Allgemeine Berichte | 05.10.2013

In der Türkei fällt das Kopftuchverbot für Frauen im Staatsdienst - Wie denken Sie darüber, liebe Leserinnen und Leser?

Rolle Rückwärts?!

Das bisher allgemein geltende Kopftuchverbot soll nach Wünschen Erdogans im türkischen Staatsdienst aufgehoben werden.Dieter Schütz/pixelio.de

Ankara. Die einen rufen „Hurra!“ und sehen in der jüngsten Entscheidung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan eine Reform, die anderen bewerten genau dies als Rolle Rückwärts: Das bisher allgemein geltende Kopftuchverbot soll nach Wünschen Erdogans im türkischen Staatsdienst aufgehoben werden. Lediglich Frauen, die Uniformen oder Amtskleidung tragen müssen - also Justiz, Armee und Polizei - sollen davon ausgenommen sein und Richterinnen, Staatsanwältinnen, Polizistinnen sowie militärisches Personal dürfen nach wie vor keinerlei Kopftuch im Amt tragen.

Zum Hintergrund: Der Kopftuchstreit ist am Bosporus ein altes Thema. Nach offiziellen Statistiken sind nahezu 99 Prozent der türkischen Bevölkerung Muslime. Und für muslimische Frauen gilt das Gebot, ihren Kopf zu bedecken. Dies leiten sie aus dem Koran und einem ab Hadith ab, demzufolge Mohammed die Muslimas dazu angehalten habe, ihren Körper mit Ausnahmen des Gesichts und der Hände zu bedecken. In den Suren wird von einem nicht näher definierten Kleidungsstück gesprochen, das sich die Muslima über ihren Oberkörper legen soll, damit sie „als Gläubige erkannt und nicht belästigt“ werde.

Trennung von Staat und Kirche

Mit dem Militärputsch von 1980 aber wurde ein striktes Kopftuchverbot in der Türkei erlassen, nicht zuletzt auch, um Staat und Kirche konsequent voneinander zu trennen. 1998 zog eine junge Medizinstudentin vor Gericht, weil der Rektor der Universität Istanbul sie wegen ihres Kopftuches vom Lehrbetrieb ausgeschlossen hatte. Sieben Jahre später dann, 2005, endete der Fall von Lelya Sahin gar vor dem Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg. Das Urteil: Es sei rechtens, wenn man mit seinem Kopftuch in der Türkei der Universität verwiesen wird.

Nun verteidigte die regierende AKP (Adalet ve Kalkinma Partisi = Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) das Kopftuch aber immer wieder als persönliches religiöses Freiheitsrecht. Von ihren Kritikern musste sie sich indes den Vorwurf gefallen lassen, die Partei betreibe eine schleichende Islamisierung der Türkei. Fakt ist auf jeden Fall, dass das Kopftuchverbot nun aufweicht - und mit ihm ein fundamentales Symbol für die strikte Trennung von Staat und Religion in der modernen Türkei.

1,8 Millionen deutsche Moslems

Der islamisch-konservatie Ministerpräsident Erdogan begründete seine Entscheidung, damit, dass „die Beschränkungen die Meinungs- und Glaubensfreiheit sowie das Arbeitsrecht verletzt haben und sie diskriminierend“ seien. Mit einem so genannten „Demokratiepaket“ will er weitere Reformen durchsetzen auch, nach eigener Aussage, die kulturellen Rechte von Volksgruppen und kleineren Minderheiten sowie den Datenschutz verbessern.

Nun ist Ankara knapp 3.000 Kilometer entfernt und nicht jeder Türke ist Moslem. Dennoch blickt Deutschland Richtung Kleinasien und fragt sich, was Erdogans Entscheidung nun für unser Land bedeuten kann. Schließlich ist der Islam nach dem Christentum in Deutschland die Glaubensrichtung mit den meisten Anhängern. Derzeit bekennen sich etwa 5 Prozent der Bevölkerung zu Mohamed, also rund 4 Millionen Menschen - davon sind ca. 1,8 Millionen deutsche Staatsangehörige, 2,2 Millionen sind vor allem aufgrund unserer Bevölkerungsentwicklung vorwiegend türkisch geprägt.

Andersherum: 2008 hatten etwa 63 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime einen türkischen Migrationshintergrund, die anderen sind vor allem aus Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Iran, Marokko, Afghanistan, Libanon, Pakistan, Syrien und Tunesien eingewandert oder sind deutsche Konvertiten. Laut einer Umfrage des Essener Zentrums für Türkeistudien bezeichnen sich 80 Prozent der muslimischen Türkischstämmigen im Alter von 18 bis 29 Jahren als „eher“ oder „sehr religiös“. Von daher ist die Frage durchaus berechtigt, wie Muslime an Ahr und Sieg, zwischen Rhein und Mosel mit dem Kopftuch-Erlass umgehen, was sie darüber denken und fühlen.

Ländersache Kopftuch

In Deutschland selbst ist die Kopftuch-Frage Ländersache. Für Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen haben bislang Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und das Saarland ein Kopftuch-Verbot eingeführt. Schleswig-Holstein hatte zunächst die die Absicht, im Januar 2007 mitzuziehen, nahm davon jedoch 2008 wieder Abstand.

In Nordrhein-Westfalen schlossen sich betroffene Lehrerinnen, Lehramt-Studentinnen und Sozialarbeiterinnen zur „Initiative für Selbstbestimmung in Glaube und Gesellschaft“ (ISGG) zusammen, um gegen das Gesetz vorzugehen. Hier verbietet das nordrhein-westfälische Schulgesetz Lehrkräften in § 57 Absatz 4, „politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen abzugeben, welche die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den Schulfrieden gefährden können“. Dies gilt vor allem dann, wenn der Eindruck entstehen könnte, dass Lehrkräfte gegen Menschenwürde, Gleichberechtigung nach Artikel 3 Grundgesetz oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftreten.

Was meinen Sie dazu?

An einer Befragung der islamisch-konservativen Tageszeitung „Zaman“ nahmen insgesamt 7.422 Menschen aus zwölf türkischen Provinzen teil. 99,5 Prozent der befragten Kopftuchträgerinnen, 73,1 Prozent der Nicht-Kopftuchträgerinnen und 78 Prozent der befragten Männer sprachen sich für eine Aufhebung des Kopftuch-Verbotes aus. Das ist für die Türkei ein klares Statement.

Und wie schaut es in Deutschland aus, liebe Leserinnen und Leser? Wie denken Sie über Kopftücher bei Lehrerinnen, Polizistinnen oder Richterinnen? Halten Sie dies für absolut problemlos und tolerabel in einer funktionierenden Demokratie? Oder fühlen Sie sich dadurch auf religiöser Ebene belästigt oder gar genötigt? Und wie beurteilen Sie den Erlass für die Türkei? Halten Sie die Lockerung auch für ein Zeichen der Demokratisierung oder sind Sie eher skeptisch? Wie denken Sie darüber? Wir freuen uns auf Ihre Meinung zu dem Thema. Schreiben Sie einfach an: blick-aktuell@kruppverlag.de und teilen Sie uns auch kurz mit, ob wir Ihre Meinung veröffentlichen dürfen. emb

Der Kopftuchstreit ist am Bosporus ein altes Thema.Christoph S./pixelio.de

Der Kopftuchstreit ist am Bosporus ein altes Thema.Foto: Christoph S./pixelio.de

Das bisher allgemein geltende Kopftuchverbot soll nach Wünschen Erdogans im türkischen Staatsdienst aufgehoben werden.Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Leser-Kommentar
Bildergalerien
Neueste Artikel-Kommentare
  • Martin Schaefer : Meiner Meinung nach ist nur eine Brücke für alle (Autobrücke) sinnvoll. Sei es um bei Hochwasser den Rhein queren zu können ohne nach Neuwied oder Bonn fahren zu müssen. Auch sehe ich darin die größte...
  • Claus Schulte: Aufgrund der Kosten sollte keine Brücke zwischen Erpel und Remagen gebaut werden. Die Planungs-, Genehmigungs- und Baukosten für eine Brücke und die benötigten Anschlußbauwerke zwische Erpel und Remagen belaufen sich auf viele Mio.
  • Karsten Fehr: Aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes ist eine Autobrücke an dieser Stelle als unrealistisch anzusehen; es handelt sich hier um das FFH-Gebiet "Rheinhänge zwischen Unkel und Neuwied" (DE 5510-302)....
  • K. Schmidt: Als Rheinland-Pfälzer ist man zunächst mal erstaunt, dass die Funktion des Ortsvorstehers in NRW überhaupt nur Bestandteil eines Auswahlprozesses in den Parteien ist. Hier werden Ortsvorsteher, augenscheinlich...
  • Joachim Steig : Ein schönes PM-Statement der Mehrheitsfraktionen im Stadtrat. Für eine wirksame und bürgernahe Arbeit von Ortsvorsteher oder Ortsvorsteherin ist aber weniger das Auswahlverfahren als die Qualifikation des Kandidaten oder der Kandidatin entscheidend.

Ahrtalbahn: Feierliche Eröffnung am 12. Dezember

  • H. Schüller: Danke, dass Sie meine Kommentare lesen. Ihre Antwort belegt allerdings, dass Sie über die Petition und das darin zitierte Gerichtsurteil urteilen, obwohl Sie es nicht einmal gelesen haben. Wer ein fehlerhaftes...
  • Horst Krebs: Am meisten sind die Menschen von der Oberleitung betroffen, die im 30m Bereich der Oberleitung wohnen. Die magnetischen Wechselfelder machen krank, es gibt eine Menge Studien darüber, vor allem in der Schweiz.
  • Boomerang : Das ganze Gezeter hier erinnert schwer an die Helikoptermütter die durch die Wohnung rennen und alles abpolstern un Steckdosen zukleben. Wir haben als Kinder auch Verbote missachtet,aber wir haben beigebracht...
Imageanzeige
Anzeigenauftrag #PR106350-2025-0492#
Imagewerbung
Nachruf Stolzenberger, Friedhelm
Mitarbeiter für Verkauf/Büro (m/w/d)
Tag der offenen Tür
Ganze Seite Remagen
Stellenanzeige
Stellenanzeige Sachbearbeiter/in Wohngeld
Empfohlene Artikel

Adenau. In Adenau, wie andernorts, gedachten die Menschen am Volkstrauertag der Toten und Vermissten aller Völker, aller Opfer, die unter den furchtbaren Weltkriegen und der Unrechtsherrschaft, unter Terror und Gewalt, leiden mussten. Die Veranstaltung fand am Vormittag am Ehrenmal auf dem Adenau Friedhof statt, sie wurde musikalisch begleitet vom Blasorchester Stadt Adenau und dem Männergesangverein Adenau.

Weiterlesen

Adenau. Nach langer Zeit verwandelt sich die Adenauer Innenstadt in diesem Jahr wieder in eine stimmungsvolle Adventslandschaft. An allen vier Adventswochenenden erstreckt sich der Weihnachtsmarkt jeweils von 11 bis 21 Uhr vom Markt bis hinauf zum Kirchplatz und bietet einen festlichen Rahmen für einen ausgedehnten Bummel. Zu den Attraktionen zählt eine „Karaoke-Gondel“, die mit winterlichen Klängen für heitere Momente sorgt.

Weiterlesen

Kreis Ahrweiler. Um Führerscheine sicherer gegen Fälschungen und einheitlicher für das gesamte Gebiet der Europäischen Union zu machen, hat die Europäische Kommission beschlossen, alle Führerscheine sukzessive umzutauschen. Die Kreisverwaltung Ahrweiler weist in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Frist hin, die am 19. Januar 2026 endet. Bis dahin müssen alle Führerscheine umgetauscht werden, die in den Jahren 1999 bis einschließlich 2001 ausgestellt wurden.

Weiterlesen

Weitere Artikel

Max-von-Laue-Gymnasium Koblenz

Tag der offenen Tür

Koblenz. Am Samstag, 6. Dezember 2025 lädt das Max-von-Laue-Gymnasium Viertklässler und ihre Eltern zum Tag der offenen Tür ein.

Weiterlesen

Club für Bildung und Freizeit e.V. in Koblenz

Naturerlebnisse bis Jahresende

Koblenz. Der Club für Bildung und Freizeit e.V. in Koblenz bietet bis zum Jahresende noch einige bemerkenswerte Wanderungen an.

Weiterlesen

Dauerauftrag
Anzeige Holz Loth
Dauerauftrag Imageanzeige
Schulze Klima -Image
Generalappell
Generalappell
Anzeigenauftrag #PR106350-2025-0492#
Anzeige Stadtwerke Andernach lt. Absprache mit Frau Jahnen-Kurtic
Vorabrechnung, Nr. AF2025.000354.0, November 2025
Winter-Sale
Angebotsanzeige (November)
Anzeige KW 46
Stellenanzeige Bürokaufmann/-frau
Titelanzeige
Skoda
Titelanzeige
Anzeigenauftrag #PR106350-2025-0492#