Nach der Hochwassernacht waren die Schäden in Ahrbrück groß - Beherzter Einsatz der Feuerwehr rettete Leben

Nach der Flut:Die Angst vorm Vergessenwerden

Nach der Flut:
Die Angst vorm Vergessenwerden

Christian Keuler (l.) und Karl-Heinz Hermes am Willkommensschild von Ahrbrück. Foto: ROB

Nach der Flut:
Die Angst vorm Vergessenwerden

Die zerstörte Brücke wurde wieder befestigt - von Ahrbrücker Einwohnern. Foto: ROB

Nach der Flut:
Die Angst vorm Vergessenwerden

Die Ahr hat sich ein neues Bett gesucht und zerstörte dabei Häuser und Brücken.Auch der einstmals beliebte Imbiss „Futterkrippe“ stand hier.Foto: ROB

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Die Angst vorm Vergessenwerden

Christian Keuler zeigt die Stelle, wo vor kurzem noch Häuser standen. Foto:ROB

Ahrbrück. Das Dorf Ahrbrück ist für viele Besucher des Nürburgrings ein klassischer Durchfahrtsort. Hier machen Motorradfahrer auf eine Tasse Kaffee im Biker-Café Halt oder decken sich an der Tankstelle mit Benzin oder Wegzehrung ein. Kultig war in Ahrbrück auch der Imbiss, die „Futterkrippe“, den viele noch kennen werden. Dort gab es handfeste Hausmannskost, Schnitzel mit Pommes und Bratwurst mit Senf. Irgendwann machte das Stübchen zu und auch die Nachfolger bewirteten den Laden mit selbstverständlicher Hingabe. Heute ist das alte „Futterkrippen“-Haus nicht nur geschlossen, sondern komplett weg. Das Gebäude wurde beim Hochwasser des 15. Juli fortgespült und wo es stand, klafft ein Loch, als hätte eine Fliegerbombe eingeschlagen. Nun ist dort nur noch Geröll und Wasser. Die Ahr hat die freie Fläche sofort eingenommen und bildete etwas, das wohl als Halbinsel bezeichnet werden könnte. In dem Haus, das einst den Imbissbetrieb beherbergte, starben in jener Nacht drei Menschen.

Ein Eindruck, der täuscht

Subjektiv betrachtet, sieht Ahrbrück vergleichsweise heil aus. Der alte Ortsteil Denn kam vergleichsweise gut davon. Aber wo das Wasser stand hinterließ es Zerstörung pur. Die Hälfte des gesamten Dorfes ist kaputt, viele Häuser sind komplett zerstört, auch die Brücke Richtung Lind ist hin.

Von dem gesamten Ausmaßen berichtet Karl-Heinz Hermes. Jeden Tag verbringt er im Gemeindehaus, dem Alten Bahnhof. Dort haben die Ahrbrücker eine Krisenstelle eingerichtet. Überall stehen Laptops und Tafeln mit Telefonnummern, Lagepläne sind aufgeschlagen. Bauunternehmer kommen vorbei und haben Geräte zu verteilen. Auch die Polizei schaut vorbei und die Beamten fragen, wo Unterstützung gebraucht wird. Eine Helferin bringt ein paar belegte Brötchen vorbei, denn die Abwicklung der Hilfsangebote ist eine Daueraufgabe, die Kraft kostet. Gemeinsam mit Bürgermeister Walter Radermacher bezog Hermes schon in der Flutnacht Stellung im Alten Bahnhof. Dort wurde auch eine Notunterkunft eingerichtet. Die Betroffenen, die aus ihren Häusern vor dem Wasser flüchteten, fanden hier einen Platz zum Ausruhen und Aufwärmen. Für die Evakuierung der Menschen war die Feuerwehr Ahrbrück zuständig. Eine Befehl einer übergeordneten Behörde gab es dazu nicht, wie so oft an der Ahr in jener Nacht. Die Kameraden handelten nach Intuition, als sie die Menschen aufriefen, ihre Häuser zu verlassen. „Ich bin mir sicher, dass der eigenständige Einsatz Menschenleben gerettet hat“, sagt Hermes.

„Unser Dorf ist kaputt“

Er erinnert sich an weitere Details aus der Flutnacht. „Das Wasser stieg auch um das Bahnhofsgebäude“, sagt er. So schnell, dass die Bewohner nochmals evakuiert werden mussten. Diesmal in den 1. und den 2. Stock. Doch das Glück spielte mit: Kurz vor der Türschwelle stieg das Wasser nicht mehr weiter und der Bahnhof blieb verschont. Neben den physischen Schäden leiden die Menschen seelisch unter dem Erlebten, so Hermes. „Wie soll es auch sonst sein, unser Dorf ist kaputt“, erklärt er. Doch die Hilfsbereitschaft, die war und ist enorm. Freunde, Fremde, Freiwillige und offizielle Helfer arbeiten Hand in Hand. Auf die staatliche Hilfe wartete man gar nicht erst. Es wurde sofort angepackt. Zum Glück wohnt der Bauunternehmer Michael Winterscheidt im Dorf. Er stellte sofort sein schweres Gerät zur Verfügung und die Arbeit begann gleich nach der Katastrophe. „Wir waren richtig zügig“, sagt Hermes. „Bevor das THW kam, waren die Straßen schon geräumt.“

Christian Keuler ist ebenfalls Mitglied im Gemeinderat und vor kurzem erst nach Ahrbrück von Staffel gezogen. Mit seiner Familie wohnt er fast direkt an der Ahr. Die Zerstörung an seinem Haus ist vergleichsweise gering, denn ein großräumiger Obstgarten trennt Ahr und Haus. Die Ahr hatte hier „Auslauf“, er hatte Glück. Der Obstgarten ist weggeschwemmt. Nur ein dünnes Apfelbäumchen ragt aus dem Dreck. „Der hat es überstanden,“ sagt er. Nicht überstanden hat es die Fahrradbrücke, ein wenig weiter. Nur ein Pfeiler ist übrig. Auch die vier Häuser, die hier einst standen haben keine Spuren hinterlassen. Von der Brücke landete vieles in Keulers Garten hinter seinem Haus. Auch Eisenträger. Keuler hat einen Plan. „Die möchte ich mir gravieren lassen, damit wir niemals vergessen, was hier los war.“

Ein großes Problem war die stark beschädigte Brücke, die in den Ortsteil Brück auf der anderen Ahrseite führt. Die Querung stand zwar noch, war aber weder begehbar noch befahrbar. Ahrbrück war praktisch zweigeteilt und der Part, der nicht per Bundesstraße erreichbar ist, von der Außenwelt abgeschnitten. Für die Ahrbrücker war klar, dass die Brücke schnellstmöglich wiederhergestellt werden musste. Dafür sorgte wieder Baufachmann Winterscheidt. Zügig war die Brücke wieder befahrbar und Baufahrzeuge und Traktoren konnte auch in den anderen Teil von Ahrbrück gebracht werden. Es ging also vorwärts.

Stärkere Signale gewünscht

Der Ahrbrücker hat klare Vorstellungen wie die Zukunft im Katastrophenschutz auszusehen hat. Und Keuler hat Fragen: „Wie bekommen wir die Touristen irgendwann wieder hier hin? Wo können wir aufbauen und wo nicht? Wann fährt die Bahn wieder? Wann kommt das Gas?“ Fragen, die derzeit viele im Ahrtal umtreiben. „Ich habe die Befürchtung, dass wir nach der Bundestagswahl vergessen werden“, drückt er seine Sorgen aus. Kritik gibt es gegenüber der Politik: „Es gab einen Brief der Bürgermeister an Bund und Land“, blickt Keuler zurück. „Hier hätte ich mir früher von höherer Stelle ein stärkeres Signal von der politischen Führung des Kreises gewünscht“, sagt er. „Dann hätten die Hilfsmaßnahmen auch sinnvoll koordiniert werden können.“