Die berühmteste Holzpuppe der Welt wohnt jetzt in Schuld
Pinocchio und seine Grille begeistern
Schuld. Udo Stratmann, 2. Vorsitzender der Freilichtbühne Schuld e.V., hatte seit zehn Jahren dafür plädiert, Pinocchio zu spielen. Stets war sein Vorschlag gescheitert. Das Stück um die Holzpuppe mit der langen Nase, erdacht vom Italiener Carlo Collodi um 1880, sei zu traurig, zu schwierig, nicht geeignet.
Nun wagte sich die Spielschar endlich an das Abenteuer, zumal Regisseur Jens Kerbel schon positive Vorerfahrungen mit dem Stück hatte. Zum Dank durfte Stratmann nicht nur die Rolle des Tischlers Gepetto spielen. Er durfte auch an einer Inszenierung mitwirken, die Maßstäbe setzte und sicher in die
Geschichte des kleinen Freilufttheaters eingehen wird.
Die grüne Grille führt ein
Wie jedes gute Märchen beginnt auch dieses mit einem „Es war einmal“. Die grüne Grille, die seit langer Zeit im Haus der Tischlers wohnt, erzählt den staunenden Besuchern im bis auf den letzten Platz gefüllten Rund, wie alles begann. Aus einem Stück Pinienholz soll eine schöne Puppe geschnitzt werden. Gepetto wirft die Motorsäge an und „ratz fatz2 ist die Holzfigur fertig. Nun muss noch ein Name her.
Birkino vielleicht? Oder doch Fichtonello? Nein, Pinocchio soll der Junge heißen. Mit viel Wortwitz, Situationskomik und Effekten startet die Story, und das bleibt bis zum Ende nach gut zwei Stunden so.
Nun ist Pinocchio aber keine normale Holzpuppe. Sondern eine besondere, die rasch zum Leben erweckt wird und kaum hat sie laufen gelernt, hinaus will ins Leben. Zunächst geht er zur Schule, doch da bleibt der Naseweis nicht lange. Dann trifft er ein Puppentheater, bringt auch dort alles durcheinander und erhält fünf Goldstücke. Damit fällt er in die Hand von zwei tumben Räubern, kann sich aber retten. Anschließend lässt er sich überreden, ins Spielzeugland mitzukommen, wird dort in einem Esel verwandelt und landet im Zirkus. Erst hier begreift er, dass er mit der ständigen Schwindelei aufhören muss, die seine Nase immer länger werden lässt. Mit Hilfe einer guten Fee wird er zurück verwandelt
und macht sich auf die Suche nach seinem Vater Gepetto, der von einem Walfisch verschluckt wurde. Auch er landet im Bauch des Riesenfisches und schafft es mit einem Trick, dass beide ausgespuckt werden. Sie kehren zurück nach Hause, wo auch sie zuvor ausquartierte Grille wieder einzieht, der Kreis
schließt sich zum „alles wird gut“.
Mit Abenteuern gespickte Geschichte
Ein derart mit Abenteuern gespickte Geschichte auf die Lichtung oberhalb von Schuld zu zaubern, ist eine Herkulesaufgabe. Die mit Leichtigkeit und Bravour gemeistert wird. Jens Kerbel inszeniert mit Hilfe seiner Regieassistentin Karoline Sicken mit kluger Hand und führt das vielköpfige Ensemble traumwandlerisch sicher durch
die Handlungsstränge. Im Mittelpunkt stehen stets die Protagonisten, bei aller Action und allen Effekten, die aufwendig und großartig sind, bleiben immer die Geschichte und ihre Helden im Vordergrund.
Die Bühnenbildner haben ganze Arbeit geleistet, neben den passenden Kulissen mit tollsten Fahrzeugen und Bahnen. Kostüme und Maske sind geradezu sensationell schön, mit viel Liebe zum Detail und großer Kunst gefertigt, dafür gäbe es beim Film einen Oscar. Ton, Licht und Bühnentechnik funktionieren sehr gut, alles ist prima zu hören und zu sehen, Chapeau auch dafür.
Darsteller der Extraklasse
Aus der großen Besetzungsliste jemanden heraus zu greifen, scheint fast ein wenig unfair, weil alle, von der Hauptrolle bis zum Kleindarsteller, engagiert und konzentriert zur Sache gehen. Nennen kann man die sägenden Ärzte Kautz und Rabe, die beiden Doktores Marius Ewertz und Patrick Larscheid zeigen, dass man auch aus Nebenrollen etwas Besonderes machen kann.
Oder auch Kerstin Oldenburg und Leon Schmitz als nicht faden-, aber tadellose Marionetten im Eifler Puppentheater. Nennen muss man Anne Stratmann als Frau Fuchs und Heiko Linnerz als Herrn Kater, die mit großer Komik und körperbetontem Spiel begeistern.
Die Last der Titelrolle liegt auf den schmalen Schultern von Laura Esser.
Sie gibt dem PinocchioFigur und Gesicht, aber auch Charakter, dabei blitzt die Spielfreude nur so aus ihren strahlenden Augen, eine Idealverkörperung. Ihr zur Seite steht allerdings mit Isabelle Oldenburg eine kongeniale Partnerin in der Rolle der Grille, diese kleine Person macht das einfach großartig.
Nicht enden wollender Beifall am Schluss einer Aufführung, die bei einem Amateurtheater ihresgleichen sucht, Jubel- und Bravorufe eines restlos begeisterten Publikums.
Wer auch Wladimir Putin und Donald Trump im „Wundafäld“ treffen, dem Walfisch beim Ausstoßen der Fontäne zusehen und den Mond aufgehen sehen möchte, sollte sich beeilen.
Weitere Informationen:
Gespielt wird noch bis 11. August immer Samstag um 20:30 Uhr und Sonntag um 15:30 Uhr, außerdem an zwei Freitagen (2. August und 9. August) um 19:30 Uhr. Karten unter Telefon (06 51) 97 90 777 oder unter ticket-regional.de/fbschuld, Infos unter www.freilichtbuehne-schuld.de.
SCHÜ
Der Mond geht über der Lichtung auf - und die Fee ist mit an Bord.
