten melden sich bei Hasso von Wülfing, Tel. (02 28) 32 71 55, oder bei Georg-Egon Ritgen, Tel. (02 28) 32 83 06.
