Erster Corona-Online-Gipfel im Kreis Mayen-Koblenz
Was tun, wenn die Corona-Krise mich erwischt?
Vielfältige Unterstützung durch Fachkräfte-Allianz, Förderbanken und Kreditinstitute

Kreis MYK. Die Corona-Krise ist nicht nur eine gesundheitliche Krise, sondern auch eine wirtschaftliche. Selbständige, Klein- und Mittelständler und auch größere Unternehmen stehen vor einer enormen Herausforderung. Auch hier, im Kreis Mayen-Koblenz, kämpfen die heimischen Unternehmen um ihr Fortbestehen. Als unterstützende Partner in dieser schwierigen Zeit können sie sich an die Kreisverwaltung wenden, an die Wirtschaftsförderung Mittelrhein, die Bundesagentur für Arbeit und an die heimischen wie überregionalen Banken. Viele Unternehmen haben gerade einander ähnliche Fragen und Sorgen. Antworten auf diese Fragen gaben Experten beim ersten Corona-Online-Gipfel im Landkreis. Im Live-Talk standen sie Rede und Antwort zu den brennenden Fragen der Unternehmen, die die Betriebe bereits im Vorfeld über ein Online-Formular einreichen konnten. Die Veranstaltung wurde live übertragen auf Facebook und YouTube. So konnten alle Firmen interaktiv am Gipfel teilnehmen, ohne das Haus oder den Betrieb verlassen zu müssen.
„Veranstaltungen, Workshops, persönliche Treffen sind derzeit nicht möglich. Daher haben wir uns entschlossen, einen ersten Corona-Online-Gipfel durchzuführen und damit einen Schritt in die digitale Welt zu gehen“, erläuterte WFG-Geschäftsführer Henning Schröder vorab. Experten der Bundesagentur für Arbeit, des Jobcenters, der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer, der Kreissparkasse Mayen, der Sparkasse Koblenz, der Volksbank RheinAhrEifel eG und der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz waren zu Gast im Studio bzw. live zugeschaltet. Das Motto des Abends: „Antworten, Perspektiven, Mutmachung“.
Das digitale Event moderierte Marc Ulrich, Geschäftsführer der Marketing-Flotte aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Für die offizielle Begrüßung wurde aus dem Kreishaus Landrat Dr. Alexander Saftig zugeschaltet. „Schon vor Corona zeichneten die starke Wirtschaftskraft und vor allem die starken mittelständischen Betriebe Mayen-Koblenz aus. Der Landkreis und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft setzen alles daran, dass wir auch schnell zu dieser Stärke zurück finden“, versicherte Dr. Alexander Saftig. „Wir müssen flexibel sein und auch bereit, neue Wege zu gehen – eben genau, wie heute Abend“, so der Landrat weiter. Man sei seitens des Kreises dankbar, dass in Krisenzeiten ein funktionierendes, vertrauensvolle Netzwerk mit den Partnern des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft bestehe. Dazu gehörten auch die Akteure der Sparkassen und Banken sowie die Handelskammern. „Wir sind an Ihrer Seite“, versprach Landrat Saftig den Unternehmern im Kreis Mayen-Koblenz.
Eine Krise, die uns alle betrifft
Die erste Talk-Runde des Abends stellten die Banken als wichtige Ansprechpartner für Unternehmen, die trotz der Krise ihre Liquidität aufrecht erhalten wollen. Matthias Nester vertrat die Sparkasse Koblenz, Karl-Josef Esch war für die Kreissparkasse Mayen im Studio, Sascha Monschauer sprach als Vorstandsvorsitzender der Volksbank RheinAhrEifel eG und Dr. Ulrich Link von der Investitions und Strukturbank war aus Mainz live zugeschaltet.
Als Finanzexperten haben alle vier Gäste in den Jahren 2008/2009 bereits Krisensituationen miterlebt: Die Finanzmarkt-, Euro- und Staatsschuldenkrise. Drei wesentliche Punkte unterscheiden die aktuelle Krise von diesen bereits durchlebten Herausforderungen, führte Karl-Josef Esch aus: Erstens sei der Auslöser bei der Corona-Krise kein politischer oder ökonomischer Impuls gewesen, zweitens habe die Corona-Krise eine ungekannte Schnelligkeit – Teile der Wirtschaft wurden von heute auf morgen auf Null zurückgefahren -, und drittens sei jeder einzelne Bürger von der Corona-Krise betroffen. Vor diesem Hintergrund mussten auch die Pandemie-Pläne, die jede Bank in der Schublade haben sollte, vom theoretischen Konzept in kürzester Zeit in ein den praktischen, realen Anforderungen entsprechendes Gerüst angepasst werden. Während Filialen geschlossen wurden, nahm die Nachfrage nach telefonischen Beratungen beispielsweise drastisch zu, sodass die Kapazitäten umverteilt werden mussten. Ein Hauptaugenmerk lege man auch auf die Beratung der Firmenkunden, berichtet Esch. Für viele von ihnen sind aktuell auch die Förderprogramme von Land und Bund sehr wichtig.
Bund und Land geben Geld
Dr. Ulrich Link, Vorstand der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB), klärte auf über die zwei großen Förderprogramme, die die landeseigene Förderbank anlässlich der Corona-Krise anbietet. Beim Kreditprogramm des Landes Rheinland-Pfalz gingen bisher rund 300 Anträge ein, berichtet Link, 180 waren zum Zeitpunkt des Online-Gipfels bereits bewilligt worden. Um ein Vielfaches höher ist die Anzahl der Antragsteller, die auf Zuschüsse aus dem Bundesprogramm Corona-Soforthilfe hoffen. 82.500 Anträge sind bereits eingegangen, wovon 45.000 bereits positiv beantwortet wurden. Bereits ein bis zwei Tage nach Bewilligung sollte das Geld auf den Konten der Antragsteller sein. 24.000 weitere Anträge waren Mehrfachanträge, deren Bearbeitung die Beantwortung der 5.300 zum Gesprächszeitpunkt offenen Anträge verzögerte. Vorläufig oder endgültig abgelehnt wurden bis dahin 5.300 Anträge. Bis 31. Mai können noch Anträge auf Förderung aus dem Bundesprogramm gestellt werden, sodass die bereits hohe Nachfrage wohl noch weiter steigen wird. Anträge auf Förderung durch das Land können sogar noch bis Ende Juni gestellt werden.
Während der Bund Zuschüsse für kleine Unternehmen (bis 5 Mitarbeiter) von 9.000 Euro gewährt und für etwas größere Unternehmen bis 10 Mitarbeiter bei Bedürftigkeit 15.000 Euro bereitstellt, ergänzt das Land Rheinland-Pfalz diese Förderungen mit einem Angebot für Unternehmen mit bis zu 30 Beschäftigten. Bei diesem Angebot handelt es sich um ein Darlehensprogramm, das über die Hausbanken eingereicht wird. In den meisten Fällen werden diese Darlehen also über die Sparkassen und Volksbanken beantragt. Das Besondere: Das Risiko lastet dabei nicht allein auf den Hausbanken, sondern wird vom Land mit übernommen. Unternehmen mit 10 bis 30 Mitarbeitern (die von der Förderung durch den Bund ausgenommen sind) können 30.000 Euro bekommen, wobei sie zusätzlich von der ISB einen Zuschuss in Höhe von 30 Prozent (also bis zu 9.000 Euro) erhalten.
Über diese Förderungen hinaus können Unternehmen eine Finanzspritze bekommen von der KfW, das Pendant zur rheinland-pfälzischen Investitionsbank auf Bundesebene. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bietet zu besonderen Konditionen Unternehmensdarlehen nach ihrem Corona-Hilfsplan an und auch hier ist die Nachfrage sehr groß, weiß Dr. Link zu berichten. Dabei können Förderungen von Bund, Land und KfW kombiniert werden. Wichtig sei in jedem Fall, betont Dr. Ulrich Link, dass die Anträge vollständig ausgefüllt werden – und zwar am Computer. Das erleichtert die Bearbeitung und sorgt dafür, dass alle die ihnen zu gewährende Förderung zügig erhalten können.
Schutz gegen Betrüger
In Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern konnten Betrüger hohe Summen aus dem Fördertopf des Landes erzielen. Moderator Marc Ulrich fragte beim Vorstand der ISB nach, ob diese Gefahr auch in Rheinland-Pfalz bestünde. Dr. Link erklärte, die haushaltsrechtlichen Vorgaben in Rheinland-Pfalz machten es erforderlich, dass jeder Förderantrag eine Unterschrift trägt. Die Anträge werden also am Computer ausgefüllt, ausgedruckt, unterschrieben, eingescannt und digital übermittelt. Die Förderbank liest dann den eingescannten Antrag digital aus, sodass er teilweise automatisiert bearbeitet werden kann. Jeder Antrag wird aber vor Zusage nochmal von einem Mitarbeiter freigegeben. Diese zwei Aspekte, dass die Antragstellung nicht rein digital erfolgt, und dass jeder Antrag dem geschulten Auge eines Mitarbeiters vorgelegt wird, seien wichtige Maßnahmen zur Betrugsprävention.
Einzelhandel, Gastronomie und Tourismusbranche retten
Mit Sorge blickt Sascha Monschauer, Vorstandsvorsitzender der Volksbank RheinAhrEifel eG, derzeit auf die Gastronomie und den Einzelhandel. Insbesondere bei Unternehmen, die in den vergangenen Jahren bereits in schwierige finanzielle Situationen geraten seien, sei zu befürchten, dass nicht alle die Krise überstehen werden. Aus wirtschaftlicher Sicht seien da die vergangene Woche eingetretenen Lockerungen der Kontaktbeschränkungen förderlich für den Einzelhandel. Nicht davon profitieren können allerdings Unternehmen aus der Gastro- und Hotelbranche. Derzeit sei unklar, so Monschauer, wann wir wieder Urlaube buchen und uns in vollen Lokalen treffen werden. Insofern sei die Senkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie von 19 Prozent auf 7 Prozent ein wichtiger Schritt gewesen. Er sieht es als Pflicht der Regionalbanken, in dieser Zeit alle Branchen, die Angebote mit Freizeitcharakter anbieten, zu unterstützen. Sowohl als Kreditgeber als auch als beratende Ansprechpartner seien die Sparkassen und Volksbanken gefragt.
Die Politik habe insgesamt schnell reagiert und es werden noch weitere Entlastungen für die besonders betroffenen Branchen folgen müssen, ist Monschauer sicher.
Guter Mix im Kreis MYK
Die heterogene Wirtschaft im Kreis Mayen-Koblenz ist eine Stärke, die die Region stabiler macht, sagt Matthias Nester. Er ist Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Koblenz und empfindet es als Vorteil, dass der Standort nicht beherrscht wird von reiner Zulieferindustrie oder großen Monolithen. Die gegebene Mischung verleihe dem Landkreis ebenso wie der Stadt Koblenz eine gewisse Stabilität. Einzelne Branchen, wie Gastronomie, Hotellerie, Solo-Selbständige und Kunstschaffende seien allerdings von der aktuellen Krise stark betroffen.
Um die heimische Wirtschaft zu stärken, bieten die lokalen Kreditinstitute eigene Programme an, die über die Förderungen durch Bund, Land und KfW hinaus gehen. Ein wichtiges Instrument war hier als erstes die unkomplizierte Tilgungsaussetzung, berichtet Matthias Nester. Für gut 1.100 Darlehen bei der Sparkasse Koblenz seien derzeit keine Raten zu zahlen – für drei, vier, sechs oder gar zwölf Monate. Darüber hinaus würden Kontokorrentlinien erhöht, Konten können also stärker überzogen werden. So können die Unternehmer weiter liquide bleiben. Auch für diejenigen, die nicht von den öffentlichen Förderprogrammen Gebrauch machen können, habe die Bank ein Liquiditätshilfeprogramm geschaffen. Für Privatkunden mit verringertem Einkommen sei ein probates Mittel, den Dispositionskredit zu erhöhen, damit Lastschriften nicht platzen und Strom etc. Weiter bezahlt werden kann.
Auch die Sparkasse Koblenz kommt ihren Privatkunden entgegen, wenn diese durch Kurzarbeit weniger Geld bekommen oder gar arbeitslos geworden sind. Formlos kann außerdem beantragt werden, dass die Tilgung von Krediten sechs Monate lang ausgesetzt wird. So konnten bereits über sechs Millionen Euro zusätzliche Liquidität zur Verfügung gestellt werden, berichtet Matthias Nester. Auch Überbrückungszahlungen oder Vorfinanzierungen seien Mittel, mit denen die Bank ihren Kunden besteht. Schrittweise sollen nun auch die Filialen wieder geöffnet werden, um vor Ort als persönlicher Ansprechpartner da zu sein.
Trotz allen hilfreichen bereits in Gang gesetzten Maßnahmen wünscht sich Matthias Nester, dass Kreditinstitute die Möglichkeit bekommen, Unternehmen auch eigenkapitalähnliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Außerdem gebe es Lücken bei der Unterstützung kleiner selbständiger Existenzgründer sowie sehr junger Unternehmen.
Jedes dritte Unternehmenin Kurzarbeit
Zwei Experten aus dem Arbeitsmarkt waren in der folgenden Talk-Runde zu Gast: Frank Schmidt ist Leiter der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen und Rolf Koch ist Geschäftsführer des Jobcenters im Landkreis Mayen-Koblenz.
Die Agentur für Arbeit betreut unter anderem Unternehmen, deren Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen müssen. Frank Schmidt kann darum den Start der Corona-Krise für die heimische Wirtschaft in Zahlen ausdrücken: Während im Februar sieben Unternehmen im Bereich der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen Kurzarbeit anzeigen, waren es im März innerhalb von zwei Wochen 4.200. Der Anstieg sei nun nicht mehr so stark, berichtet Schmidt, aber es seien mittlerweile rund 5.000 Unternehmen, die Kurzarbeitergeld beantragt haben. „Das ist ungefähr ein Drittel der Unternehmen im Bezirk der Agentur Koblenz-Mayen“, verdeutlicht deren Leiter.
Eine wichtige Neuerung hate der Koalitionsausschuss in Berlin am Vortag des Gesprächs beschlossen: Das Kurzarbeitergeld soll künftig ab dem vierten Monat von 60 Prozent auf 70 Prozent erhöht werden, bzw. für Haushalte mit Kindern von 67 auf 77 Prozent. Ab dem siebten Monat sollen es dann 80 bzw. 87 Prozent des Lohnausfalls sein, die die Agentur für Arbeit erstattet. Voraussetzung für die gestaffelte Erhöhung ist, dass mindestens 50 Prozent weniger gearbeitet wird als normalerweise. Über diese Erhöhungen hinaus werden weitere Änderungen in Sachen Kurzarbeit diskutiert. Zu bedenken gibt dabei Frank Schmidt, dass die Bundesagentur 26 Milliarden an Rücklagen habe, und diese bei weiteren Erhöhungen schneller ausgeschöpft seien.
Flexibilität ist gefragt
Um die enorm gestiegene Anzahl an Anträgen zu bearbeiten, wurden in der Agentur für Arbeit kurzerhand über 2.000 zusätzliche Mitarbeiter mit deren Bearbeitung betraut. So können die Unternehmen schnellstmöglich am Monatsende das vorgeschossene Kurzarbeitergeld zurückerstattet bekommen.
Gleichzeitig sind die Mitarbeiter der Agentur weiterhin für die Betreuung der Menschen verantwortlich, die Arbeitslosengeld beziehen. Für diese wurde nun entschieden, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen drei Monate länger Arbeitslosengeld I beziehen können.
Um die Mitarbeiter in kürzester Zeit fit zu machen für diese große Herausforderung in der Agentur für Arbeit, wurden zahlreiche Online-Schulungen abgehalten und Personen intern umgeschult. „Wir haben dann zum Beispiel einem Berufsberater, der vor drei Wochen noch in der Schule war – er hat junge Leute beraten, orientiert und Ausbilungsstellen vermittelt - innerhalb von zwei Tagen zu jemandem gemacht, der Kurzarbeitergeld beantragen, bewilligen und bearbeiten kann. Das hat richtig gut funktioniert“, lobt der Leiter der Agentur für Arbeit seine Leute.
Neben all diesen Herausforderungen haben die Mitarbeiter der Agentur begonnen, Arbeitslose in ehrenamtliche Tätigkeiten zu vermitteln.
Keine falsche Scheu,wenn das Geld knapp wird
Menschen, die persönlich aktuell in einer prekären Lage sind, wenden sich an das Team von Rolf Koch. Er ist Geschäftsführer des Jobcenters im Landkreis Mayen-Koblenz. Wenn der Lebensunterhalt in Familien nicht mehr sichergestellt ist, kann hier Unterstützung beantragt werden – ganz gleich, ob der Antragsteller Angestellter in Kurzarbeit ist oder Selbständiger, dem die Aufträge weggebrochen sind. Dabei betont Koch, dass auch das Jobcenter sich als Dienstleister verstehe und ein hohes Interesse daran habe, dass alle Unternehmen auch nach der Krise vernünftig weiterarbeiten könnten. „Wir brauchen den Arbeitsmarkt. Wir brauchen Stellen, wo wir auch hin vermitteln können“, erklärt Rolf Koch vom Jobcenter. Ein wichtiges Anliegen sei ihm außerdem, die Hürden bei der Antragstellung zu verringern. Es gebe Hotlines und Postfächer für Selbständige, Hilfe beim Ausfüllen des vereinfachten Antrags für Migranten in der Selbständigkeit, und vieles mehr. Er appelliert an alle Menschen in finanzieller Not, sich an die Jobcenter zu wenden, die dann prüfen, ob ein Anspruch auf Leistungen besteht oder nicht. Jeder Betroffene solle seine innere Hemmschwelle überwinden und die Möglichkeiten in Anspruch nehmen, die angeboten werden. Selbständige, deren Geschäft bisher florierte, sind da ebenso angesprochen wie Schausteller, deren Einkünfte aufgrund abgesagter Veranstaltungen ausfallen. Einige Solo-Selbständige warteten derzeit noch ab und hofften auf eine Besserung ihrer Lage, doch Koch empfiehlt, sich zumindest im Jobcenter beraten zu lassen. Denn auch hier habe es einige Erleichterungen gegeben, um die Grundsicherung zu ermöglichen. So darf ein Antragsteller nun ein Vermögen von 60.000 Euro haben, das bei der Berechnung nicht berücksichtigt wird. Bei Eheleuten liegt diese Vermögensfreigrenze bei 90.000 Euro. Grundsätzlich müsse zwar vorhandenes Vermögen genutzt werden, bevor ein Anspruch auf Leistungen besteht, aber Rücklagen für die Altersvorsorge müssten nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts aufgebraucht werden. Die Kosten der Miete können häufig übernommen werden, sodass die Unterkunft gesichert ist. Außerdem werden die Beiträge zur Krankenversicherung übernommen, sogar zum Teil bei Privatversicherten. Zentraler Appell Rolf Kochs war: Scheuen Sie sich nicht vor einem Beratungstermin beim Jobcenter.
Jeder kann einen Beitrag leisten
Um Selbständige und Gastronomen zu unterstützen, wies Moderator Marc Ulrich an dieser Stelle auf die verschiedenen regionalen Portale hin, die Informationen zu Lieferdiensten und lokalen Anbietern bündeln. Die Wirtschaftsförderung Mittelrhein hat unter dem Stichwort „lecker MYK“ eine Übersicht der gastronomischen Lieferdiensten zusammengestellt auf www.wfg-myk.de und BLICK aktuell bündelt auf www.lokalhelden-zuhause.de ein großes Portfolio an Hol- und Bringdiensten. Der Eintrag ist für die Anbieter kostenfrei, sodass auch hier Unternehmen in der Krise gestärkt werden. www.koblenz-bringts.de ist ein lokales Portal für Koblenz und auch www.handwerk-macht.de führt ortsansässige Dienstleister und Kunden zusammen. Ein Werkzeug, mit dem Kunden die lokale Wirtschaft mit durch diese Krise tragen können, sind Gutscheine. Der Kauf von Gutscheinen, die nach Lockerung der Kontaktbeschränkungen eingelöst werden, wurde beim Online-Gipfel als Möglichkeit angesprochen, die Zahl der Insolvenzen möglichst gering zu halten.
Unser Handwerk in der Krise
Die Situation des Handwerks in der Region war Thema in der dritten und letzten Talk-Runde des Tages. Sie setzte sich zusammen aus Daniela Becker-Kein von der Handwerkskammer Koblenz (HwK), Martin Neudecker von der Industrie- und Handwerkskammer Koblenz (IHK) sowie Henning Schröder von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft am Mittelrhein mbH (WFG).
Daniela Becker-Kein sitzt in der Handwerkskammer im Team Betriebsberatung und Unternehmensführung. Hier werden unter anderem Friseure beraten, wie sie die Hygienevorschriften einhalten können, wenn sie den Betrieb wieder aufnehmen. Auch eine regelmäßige Online-Sprechstunde wird angeboten. Mit großer Spannung werden die Beratungen der Bundeskanzler mit den Ländervertretungen erwartet, bei denen am 30. April eventuell ein Termin für die Öffnung der Geschäfte gefunden wird. Während einige Unternehmen wie beispielsweise Gebäudereiniger derzeit mehr Aufträge bekommen als vor der Corona-Pandemie, sind diejenigen Dienstleister, bei denen ein engerer Kontakt zwischen Kunde und Mitarbeiter notwendig ist, besonders stark betroffen. Hier hilft die HwK, Konzepte zur Vermeidung von Ansteckungen zu entwickeln. Verlängerte Öffnungszeiten, räumliche Trennung der Arbeitsplätze und Hygienemaßnahmen werden dabei kombiniert. Auf einigen Baustellen können die Arbeiten bereits wieder laufen, wenngleich stets ein besonderes Augenmerk auf die Hygiene gelegt werden sollte. Einige Handwerker haben sich durch geschickte Spezialisierung ihre Nische während der Krise gesichert: Maßschneider nähen Schutzmasken, Metallbauer errichten draußen Wintergärten, etc. Allerdings hakt es auch hier teilweise, weil internationale Lieferketten unterbrochen sind und der Nachschub an Arbeitsmaterialien nicht zuverlässig ankommt. Wer sein Geschäftsmodell nicht auf die Schnelle umstellen kann, entdeckt teilweise durch beherzte Schritte in Richtung Digitalisierung neue Arbeitsweisen. Auch hier hilft die Handwerkskammer, indem sie den Unternehmen Digitalisierungsberater zur Seite stellt.
Online geht auch lokal
Im Einzelhandel wurden die strengen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus bereits wieder gelockert. Martin Neudecker ist Geschäftsführer der IHK Koblenz und stets im engen Austausch mit dem Lebensmittel-Einzelhandel sowie denjenigen Händlern, die bis Anfang vergangener Woche ihre Geschäfte schließen mussten. Eine Vielzahl an Fragen erreichte ihn und seine Mitarbeiter in den letzten Wochen, wobei es sowohl um praktische Anliegen im stationären Einzelhandel ging, als auch um Möglichkeiten, online neue Absatzwege zu beschreiten. Wurde der Online-Markt von einigen lokalen Unternehmern noch vor einigen Wochen als konkurrierender Markt betrachtet, suchen jetzt viele Möglichkeiten, das Geschäft on- und offline zu verknüpfen. Das Projekt „Heimat Shoppen 2.0“ am 11. Und 12. September ist dabei zu nennen als eine Initiative, bei der ein offline erprobtes Konzept die Brücke in die digitale Welt überquert. „In jeder Krise steckt auch eine Chance“, so Neudecker, der die Wandlungsfähigkeit von Unternehmen als eine Kernkompetenz zu Krisenzeiten identifiziert. „Wir haben durchaus auch die Chance, aus einer solchen Krise als Gewinner hervorzugehen“, spricht er allen Unternehmern zu, den Mut zu fassen, sich schnell an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen.
Doch nicht alle Unternehmen können ihr Modell so flexibel anpassen. Im Zuständigkeitsbereich der IHK ist der Tourismus einer der Bereiche, die derzeit am stärksten von der Krise getroffen sind. Gastronomie und Hotellerie bräuchten zusätzliche Unterstützung, fordert Neudecker.
Intensives Marketingfür zügige Erholung
Unterstützung für heimische Unternehmen bietet auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft an. Ihr Geschäftsführer ist Henning Schröder, ebenfalls Gast im Studio des Online-Gipfels. Er hofft, dass weiterhin fallende Infektionszahlen beobachtet werden und diese bald Lockerungen nach sich ziehen, die den Unternehmen wieder höhere Umsätze ermöglichen. Neben der Gastronomie und Hotellerie erwähnte er insbesondere Kulturschaffende, das Veranstaltungsmanagement und Messewesen. Diese Bereiche seien als erstes von Absagen und Einschränkungen betroffen worden und würden wohl auch mit die letzten sein, die auf den Markt zurückkehren. Die WFG plane derzeit, besonders Betroffene durch Marketing-Maßnahmen zu unterstützen, wenn es wieder losgeht. Verschiedene Förderungen für die lokalen Werbegemeinschaften werden bereits intern besprochen, sodass das Konzept zum Zeitpunkt der nötigen Lockerungen bereits steht und zügig umgesetzt werden kann.
Ein weiterer Aspekt, wo die WFG sich als Ansprechpartner ins Gespräch bringt, ist das Zusammenbringen von Unternehmern, die neue Partner suchen, um ihre Wertschöpfungskette neu aufzustellen. Wenn ein Zulieferer oder Abnehmer ausfällt, bemüht die WFG gezielt ihr großes Netzwerk, um beim Aufbau einer neuen Kooperation zu helfen. Sehr wertvoll sei dabei auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Fachkräfte-Allianz, wo alle Akteure gemeinsam für eine starke lokale Wirtschaft eintreten.
Alle Fachleute des ersten Corona-Online-Gipfels im Kreis Mayen-Koblenz beantworten weiterhin gerne Fragen der Leser, die sie entweder direkt an die jeweiligen Ansprechpartner stellen können oder unter www.online-gipfel.de, wo das Kontaktformular weiterhin aktiviert ist.
-MX-
Moderator Marc Ulrich (v.l.) begrüßte zur dritten Talk-Runde des ersten Corona-Online-Gipfels im Kreis MYK im Studio Daniela Becker-Keip von der Handwerkskammer Koblenz und Henning Schröder von der Wirtschaftsförderung Mittelrhein. Zugeschaltet war zudem Martin Neudecker von der IHK Koblenz. Foto: Neue Werft