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Abbas aus Bagdad lebt nun in Bonn
Abbas besucht nun einen heilpädagogischen Kindergarten in Bonn und spricht ein wenig deutsch
Bonn. Zainab heißt die junge Mutter, die gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Söhnen seit etwa einem Jahr in Bonn lebt - und sie hat Unvorstellbares durchgemacht. Sie kommt aus Bagdad, der von Krieg und Terror seit Jahren gebeutelten Hauptstadt des Irak. Aber nicht genug, dass sie tagtäglich unendlich viel Leid und Schmerz um sich herum mit ansehen musste, sie und ihr kleiner Sohn Abbas haben es auch am eigenen Leib erleben müssen.
Im Januar 2012 gebar sie in einem Krankenhaus in Bagdad ihren zweiten Sohn Abbas nach einer problemlosen Schwangerschaft. Die Ärzte hatten dennoch einen Kaiserschnitt verordnet und ihr das Kind gleich nach der Geburt weggenommen. Die Mutter erhielt keinerlei Informationen über den Verbleib von Abbas und hatte ihr Kind bis zu ihrer Entlassung einige Tage später noch nie gesehen. Sie litt Höllenqualen, musste sie doch davon ausgehen, dass ihr Kind bei oder kurz nach der Geburt verstorben ist.
Aber Abbas lebte und wurde ihr nach 12 Tagen übergeben, frisch operiert an einem offenen Rücken (Spina bifida). Im ersten Schwangerschaftsmonat verschließt sich die Vorstufe des Wirbelkanals, das Neuralrohr, um sich dann zur Wirbelsäule mit dem Rückenmark zu entwickeln. Bei Kindern mit Spina bifida ist der Verschluss aus bisher noch nicht näher bekannten Gründen gestört. An einer Stelle bleibt der von den Wirbeln gebildete Rückenmarkskanal offen. Es treten Teile der Rückenmarkshäute aus oder auch das Rückenmark selbst ist beteiligt. Bei Abbas waren auch weite Teile des Nervengewebes betroffen. Er ist querschnittsgelähmt ab dem unteren Rücken. Diese Diagnose war für Zainab immer noch leichter zu ertragen als der befürchtete Tod des Kindes. Nun versorgt sie neben dem fünfjährigen Bruder Baqer den gelähmten Abbas. Er musste getragen werden und war alles andere als gesund. Schon wenige Tage nach seiner Entlassung bekam er hohes Fieber, hatte Blut im Stuhl und erbrach fortwährend Blut. Im Krankenhaus kümmerte sich niemand um ihn, Ärzte und Pflegepersonal schienen überfordert oder schlicht nicht interessiert. Und dann ging die Mutter mit Abbas wieder nachhause, nachdem ihr ein Arzt sagt, dass der Junge einfach nur sterben wolle.
Ein eigener Rollstuhl und ein Pflegebett
In ihrer Verzweiflung wendete sie sich an ihren in Bonn lebenden Bruder, bekam ein medizinisches Visum und brachte Abbas im Juli 2013 in die Bonner Universitätsklinik. Vater und Sohn Baqer blieben in Bagdad, sie soll Zainab zweieinhalb Jahre nicht wiedersehen. Abbas Mutter hatte jedoch nicht das nötige Geld, die Behandlung in Bonn bezahlen zu können. Sie beantragte Asyl, damit Abbas geholfen werden konnte. So wurden die beiden dann erst einmal in ein Ausländerheim nach Chemnitz gebracht, das aber wenige Tage später abgefackelt wird. Sie wurden für einige Tage und zusammen mit hunderten anderer Asylsuchender in einer großen Küche eingepfercht, Abbas todkrank mit hohem Fieber und aufgeblähtem Bauch. Die beiden wurden für einige Zeit in ein anderes Heim in der Nähe gebracht und kommen dann nach Leipzig, wo dem Kleinen endlich geholfen wird. Vier Wochen wurde er im dortigen Krankenhaus stabilisiert und, so die Mutter, wie ein Deutsches Kind behandelt. Er bekam einen Blasenkatheter, einen von der Klinik geliehenen Rollstuhl, eine Pflegestufe wurde beantragt und ein Kitaplatz gefunden. Es gab regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Krankenhaus und dem Asylantrag der Irakerin wurde stattgegeben. Dann siedelten sie um zurück zum Bruder nach Bonn und suchten eine Wohnung, damit Abbas Vater und sein Bruder Baqer nachziehen können. Dieser hatte sich aus seinem Leben komplett zurückgezogen, er vermisste die Mutter und den Bruder, bekam Depressionen und ist bis heute in psychologischer Behandlung.
Hilfe vom Bunten Kreis
Wegen eines Harnwegsproblems musste Abbas erneut in die Unikinderklinik an der Adenauerallee in Bonn gebracht werden. Dort lernte Zainab die Kinderkrankenschwester Jutta Flier kennen. Sie ist gleichzeitig Nachsorgeschwester beim Bunten Kreis Rheinland und kümmert sich bis heute um die Familie. Am meisten Hilfe braucht Zainab bei den Übersetzungen, denn sie spricht lediglich arabisch und englisch. Das von der Krankenkasse zur Verfügung gestellte Budget für die häusliche Nachsorge von Abbas ist längst verbraucht. Die Besuche von Jutta Flier bei Abbas werden nun mit Spenden, die der Bunte Kreis bekommen hat, bezahlt. So koordiniert Schwester Jutta die Termine mit Ärzten, der Physiotherapie, Behörden und Pflegeeinrichtungen, übersetzt Formulare und Anträge, organisierte einen eigenen Rollstuhl für Abbas, ein Pflegebett und einen Aufsatz für die Badewanne. Abbas besucht nun einen heilpädagogischen Kindergarten in Bonn und spricht ein wenig deutsch. Unglaublich geschickt rast er mit seinem Rollstuhl durch die Wohnung, überwindet Türschwellen und Ecken und spricht dabei deutsche Wörter vor sich hin. Da möchte Mutter Zainab natürlich nicht zurückbleiben und plant, im nächsten Jahr einen Deutschkurs zu besuchen.
Bunter Kreis Rheinland
