Wiederaufbau im BLICK

„Die Banken stehen im Ahrtal an der Seite der Menschen“

„Die Banken stehen im Ahrtal an der Seite der Menschen“

Dieter Zimmermann (l.) und Markus Müller sehen die Flut als Herausforderung, aber auch als Chance.

„Die Banken stehen im Ahrtal an der Seite der Menschen“

Hermann Krupp hatte einige Fragen vorbereitet.

Nach der Flutnacht des 14./15. Juli hat sich das Gesicht des Ahrtals verändert. Die Zerstörungen sind massiv und viele Privatpersonen fragen sich: Woher kommt das Geld für den Wiederaufbau? Eine mögliche Antwort liefern die Banken im Kreis Ahrweiler. Doch auch bei den Kreditunternehmen ist der Flutschaden enorm. Sowohl die Hauptgeschäftsstelle der Kreissparkasse Ahrweiler in Ahrweiler als auch die Geschäftsstelle der Volksbank RheinAhrEifel in Bad Neuenahr sind schwer beschädigt. Teilweise sind die Filialen an der Mittelahr entweder gar nicht mehr da oder sehr stark zerstört, so zum Beispiel in Mayschoß. Über den Blick aus Bankensicht auf die Lage nach der Flut informierten nun Dieter Zimmermann, der Vorstandsvorsitzende der KSK Ahrweiler und Markus Müller, Vorstandsmitglied der Voba RheinAhrEifel in Sinzig. Hermann Krupp, BLICK aktuell - Chefredakteur und Geschäftsführer des Krupp Verlages, hatte die beiden Finanzexperten zum Redaktionsgespräch geladen. Auf der Liste standen Themen zur Wirtschaftskraft des Ahrtals, der umfassenden Solidarität mit den Betroffen sowie die Chancen zur Erneuerung der Region.

Hermann Krupp startete mit einem Rückblick: „In früheren Jahrhunderten gab es ebenfalls schwere Hochwasser an der Ahr“, stellt er fest. „Hat man aus diesen Ereignissen nichts gelernt?“ Dieter Zimmermann betont, dass wohl niemand mit einem Hochwasser derartigen Ausmaßes gerechnet habe. Für diese Art von Katastrophenfall gäbe es kein Handbuch. Pläne zum Hochwasserschutz gab es auch vor der Flut, so Zimmermann, aber „da ist scheinbar niemand rangegangen.“ Jetzt gelte es, Hochwasserschutz neu zu denken. Und der fange nicht an der Ahr an, sondern an den Zuläufen, also den Bächen an der Oberahr und in der Eifel. Auch für Markus Müller kam das Hochwasser überraschend. Müller war am 14. Juli, als die Regenfälle stärker wurden, in der Voba-Filiale in Mayen. Auch dort wurden Sandsäcke gepackt. „Wir hatten dort vorher nie mit Hochwasser zu tun“, blickt er zurück. Zwar war die Schadenslage nicht vergleichbar mit der Situation im Ahrtal. Doch auch die dortige Filiale wurde nicht gänzlich verschont. Müller beziffert die Schadenssumme auf etwa 20.000 Euro.

Katastrophe hat alle zusammengeschweißt

Überraschend war nicht nur das Ausmaß der Zerstörung, sondern auch die Solidarität der Menschen für das Ahrtal, wie Hermann Krupp feststellt. „Wie bewerten Sie die zahlreiche Hilfe?“, möchte der BLICK aktuell-Chef wissen. „Auch damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt Dieter Zimmermann. Die Solidarität habe unzähligen Menschen geholfen. Er habe großen Respekt vor den Helfern – aber auch vor den Organisatoren wie Marc Ulrich vom Helfer-Shuttle. Zimmermann betonte besonders den unfassbaren Einsatz jüngerer Menschen. „Hier wurden einige Vorurteile abgebaut“, sagt er. „Jeder hat gespürt, dass man angesichts dieser Katastrophe nicht allein ist.“ Auch die Kreissparkasse selbst habe sehr viel Hilfe erfahren. Von Sparkassen aus ganz Deutschland kam Unterstützung. Die musste nicht einmal finanzieller Art sein, wie Zimmermann erläuterte. Von anderen Kassen, so zum Beispiel im Werra-Meißner-Kreis wurde das Angebot gestellt, dass betroffene Mitarbeiter der KSK Ahrweiler zu Besuch kommen können, um eine Auszeit von der Flut zu nehmen.

Markus Müller pflichtet bei. Die Hilfsleistungen waren gigantisch und haben im Ahrtal einen Leuchtturmeffekt generiert. Die Katastrophe hat alle zusammengeschweißt, sagt Müller. Das sei heutzutage nicht unbedingt selbstverständlich, fügt er hinzu. Auch die beiden Banken seien mehr zusammengewachsen, wie Zimmermann und Müller betonen. Denn nun sei es entscheidend, für die Menschen im Tal da zu sein. „Wir stehen geschlossen an der Seite der Menschen“, so die Vertreter von Volksbank und Kreissparkasse.

Müller: „Hut ab“ vor Kraft und Willen

„Wie ist die Stimmung bei den betroffenen Unternehmen?“, fragt Krupp anschließend. „Wollen viele Firmen und Einzelhändler weiter machen?“. Für Dieter Zimmermann stellt sich die Lage positiv dar. Es sei vielen Unternehmern bereits relativ früh klar gewesen, dass es weiter gehen wird. „Hier wird Unglaubliches mit viel Flexibilität und Kreativität geleistet“, sagt er. In Unternehmerkreisen werden sich untereinander Produktionsmaschinen geliehen – Dinge, die vorher undenkbar gewesen wären. Bemerkenswert sei ebenfalls, dass die Mitarbeiter von betroffenen Firmen motiviert mitziehen. Jetzt sei es wichtig, dass die Unternehmer im Ahrtal schnell die Finanzmittel des Aufbaufonds abrufen können. Gleiches gelte selbstverständlich auch für Privatpersonen. Markus Müller „zieht den Hut“ vor der Kraft und dem Willen, wenn es um das große Thema „Weitermachen“ geht. Während sich viele Unternehmer in den Anfangstagen nach der Flut noch in einer Abwägungsphase befanden, wurde danach umso schneller angepackt. Diese Motivation, gepaart mit guten Versicherungsleistungen, sei das Grundrezept für einen erfolgreichen Wiederaufbau der Wirtschaft im Ahrtal. Nun müsse aber auch die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Müller ging auch auf die problematischen Themen beim Wiederaufbau ein. Denn dafür brauche es Handwerker, sagt Müller. „Und die waren schon vor der Flut voll ausgelastet,“ fügt er hinzu.

Zimmermann: „Es wurde Unglaubliches geleistet

“Nach fast vier Monaten nach der Flut verlangt Krupp von seinen Gesprächspartnern ein Zwischenfazit. „Wo stehen wir heute im Tal?“, möchte er wissen. Manche Dinge, die bereits umgesetzt wurden, hätte man unmittelbar nach der Flut nicht für möglich gehalten, sagt Dieter Zimmermann. Zum Beispiel die Tatsache, dass jeder Schüler im Kreis einen Unterrichtsplatz habe. Auch, wenn es sich dabei oft um Übergangslösungen handele. Gleiches gelte für die zahlreichen Brücken, die das THW errichtet hat. Außerdem habe er anfangs nicht damit gerechnet, dass die Instandsetzung des Gasnetzes im jetzigen Umfang so schnell voran gehe. Die Wiederaufnahme des Zugbetriebes auf einer Teilstrecke der Ahrtalbahn schon im November sei ebenfalls unglaublich. Auch wenn diese Meldungen sehr positiv seien, gäbe es noch genug zu tun, findet Zimmermann. Das mache sich auch in der Stimmung der Privatleute bemerkbar. „Der Winter kommt und die Heizung funktioniert teilweise nicht“, sagt Zimmermann. Das drücke die Laune mancherorts schon sehr. Hinzu komme das komplexe Antragsverfahren für die Hilfsgelder der ISB. Markus Müller sieht es ähnlich. „Energie und Heizen sind die großen Themen, die jetzt wichtig sind“, fasst er es zusammen. Im Moment laufen noch die Bautrockner und die Menschen kommen in „Gartenlauben oder Mietwohnungen“ unter. Jetzt stellt sich für viele Ahrtaler die Frage, wann und wie es endlich weiter geht: „Die Menschen brauchen mehr Klarheit“, fügt er hinzu. In diesem Zusammenhang lobte Müller den unfassbaren Einsatz der Ortsbürgermeister als lokale Krisenmanager. „Gerade in den Dörfern hat vieles gut funktioniert“, so Müller.

Das Ahrtal kann zur Modellregion werden

Krupp interessiert sich auch für den Wiederaufbau. „Wo geht der Wiederaufbau hin: Alles wie vorher oder doch alles besser machen?“, möchte er von den Bankenvertretern wissen. Markus Müller liefert eine Antwort: „Es ist völlig unstrittig, dass manches wieder genau so wird wie früher“, sagt er. Dieter Zimmermann findet, dass jetzt die richtige Zeit sei, Ideen zusammenzutragen und vieles neu zu denken. Als Beispiel nennt er die Abwasserentsorgung. „Viele kleine Dörfer haben nach der Flut mit kleinen Kläranlagen interessante und dezentrale Lösungen etabliert“, so der KSK-Vorstandsvorsitzende. Dies könnte der richtige Denkanstoß sein, findet Zimmermann. Sowohl Müller als auch Zimmermann sind sich sicher, dass der Wiederaufbau eine einmalige Chance darstelle. Das Ahrtal könne zur Modellregion werden. Es bestehe nun die Möglichkeit, so aufzubauen, „wie man es sich schon immer vorgestellt habe“, so Zimmermann. In diesem Zusammenhang kommt er auch erneut auf die Ahrtalbahn zu sprechen, die künftig mit Wasserstoff- oder E-Antrieb ausgerüstet werden könnte. Markus Müller sieht das Ahrtal auf dem richtigen Weg, jene Modellregion zu werden, zum Beispiel beim Thema Internet. „Als die alten Kupferleitungen in Bad Neuenahr weggespült wurden, kam schnell die Meldung, dass nun Glasfaser verlegt werde.“ Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, auch im privaten Bereich umzurüsten, zum Beispiel auf eine bessere Wärmedämmung. Müller geht es aber auch um den Tourismus. Denn bereits jetzt sei festzustellen, dass viele Menschen das Ahrtal gerne wieder besuchen möchten. Verständlich, denn das Ahrtal sei eine der schönsten Regionen Deutschlands. Zimmermann fügt hinzu, dass die Menschen keine Scheu haben brauchen, das Ahrtal auch jetzt zu besuchen. Zumindest nicht dort, wo ein Besuch möglich ist. Der Besuch von gastronomischen Betrieben sei wichtig und die Betreiber dringend auf diesen Umsatz angewiesen.

Text/Fotos: Daniel Robbel