Berufsschüler der Ludwig-Fresenius-Schulen in Koblenz besuchten Medi-Center-Haus in Mülheim-Kärlich

Schüler startet einen Selbstversuch - Wie fühlen sich ältere Menschen?

29.03.2019 - 11:28

Mülheim-Kärlich. Eine alltägliche Situation im Supermarkt: Das Kassendisplay zeigt 3,42 Euro an. Eine ältere Dame sucht scheinbar in aller Seelenruhe den passenden Betrag aus ihrem Portemonnaie zusammen. Die Schlange an der Kasse wird länger und länger, das Grummeln immer lauter. Schließlich ertönen die ersten ungeduldigen Rufe nach der zweiten Kasse.

Mit Gemütlichkeit hat das Verhalten der älteren Dame ganz und gar nichts zu tun. Für viele ältere Menschen ist das Einkaufen tatsächlich so beschwerlich, wie es den Anschein macht. Diese Erfahrung konnten vor wenigen Tagen Schülerinnen und Schüler der Ludwig-Fresenius-Schulen in Koblenz bei ihrem Besuch im Medi-Center Mittelrhein in Mülheim-Kärlich, am eigenen Leibe erfahren.


Anzug simuliert Probleme des Alters


Der 28-jährige Ergotherapeut-Schüler, Manuel Stahl, stellt sich als Erster der Herausforderung, und schlüpft in einen Alters-Simulationsanzug.

„Die Simulation ist natürlich nur eine Annäherung an die Realität“, erklärt Frank Tritt vom Medi-Center, während sein Kollege Carsten Nothbaum, Manuel eine schwarze Weste überzieht.

Manuel Stahl gehört zu der Berufsschulklasse „Ergotherapie“ der Ludwig-Fresenius-Schulen in Koblenz, die im Medi-Center in Mülheim Kärlich zu Gast ist. „Hilfsmittel in der Pflege kennenzulernen, zählt in der Ausbildung zum Standard-Programm“, sagt Fachlehrerin Angela Lachmann. „Dass die Schülerinnen und Schüler die Hilfsmittel auch praktisch testen dürfen und somit die Situation, in der sich viele Patienten befinden nachempfinden können, sind wertvolle Erfahrungen, die man sonst nicht bekommt“, freut sich die Lehrerin über die Nähe der Schule zum Medi-Haus.

Manuels Arme und Beine werden jetzt noch mit Gewichten versehen. Ein Helm mit Visier sorgt dafür, dass sein Sehfeld eingeschränkt ist. Nun gilt es in dieser Montur einige Aufgaben, wie beispielsweise Treppensteigen, Bücken und Lesen, zu bewältigen. Als junger Mann kann Manuel nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn der Körper altert – doch verpackt im Alterssimulationsanzug wird ihm die Situation Betroffener schnell greifbar.

Das Bücken fällt ihm schwer, dennoch ist es für Manuel mit seinen jungen Knochen, trotz Anzug, noch machbar. Bis er einen Zettel in die Position gebracht hat, um die Buchstaben zu erkennen, vergeht eine Weile. Das passende Kleingeld aus einer Börse zu kramen, scheint für ihn die größte Herausforderung zu sein. Um ihn herum entsteht eine typische Supermarkt-Atmosphäre – die Mitschülerinnen und Mitschüler werden leicht ungeduldig. Schließlich eilt ihm eine Klassenkameradin zur Hilfe.


Besondere Selbsterfahrung


„Ich konnte mich für kurze Zeit hineinversetzen, wie ältere Menschen sich fühlen. Das war eine besondere Selbsterfahrung“, sagt Manuel Stahl. „Das hat mich in meiner Einstellung bestärkt, künftig noch umsichtiger zu werden“, sagt Stahl, der ohnehin schon eine grundsoziale Einstellung habe, die seiner Berufswahl geschuldet sei. Nachdem weitere Schülerinnen und Schüler mit Hilfe des Simulationsanzuges in die Welt älterer Menschen eintauchen, führt Frank Tritt die Berufsschulklasse durch die rund 200 Quadratmeter Barriere freie Wohnfläche und erklärt ihnen die technischen Hilfsmittel sowie die Alltagshilfen in ihrer Gesamtheit.

Interessiert und aktiv nutzen die Schülerinnen und Schüler den Rundgang und probieren die vielen Geräte, wie beispielsweise Treppenlift, transportierende Bettlaken und Patienlifter selbst aus. „Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man plötzlich hochgezogen wird“, sagt Laura Perner, als sie sich mittels eines Personenlifters in ein Bett transportieren lässt. „Aber angenehm – wie in einer Schaukel“, ergänzt die 20-Jährige. „Diese Patientenlifter sind für ein Gewicht bis 200 Kilogramm konzipiert“, erklärt Frank Tritt. Bei höherem Gewicht kämen XXL Modelle zum Einsatz.


Testfahrten mit flottem E-Scootern


Den größten Spaß haben die Schüler ganz offensichtlich bei den Testfahrten mit den flotten Scooter. „Diese Elektromobile sind sehr begehrt“, sagt Tritt. Vor allem Menschen mit Gehbehinderung, die noch nicht auf den Rollstuhl angewiesen seien, oder auch ältere Menschen, die ihren Autoführerschein freiwillig abgegeben hätten, blieben mit diesen Flitzern, die je nach Modell sechs bis 15 km/h schnell unterwegs seien, mobil und könnten so weiterhin am gesellschaftlichem Leben teilnehmen. „Immer mehr Menschen möchten auch im Alter in ihrem Zuhause leben“, weiß Claudia Coyard, Marketingleiterin im Medi-Center. „Auch Menschen mit Pflegebedarf.“ „Es wäre sinnvoll, sich schon frühzeitig damit zu befassen, wie man im Alter möglichst lange zu Hause und autonom leben kann, und welche Hilfsmittel es gibt, falls man körperlich nicht mehr so beweglich ist, wie in jungen Jahren“, sagt Coyard. Einen ganzheitlichen Lösungsansatz zur Bewältigung dieser Fragen biete, einmalig in Rheinland-Pfalz, das Medi-Center-Haus, das Interessierten zu den üblichen Geschäftszeiten jederzeit offen stehe.

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04.04.2019 11:38 Uhr
C.Coyard

Schade, dass positive Aktionen mit solchen Kommentaren über allgemeine Zustände in z.B. öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht gemacht werden und auch die Akteure dabei noch beleidigt werden.
Ich finde es bei allem Verständnis für die Situation äußerst unangemessen und respektlos, Schüler als "Zweibeiner" zu beschimpfen. Damit baut man keine Brücke zwischen den Generationen. Und das ist ja dass, was gleichzeitig in dem Kommentar moniert wird.



30.03.2019 14:08 Uhr
juergen mueller

Man kann nur hoffen, dass von diesem "Selbstversuch" etwas hängengeblieben ist.
Alleine, dass es überhaupt diesem Selbstversuch bedurfte um zu der Erkenntnis zu gelangen, in Zukunft "umsichtiger" (was verstehen der/die darunter?) zu handeln, zeigt traurigerweise die Einstellung unserer Jugend zu älteren/behinderten Menschen und den Umgang mit ihnen.
Paradebeispiel "BUS" - tagtäglich - da sitzen im vollbesetzten Bus Schüler breitbeinig auf ihren Sitzen, während ältere/behinderte Menschen krampfhaft versuchen, sich im schaukelnden Bus auf den Beinen zu halten.
Und für so einen Selbstversuch, der nur dazu anregen soll, Verständnis für etwas aufzubringen, was in unserer Gesellschaft schon lange keine Bedeutung mehr hat - Rücksichtnahme, soziales Verständnis, Aufmerksamkeit seinen Mitmenschen gegenüber.



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