Renate Offergeld ist die erste Sozialdemokratin auf dem Chefsessel im Drachenfelser Ländchen
In Wachtberg regiert jetzt eine Frau
Ließem. In der Gemeinde Wachtberg haben die Bürger den Wechsel gewählt. Bei der Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters gewann die Sozialdemokratin Renate Offergeld überraschend deutlich mit 56 zu 44 Prozent gegen den Christdemokraten Hartmut Beckschäfer. Damit tritt die 62-jährige bisherige Vizebürgermeisterin die Nachfolge von Theo Hüffel (CDU) an, der das Drachenfelser Ländchen zehn Jahre lang regierte und bei der Bürgermeisterwahl nicht mehr angetreten war.
Hüffel hatte die Auszählung allerdings in seinem Amtszimmer mitverfolgt und zählte mit einem großen Blumenstrauß zu den ersten Gratulanten seiner Nachfolgerin, die in der Nacht zum Montag, 23. Juni, um 0 Uhr offiziell in Amt und Würden ist, denn zu diesem Zeitpunkt endet die Amtszeit Hüffels. Er wünschte seiner Nachfolgerin eine glückliche Hand.
Sieg von Charakter und Herz
„Wenn ich gewinne, dann ist das ein Sieg von Charakter und Herz über die reine Fachkompetenz“, war Offergeld überzeugt, als im Laufe des Abends die Zeichen immer deutlicher auf ihren Sieg standen, „aber mit einem so deutlichen Ergebnis hätte ich niemals gerechnet.“ Sie dankte den Wählern für das Vertrauen und sicherte zu, ihre ganze Kraft zu Erfüllung der neuen Aufgabe einzusetzen. „Ich baue auf die Mitarbeiter unserer Verwaltung und möchte, dass sie mit Freude ihre Arbeit machen und Wachtberg gemeinsam mit der Bürgerschaft und Politik ein gutes Stück voranbringen“, ergänzte sie.
Klare Vorstellung hat sie auch schon von ihren ersten Schwerpunkten als neue Wachtberger Bürgermeisterin, denn ihr liege die Weiterentwicklung des Schulzentrums ebenso am Herzen wie ein würdevoller menschlicher Umgang mit den betagten Mitbürgen im Limbachstift. „Auch die Jugend verdient mehr Aufmerksamkeit“, wusste sie und will außerdem für den Bürgerbus, einen Friedwald sowie ein faires Baulandmanagement und Sportstättenkonzept in Wachtberg eintreten.
Historische Wegmarke in der Geschichte
„Mit Wahl von Renate Offergeld ist eine historische Wegmarke in der Geschichte der Gemeinde Wachtberg erreicht“, freute sich auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Bernd Becker. Die Wähler hätten zum ersten Mal eine Sozialdemokraten zur ersten Bürgerin gewählt, „das ist ein großer Vertrauensbeweis!“ Damit sei der Wechsel in der Wachtberger Politik jetzt auch komplett und die SPD werde mit anderen Kräften zusammen erstmals in Wachtberg eine andere Bürger Politik gestalten, als die CDU bisher getan habe. „Mit Renate Offergeld wird Wachtberg ab jetzt bürgernah, transparent und kompetent gestaltet, dazu werden wir im Rat unseren Beitrag leisten“, versprach er.
Der unterlegene CDU-Kandidat Beckschäfer rang hingegen nach Worten und suchte nach Erklärungen für die doch recht deutliche Niederlage. Die Phalanx der „Opposition“ aus SPD, Grünen, UWG und der Wählervereinigung „Unser Wachtberg“, die sich allesamt für Offergeld ausgesprochen hatten, sei einfach zu stark gewesen. Deren Strategie sei angesichts des neuen Wahlrechts genau richtig gewesen, mit vier Kandidaten eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang zu verhindern und dann alles auf die Karte Stichwahl zu setzen. Für ihn sei allerdings die Wechselstimmung nur eine gefühlte, doch das werde man noch genauer analysieren. Er selbst mache sich keine Vorwürfe und habe wohl auch in gewisser Weise das ausbaden müssen, was andere eingebrockt hätten.
Quittung für die bisherige Politik
„Die CDU in Wachtberg erhält erneut eine Quittung für bisherige Politik“, analysierte Ulrich Feyerabend, Vorsitzender der Wählervereinigung „Unser Wachtberg“ (WUW) das Wahlergebnis. Nachdem CDU und FDP am 25. Mai schon mit dem Verlust der Mehrheit eine deutliche Quittung für ihre Politik erhalten hätten, sei nun erneut eine deutliche Niederlage gefolgt.
Er sah allerdings auch eine einmalige Gelegenheit für die bisherige Opposition, gemeinsam eine Mehrheit jenseits der CDU auf die Beine zu stellen: „Im Fußball würde man sagen, das ist ein Elfmeter, den darf man nicht vergeben.“ Alle Versuche der CDU, die angebliche Kompentenz von Hartmut Beckschäfer und die angeblich fehlende Kompetenz von Renate Offergeld heraus zu stellen, seien fehlgeschlagen. „Wer in der Sache nichts zu bieten hat, versucht den Gegner mit anderen Mitteln zu diskreditieren. Aber die Wähler haben dies durchschaut“, erklärte er. Die WUW sei jedenfalls der Meinung, dass jetzt die Chance bestehe, viele Dinge in Wachtberg mit breiter Zustimmung der Bürger gemeinsam anzugehen. „Wir werden diejenigen, die für eine neue Politik in Wachtberg in diesem Sinne einstehen, unterstützen.“
Aus der neuen Situation etwas machen
Grünen-Chef Oliver Henkel zeigte sich nicht übermäßig überrascht über das Wahlergebnis: „Mir war von vornherein klar, dass derjenige, der in der Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten antritt, das Rennen machen wird, denn die Stimmung in der Bevölkerung steht schon lange auf einen Wechsel.“ Nach fast fünf Jahrzehnten CDU-Regierung wolle die Bevölkerung einfach mal etwas anderes an der Spitze der Gemeinde. Allerdings sieht er auch eine gewisse Verpflichtung für die Parteien und Gruppierungen, die Renate Offergeld unterstützt hätten, etwas aus der neuen Situation zu machen. „Die Menschen in Wachtberg wollen aber mehrheitlich kein ‚weiter so‘, sondern neuen Schwung, mehr Ideen und mehr Mut.“
UWG-Noch-Fraktionschef Bernahrd Luhmer zeigte sich sehr zufrieden mit dem Wahlergebnis, zumal auch seine Gruppierung die neue Bürgermeisterin unterstützt habe. „Die Bürger haben eine Person aus ihrer eigenen Mitte gewählt, die sie für vertrauenswürdig und für das Amt geeignet halten.“
Skeptisch zeigte er sich allerdings bei der Frage, ob man künftig eine Mehrheit gegen die CDU im Gemeinderat zustandebringe. Dafür sei praktisch die Zusammenarbeit von vier Gruppierungen nötig, und da hänge doch vieles von den handelnden Personen ab.
Fairer Verlierer: Hartmut Beckschäfer (links) gratulierte den neuen Bürgermeisterin der Gemeinde Wachtberg, Renate Offergeld, zu ihrem Erfolg bei der Wahlparty im Berkumer Rathaus.
