Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus fand viel Anklang
13 neue Stolpersteine in Linz verlegt
Linz. „Wir wurden als Zweitklässler von unserem jungen Lehrer dazu angehalten, Nazilieder zu singen, wenn wir mit der Klasse an der jüdisch betriebenen Metzgerei vorbeigingen“, erinnert sich ein ehemaliger Leubsdorfer, der nun im Seniorenzentrum Antonius wohnt und zur Verlegung der Stolpersteine mit vor die Tür kam. Und das Thema Nationalsozialismus ist wieder allzu brisant. Man müsse sich mit allen Mitteln für die Demokratie einsetzen, mahnt Stadtbürgermeister Hans Georg Faust.
In Linz am Rhein wurden im Februar 2022 und 2023 insgesamt 29 Stolpersteine für jüdische Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Nun sind nochmals zwölf Stolpersteine dazugekommen sowie ein Stolperstein für ein sogenanntes Aktion T4-Opfer, damals als „Euthanasie“ bezeichnet. Damit wurde die Ermordung von zwar nicht jüdischen, aber beeinträchtigten Menschen bezeichnet.
Friedrich Levy wurde aufgrund seiner geistigen Behinderung von den Nazis 1940 ermordet. Ihm wurde vor dem damaligen Pflegeheim und heutigen Seniorenzentrum Antonius ein Stolperstein gesetzt.
Jeder Stein steht für einen Namen
Und wieder hat es sich der 76jährige und sehr agile Künstler und Erfinder der Stolpersteine, Gunter Demnig, nicht nehmen lassen, sie persönlich auf Knien anzubringen.
Stolpersteine werden zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, heißt es im Talmud. Demnig erinnert mit seinem Projekt „Stolpersteine“ an die Verfolgten der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing einlässt. Jeder Stein steht für einen Namen, einen Menschen, ein Schicksal. Wer sich herunterbeugt, um die Namen zu lesen, verbeugt sich gleichsam vor den Opfern.
Betroffene Stille
„Man hätte eine Nadel fallen hören, als ich das Holocaust-Thema heute Morgen im Unterricht angesprochen habe.“, erzählte Susanne Fauck, Religionslehrerin an der Robert-Koch-Schule in Linz. Und so war eine betroffene Stille auch bei der Verlegung der neuen Stolpersteine in Linz trotz verschiedener Schulklassen und weiteren Gästen wahrzunehmen.
Einst gab es eine lebendige jüdische Gemeinde mit über 100 Mitgliedern in Linz. Unter ihnen waren angesehene Ärzte und Großhändler wie die Kolonialwaren-Großhandlung Levy Wallach, die zu Beginn der 1930er Jahre 17 Verkaufsstellen in u. a. Horhausen, Oberlahr, Brohl, Leutesdorf und Hönningen zählte. Ab 1933 gab es infolge des Boykotts jüdischer Betriebe einen rapiden Umsatzrückgang. Mit weiteren NS-Verordnungen führte dies 1938 zum Untergang des Unternehmens. Ernst Wallach, Geschäftsführer der Firma, war zu diesem Zeitpunkt bereits im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert, 1941 wurde er, der noch im Ersten Weltkrieg als Soldat für Deutschland gekämpft hatte, ermordet, so die Recherchen der Stadt-Archivarin Andrea Rönz. „Kauft nicht bei den Juden!“, habe man damals die Menschen verunsichert und diskriminiert, sollten sie sich doch judenfreundlich zeigen, erklärte Faust den zwei anwesenden achten Klassen des Martinus-Gymnasiums und der Robert-Koch-Schule mit ihren Lehrern Tanja Malottke (Geschichte) und Susanne Fauck (Religion) sowie etlichen weiteren Zuhörern.
Ernst Wallach wurde ebenso wie seiner Stiefmutter Berta Wallach mit ihren Töchtern Hedwig und Lilli ein Stolperstein gesetzt. Heute ist das alte Haus im Besitz der Firma Scherer und die anwesende Geschäftsführerin Stephanie Scherer-Peschel war sehr betroffen im Gedenken an die ehemaligen Besitzer. „Wenn man sich vorstellt, unter welchen Umständen sie hier ihre letzten Jahre verbracht haben, wird einem Angst und Bange.“, so Scherer-Peschel. Das denkt auch Maximilian Warmth, 13, vom MGL, beim Betrachten der fünf Steine für die Familien Simon und Samuel vor deren Haus auf dem Schulweg vieler Gymnasiasten. „Wir haben in Geschichte einen Film über den Holocaust angeschaut. Es ist so krass, dass man hier direkt vor einem Haus steht, wo Leute rausgerissen wurden - Nachbarn, die man nie mehr wieder gesehen hat.“, macht Maximilian sich bewusst. „Die Schüler gehen anschließend mit anderen Augen durch die Stadt.“, weiß Lehrerin Malottke noch von der letzten Verlegung der Stolpersteine 2023.
In Gedenken aller Opfer und für den Frieden in der Welt setzte Stadtratsmitglied Ruth Zimmermann abschließend zum Lied „Hevenu Shalom alechem“ an.