Turmgespräch beleuchtet Katastrophen in der Antike
Gelassen bleiben in schlimmen Zeiten
Sinzig. Selten war ein Turmgespräch des Denkmalvereins näher am Puls der Zeit. Bei anhaltender Pandemie und nach der Ahr-Flut fesselten Achim Habbel und Meik Stiegler mit Katastrophen in der Antike, zumal sie sich auf Hochwasser und Seuchen konzentrierten. Gut 30 Gäste begrüßte der Vereinsvorsitzende Hardy Rehmann im Schloss.
Etliche historische Desaster wurden erörtert. In schöner Verschränkung schilderte Habbel Ablauf und Bedeutung, während Stiegler jeweils die antiken Autoren zitierte, wie Plinius der Jüngere, Plinius der Ältere, Cassius Deo und Tacitus. Laut Letzterem stürzten nach der Überschwemmung des Tibers Hochhäuser ein, Hunger und Erwerbslosigkeit folgten. Schlimmer getroffen sah der jüngere Plinius (61 bis um 113) die Bewohner am Nebenfluss Anio, wo Wälder weggespült, Menschen verschüttet und zermalmt wurden.
Schon Kaiser Augustus (63 vor bis 14 nach Christus) ließ als Schutz das Bett des Tibers verbreitern. Doch im Jahr 15 flutete der Fluss weite Teile Roms. Danach berief Augustus‘ Nachfolger Tiberius eine Kommission ein, um das Flussufer zu kontrollieren. Die Regulierung des Tibers durch Aufstauung oder Umleitung zweier Flüsse setzte sich jedoch nicht durch. Stattdessen nahm im alten Rom die auch hierzulande beklagte flussnahe Besiedlung zu: Im Bereich des Marsfeldes, einer Tiefebene am Tiber, „war die Stadt völlig zugebaut“.
Zeigt sich demnach ein antikes Umweltbewusstsein, wenn Seneca in einem Brief über die Moral warnt, „wo immer warme Quellen sind, werdet ihr bauen“? Achim Habbel verneint. Die mahnende Stimme sei die Ausnahme. „Allgemein geht es bei den Römern darum, die Natur zu bezwingen“.
Fern des römischen Kernlandes lassen an der Ahr etwa die römischen Landhäuser auf dem Sinzigberg, dem Silberberg in Ahrweiler und in Schuld erkennen, dass ihre Erbauer die Gefahren des Wassers kannten. Zumindest entsprechen sie der Empfehlung des Agrarschriftstellers Columella, die beste Lage sei „am Hang“.
Im zweiten Teil ging es um „pestis“, lateinisch für Seuche, Epidemie. Von 165 bis 180 wütete im ganzen römischen Reich die Antoninische Pest (Pocken oder Masern). Von 540 bis 770 war die Justinianische Pest verbreitet und 430 bis 426 vor Christus die berühmte Attische Pest in Athen während des Peloponnesischen Krieges, verbunden mit den Fake-News, die Spartaner hätten die Brunnen vergiftet. Der Historiker Thukydides berichtet über diese Epidemie. Besuchten sich die Menschen, steckten sie einander an, taten sie es nicht, starben sie einsam. Ärzte konnten nicht helfen, da sie selbst erkrankten, Tiere starben, so sie von den Leichen fraßen. Mutlosigkeit griff um sich. Die Beerdigungskultur verfiel. Man kippte Leichen in Massengräber. Aber wer die Krankheit überlebte, wurde immun.
Wie nach solchen Einblicken ein positiver Ausblick gelang? Die Vortragenden führten Marcus Aurelius an, von 161 bis 180 römischer Kaiser und Philosoph, der trotz herrschender Pandemie und Kriegen rät, gelassen zu bleiben und selbst angesichts des Todes heiter. HG
