Eine christliche Familie aus Syrien bringt an Weihnachten deutsche und syrische Traditionen zusammen
Weihnachten auf syrische Art
Jalal Kasouha ist 2011 vor Krieg und Terror geflüchtet und hat sich in Sinzig ein neues Leben aufgebaut
Sinzig. Wenn Jalal Kasouha lacht, steckt das an. So sehr, dass der „Eulenfisch“ - ein Limburger Magazin für Bildung und Religion – ihm im Sommer 2015 eine Titelseite widmete . Mit einem herzlichen Lachen begrüßt er dort die Leser. Doch das Lachen musste er wieder lernen und das brauchte Zeit. „Rückkehr der Helden“ heißt es in der Überschrift des Magazins. Und der Ort, von dem Jalal Kasouha ins Leben zurückkehrte und das Lachen wieder lernen musste, war die Hölle. In seiner syrischen Heimatstadt Al-Kusair, dass direkt an der libanesischen Grenze liegt, tobte seit 2011 der Bürgerkrieg in einem unvorstellbaren Ausmaß. Die Stadt gilt heute als „tot“; von den ehemals 30.000 Einwohnern sind wegen Terror und Krieg nur 500 geblieben. In jedes Haus ist mindestens eine Granate eingeschlagen. Das ist keine reine Statistik: In Al-Kusair ist bis heute alles zerstört. Auch Jalal Kasouhas engste Familie blieb nicht von Leid verschont. Jalals Bruder wurde im Februar 2012 auf offener Straße von Extremisten erschossen. Einfach so. Weil er Christ ist.
Flucht und Rückkehr
Jalals Frau Weam kann ein anderes Bild der Vergangenheit zeichnen. Sie ist ebenfalls Syrerin und stammt aus Ain Albareda, einem Dorf in einer fast rein christlichen geprägten Region. Der Krieg erreichte sie nicht; der Islamische Staat hielt sich mangels Unterstützung aus der Bevölkerung und Widerstand der Assad-Regierung aus der Heimatregion Weams fern. Jalal Kasouha schaffte Ende 2011 die Flucht nach Griechenland. Das gelang vergleichsweise leicht, denn Kasouha hat in Griechenland BWL studiert und konnte so relativ problemlos ein- und nach Deutschland weiterreisen. Zuletzt dozierte er an einer Tourismusschule in Homs und lernte dort Weam kennen. Erst 2016 kam Jalal wieder nach Syrien um seine Weam zu ehelichen. Die Sicherheitslage hatte es vorher nicht zugelassen. Aber auch 2016 war das Land von Armut geprägt. Beinahe schaffte es Jalal gar nicht zu seiner eigenen Hochzeit. Es war zunächst nämlich kein Benzin aufzutreiben. Glücklicherweise hat es dann doch noch hingehauen.
Auch wenn die Vergangenheit der beiden unterschiedlich ist, so verbindet sie der Glaube. Jalal und Weam sind Christen. Und Daniel ist es auch: Der Sohn der beiden ist fast zwei Jahre alt und der ganze Stolz der Familie.
Heute haben Weam und Jalal ein neues zu Hause in Sinzig gefunden. Sie fühlen sich wohl hier und beteiligen sich am sozialen Leben. Weam leitet eine Kindergruppe in der Familienbildungsstätte in Bad Neuenahr, Jalal arbeitet bei einem Internetversandhandel in Koblenz, möchte aber gerne Steuerberater werden und eine Ausbildung machen. Außerdem ist Jalal Mitglied im Beirat für Migration und Integration der Stadt Sinzig.
Putenbraten und Weihnachtsmannkostüme
Jetzt aber ist Weihnachten angesagt, sagt Jalal. Und die Unterschiede wie syrische und deutsche Christen feiern ist gar nicht so unterschiedlich. „Wir feiern eben wie Syrier in Deutschland“, lacht Jalal Kasouha. Diese Mischung macht sich auch in den Traditionen der Kasouhas breit. Im Wohnzimmer steht der Weihnachtsbaum, am Adventskranz brennen die Kerzen und es gibt Plätzchen und Schokoweihnachtsmänner. Doch eines ist anders: Überall findet sich auf dem weihnachtlich geschmückten Tisch die syrische und die deutsche Flagge. Ein Zeichen der Verbundenheit, wie er sagt. Neben dem Kruzifix und an der Wand hängt das Porträt des verstorbenen Bruders.
Für die Kasouhas ist Weihnachten ein besonderes Fest mit vielen Gebräuchen. Syrische Christen legen vor Weihnachten eine weitere Fastenzeit ein, die über 15 Tage geht. „Man verzichtet dann auf etwas, was man besonders gerne hat“, sagt Jalal Kasouha. So lassen viele seiner Landsleute Zigaretten, Süßigkeiten oder Fleisch in dieser Zeit liegen. Ein weiterer Unterschied liegt im privaten Engagement. Jalal verkleidet sich jährlich an Heiligabend als Weihnachtsmann und besucht Nachbarn, Freunde und Verwandte und verteilt kleine Geschenke. Diese Tradition hat er aus Syrien mitgebracht. Dort gibt es nämlich „Weihnachtsmann-Vereine“. Die verkleideten Männer bringen dort den Kindern die Geschenke, die die Eltern vorher abgegeben haben. Oder die Weihnachtsmänner helfen dort, wo es sein muss. Zum Beispiel im Haushalt.
„Gemeinsame Feiern sind wichtig“
In Syrien ist Weihnachten ein wichtiges Fest. Jalal zeigt Videos aus seiner Heimat: Ein rund 20 Meter hoher Weihnachtsbaum versinkt vollends im Funkenregen eines bombastischen Feuerwerks und wird von hunderten Menschen frenetisch bejubelt. „Die Menschen in Syrien sehnen sich nach Abwechslung und gemeinsamen Feiern“, sagt Jalal. „Denn jeder dort hat ein Kind im Krieg verloren“, fügt er hinzu.
Nun in der neuen Heimat geht es etwas „deutscher“ zu. Auch beim Essen: An Heiligabend gibt es Pute. Aber eine ganze, wie Jalal sagt, und er persönlich wird die auch zubereiten. „Jalal kocht einfach besser als ich“, lacht Weam. Der Syrer packt eben gerne an. Er hat 400 Stunden Deutsch gepaukt, besitzt einen deutschen Pass und hat keinen Cent vom Staat als Unterstützung bekommen. Weam arbeitet darauf hin, anfang 2020 die deutsche Staatsbürgerscherschaft zu erlangen. Und Sohn Daniel wird jetzt schon für die Schule vorbereitet: Zu Hause wird Deutsch, Englisch und Arabisch gesprochen. „Daniel wird sicher Dolmetscher“, sagt Weam stolz.
Gerade an Weihnachten fühlt sich die Familie besonders wohl in ihrer neuen Heimat am Rhein.
„Wir sind sehr froh hier sein zu dürfen“, sagt Jalal und schaut durch das weihnachtlich geschmückte Fenster und blickt durch strömenden Regen auf die laute Bundesstraße, einen Supermarktparkplatz mit gestressten Vorweihnachts-Einkäufern und auf ratternde Güterzüge. „Schau´ Dir das an. Es ist doch einfach nur schön hier“, sagt er glücklich.
ROB