Liesel Ramershoven ist im Alter von 97 Jahren verstorben
Eine „Grande Dame“ der Gastlichkeit
Kottenheim. Ihr Alter sah man Liesel Ramershoven wohl kaum an. Denn die Wirtin des Kottenheimer Kultgasthauses „Blaues Eck“ sprühte immer voller Elan. Nun ist die beliebte „Grande Dame der Gastlichkeit“ im hohen Alter von 97 Jahren verstorben.
Wahrlich ein passender Anlass, zurück zu blicken. Akribisch genau erzählt sie „BLICK aktuell“ einst den Werdegang ihrer Wirtschaft, dem berühmten Kottenheimer „Blauen Eck“ von Anfang an. Damals, 1910, als der Großvater Josef Schönberg das gastliche Unternehmen von Schreinermeister Olligschläger aus Mendig – exzellent der Zeit entsprechend – in edlem Holz ausgestalten ließ. Nach dem Krieg, im Jahre 1946, als es in Kottenheim noch 10 Gaststätten gab, übernahm dann die Enkelin Liesel Ramershoven gemeinsam mit ihren engsten Familienangehörigen als „neue Wirtin“ die Gaststätte.
Nun gab’s in Kottenheim gleich zwei gastliche Häuser mit dem Namen „Schönberg“. Also musste Abhilfe her. Das im unteren Teil des Ortes hieß dann „Zur Post“ und Liesels Wirtschaft „Blaues Eck“. Diese Namensfindung entsprang einem Zufall. Weil zu dieser Zeit viele Kottenheimer im fernen Köln ihr Brot verdienten, besuchten sie dort abends auch urige Gaststätten. Am Wochenende bei Liesel an der Theke sagte jemand plötzlich: „Hai sait et jenau esu aus be en Kölle em Blaue Eck“ – und schon war der Begriff geboren. Fortan hieß das Gasthaus an der Ecke Bachstraße/Kirchstraße „Blaues Eck“. Ein gastliches Haus, das mittlerweile über 105 Jahre Bestand hat und in dessen Räumlichkeiten der Atem der Geschichte und der Erinnerungen wehte. An den Wänden, die immer noch die gleichen Holz-, und Verkleidungen wie ehemals trugen, erblickte man viele dieser Erinnerungen. Bilder, die dem Beschauer Vieles erzählen könnten, von Menschen, die hier einst ein- und ausgingen. Und mittendrin fungierte das echt „Kotteme Mädchje“ Liesel, eine wahre Institution im Dorf der „Lachenden Kartoffel“.
„Solange ich noch ‚unne de Leut‘ sain kann, geht es mir gut“, so die betagte Wirtin vor gar nicht langer Zeit, zu BLICK aktuell. Sie hatte damals allerdings nur noch an Montagen ihren großen Gastraum geöffnet. Viele Stammgäste, die sich auch schon mal selber am Buffet bedienen, ließen es sich nicht nehmen bei „Liesel“ einzukehren. Das war immer so, und so sollte es auch bleiben.
Ein ganz besonderes Renommee genossen stets Kottenheims Altbürgermeister, Toni Schüller, und Heinz May, die sonntagmorgens im Gasthaus gemeinsam mit Liesel „Siewe Ström“ spielen. Das war nun mal seit Jahren zur Tradition geworden. Dann saßen sie ganz unter sich im Gastraum und schwelgten in Erinnerungen. In dieser Zeit zapfte die kultige Wirtin alle gängigen Biersorten. Liesel Ramershoven hatte immer aus ihren Erinnerungen zu erzählen: Als die Fußballer sich an de „Komp“ en „oosem Haff“ nach den Spielen erfrischten, als die Närrinnen und Narren bei den berühmten „Nachsitzungen“ bis zur Tür raus standen oder gar das ganze Treppenhaus „bess owe hin“ bevölkerten. Unzählige Stammtische hatten immer ihren angestammten Platz und die Karnevalisten oder Sänger probten ihre Einsätze.
Die Kottenheimer Tollitäten schätzten „ihre Liesel“ immer. In jeder Session erhielt sie die Orden von den jeweils amtierenden Prinzen. Vier Jahre lang, bis 2020, lebte Liesel Ramershoven bei ihrer Nichte in Kottenheim. Dort wiederholte sich an jedem Sonntag das aus der Gaststätte bekannte „Siewe Ström“-Prozedere. Ortschef a. D. Toni Schüller und Walter Mohr hatten vor Corona mit Liesel Ramershoven sogar im Mayener Klösterchen, in dem sie bis zu ihrem Tode ein Jahr wohnte, noch Karten gespielt. Schüller bedenkt gegenüber „BLICK aktuell“ die „Kult-Wirtin“ mit einem Kompliment, das von Herzen kommt: „Sie war für alle Kottenheimer ein Juwel. Mit ihrem Tode geht eine große Ära zu Ende. Liesel war eine offene, freundliche Wirtsfrau, die hier von allen, die sie kannten und schätzten, von Herzen geliebt und geachtet wurde.“ Mit Sicherheit wird Liesel aus des Himmels Höhen auf „ihr Kottenheim“ und seine Menschen herab schauen.
Bernd Schmitz