Ein blutiges Kapitel der Heimatgeschichte
Der Kampf gegen die Separatisten in Adenau
Von Franz-Xaver Böder, Hönningen

Adenau. Im November ist es genau einhundert Jahre her: Am 13.11.1923 fand hier in Adenau ein Abwehrkampf gegen die Separatisten statt, der zu einer regelrechten Straßenschlacht führte. Ziel der Separatisten, unterstützt von der französischen Besatzungsmacht, war ein vom Deutschen Reich unabhängiger Rheinlandstaat. Dieser wurde zuvor am 21. Oktober 1923 in Aachen und zwei Tage später in Koblenz ausgerufen und die Städte und Landkreise besetzt. Nur in Adenau als einzige Kreisstadt in der Eifel wehte die Separatistenflagge noch nicht. Am Vortag den 12. November reiste frühmorgens eine „Kompanie“ von 115 Separatisten mit Hilfe der französischen Eisenbahnregie an. In geschlossener Kolonne, die grün-weiß-rote Fahne an der Spitze, marschierten sie zum Landratsamt, besetzten es, internierten die Verwaltungsbeamten und erzwangen die Herausgabe von Geld. Das mitten im Ort gelegene Hotel „Halber Mond“ wurde zum Hauptquartier ernannt.
Nach erfolglosen Verhandlungen von Vertretern der Bürger mit dem Kreisdelegierten in Ahrweiler, als Vertreter der französischen Besatzung, stand der Entschluss fest gewaltsam den Überfall abzuwehren. Generalstabsmäßig liefen die Vorbereitungen, so fand eine umfangreiche Bewaffnung der männlichen Bevölkerung auch aus den umliegenden Ortschaften mit Karabinern, Jagdgewehren, Pistolen und Knüppeln statt. In den frühen Morgenstunden, das Sturmgeläut der Kirchen gab dazu das Zeichen, wurden die Gebäude angegriffen. Die Separatisten eröffneten jedoch unerwartet das Feuer. Karl Nett, einer der Anstürmenden auf das Hotel wurde von einer Kugel getroffen und starb.
Zäher Kampf
Die Sonderbündler, wie man sie auch nannte, ergaben sich erst nach zwei Stunden und heftiger Gegenwehr, bei der sogar Handgranaten zum Einsatz kamen. Auch sie hatten einen Toten zu beklagen und mussten drei Schwerverletzte versorgen. Einige Separatisten versuchten, aus dem Landratsamt zu fliehen, was misslang. Viele Gefangene wurden von der wütenden Bevölkerung verprügelt, eine Lynchjustiz konnte jedoch verhindert werden. Die unverletzten Separatisten wurden in den englisch besetzten Sektor in Richtung Bad Münstereifel gebracht und der Landeskriminalpolizei Köln übergeben. Die Verantwortlichen des Abwehrkampfes begaben sich ebenfalls in dieses Gebiet, um einer möglichen Verhaftung zu entkommen. Die verletzten Separatisten wurden im örtlichen Krankenhaus versorgt und nach deren Transportfähigkeit in ein Hospital nach Koblenz gebracht. Dort starben einige Tage später drei weitere Separatisten an ihren schweren Verletzungen. Dem später am Nachmittag aus Koblenz eintreffenden Anführer, dem „Kommissar“, gelang unter abenteuerlichen Umständen mit dem Auto die Flucht, wobei erneut ein Opfer zu beklagen war.
Belagerungszustand wurde ausgerufen
Über Adenau wurde später der Belagerungszustand ausgerufen, den eine Abteilung Marokkaner überwachte. Es kam zu Verhören und Untersuchungen seitens der Besatzungsbehörde, jedoch ohne weiterreichende Ergebnisse. Karl Nett wurde unter großer Teilnahme der Bevölkerung beerdigt. Ein gespendeter Grabstein als Denkmal sollte das Andenken an ihn in der Bevölkerung bestehen lassen. Die „Los-von-Berlin“-Bewegungen scheiterten dann schließlich zwei Tage später im Rheinland in der finalen „Schlacht“ im Siebengebirge und auch in der Pfalz im Februar 1924 am Widerstand der Bevölkerung. Die Weimarer Republik meisterte 1923 alle ihre politischen Krisen. Neben dem Separatismus war es die Ruhrbesetzung mit der damit ausgelösten Wirtschaftskrise und ihrer Hyperinflation, den kommunistischen Aufstand in Sachsen, und nicht zu vergessen, den Hitler-Putsch in Bayern.
Als die NSDAP zehn Jahre später an die Macht kam, organisierte sie in Adenau am 17. September 1933 mit rund 10.000 Teilnehmern ein gewaltiges Spektakel unter dem Motto „Ein Tag väterlichen Gedenkens!“. Sie weihten ein eigenes Denkmal an der Hauptstraße am Hotel „Halber Mond“ ein, das heute am Kirchplatz steht. Hierdurch sollte eine immerwährende sichtbare Erinnerung in deren Sinne beschworen werden. Entgegen allen diesen Bekundungen ist die Erinnerung in der Bevölkerung jedoch inzwischen kaum mehr vorhanden. Manfred Korden stellte bereits vor 25 Jahren im Jahrbuch der Stadt Adenau von 1998 fest: „Des Öfteren stehen Touristen und Besucher von Adenau am Kirchplatz vor dem Denkmal… Was geschah denn 1923, wer waren die Separatisten? Einige ältere Adenauer können die Antwort noch geben, die meisten Jüngeren wissen es nicht.“ Eine Auseinandersetzung mit diesem blutigen Kapitel der Heimat-Geschichte sollte zum Nachdenken Anlass geben.
Eine tiefe Freundschaft entstand
Es gilt, sich dankbar bewusst zu machen, dass aus dem Deutsch-Französischen Verhältnis, das über Jahrhunderte eine Erbfeindschaft war, eine tiefe Freundschaft in einem geeinten Europa wurde (Stichwort 60 Jahre Élysée-Vertrag). Und es sollte unserem Blick schärfen gegenüber den Gegnern der Demokratie. Denn diese hängen immer noch am Mythos einer nationalen Revolution. Wir hatten bereits eine, die von „Blut und Boden“, und zu hoffen ist, dass es keinen weiteren mehr gibt.
Danke für den Artikel! Es ist doch schon interessant immer mal wieder etwas über die Heimat zu erfahren. Mir war das so nicht bewusst, komme aber auch nicht aus Adenau selbst.