Allgemeine Berichte | 05.08.2019

Mayener Waldorfschule startet in wenigen Tagen mit dem Unterricht

„Wir wollen eine bewegte, naturnahe Waldorfschule für alle sein“

Ab 12. August bereichert eine ganz besondere Schule die Mayener Schullandschaft

Haben ihren Traum von der Mayener Waldorfschule nie aufgegeben: (v.l.:) Lina Meiling, Christian Seier-Balk und Maike Frings. Fotos: SOT

Mayen. Es ist Abend in Mayen. Während die meisten Menschen längst ihren Feierabend genießen, wird in der Magmastraße 1 gemessen, gesägt, gehämmert und geschraubt, was das Zeug hält. Hier entsteht die erste Waldorfschule der Region. Mit einem großen Sommerfest in zwei Wochen soll das Schulgebäude eingeweiht werden. Ab dem 12. August beginnt hier der Unterricht und damit geht für viele Eltern in der Region ein großer Traum in Erfüllung.

„Wir brauchen eine eigene Waldorfschule in der Region“

„Für uns war klar, dass unsere Kinder nur eine Waldorfschule besuchen“, sagt Gründerin Lina Meiling, die selbst ausgebildete Waldorfpädagogin ist. Als sie mit ihrer Familie vor wenigen Jahren in die Region zog, war die Erreichbarkeit des Waldorfkindergartens in Mendig bereits Hauptentscheidungskriterium für die Wahl des Wohnortes. Die nächste Schule nach dem Prinzip des Anthroposophen Rudolf Steiner ist allerdings in Neuwied und vom heutigen Wohnsitz der Meilings aus nur schwer erreichbar. „Es war einfach klar, dass wir eine eigene Waldorfschule in der Region brauchen“, sagt Lina Meiling und es gelang ihr, weitere Eltern mit ihrer Idee zu infizieren.

Am 1. Dezember 2016 fand das erste Treffen für interessierte Eltern statt. Bald folgte die Vereinsgründung; der Vorstand bestand zunächst aus Lina Meiling und ihren Mitstreiterinnen Frauke Beckers und Ramona Zirkel. Im darauffolgenden Jahr war bereits Schulmobiliar in einer Scheune eingelagert, lange bevor das pädagogische Konzept stand. Ein Schulgebäude war zu dem Zeitpunkt auch noch nicht in Sicht, aber die jungen Initiatoren, die immer mehr Mitstreiter fanden, arbeiteten unermüdlich an ihrem Traum von der eigenen Waldorfschule. Neben zahlreichen Infoveranstaltungen organisierten sie Workshops, Bastelaktionen, Eurythmie-Vormittage und Freizeitausflüge, auf denen Eltern und Kinder sich bereits kennenlernen konnten.

„Wir gründen nicht nur eine Waldorfschule, wir gründen eine besondere Waldorfschule“, stand für Lina Meiling schon früh fest. „Für uns stellten sich in allererster Linie die Fragen: Was wünschen wir uns für unsere Kinder und was sind die Themen, die die Kinder beschäftigen? Dieses Entfremden von dem, was Kinder eigentlich brauchen, wollen wir unbedingt vermeiden“, sagt die Lehrerin, denn sie ist sich sicher: „Wenn du Kinder in die Natur lässt und ihnen viele Möglichkeiten gibst, sich selber zu erfahren, ist das doch das, wonach Kinder regelrecht hungern, und was sie gerade im Grundschulalter noch so sehr brauchen. Unsere Gesellschaft gibt Kindern dafür leider immer weniger Raum – für Sinneserfahrungen, für motorische Erfahrungen, für all diese Erfahrungen, die so ganz basal sind. Aus diesen elementaren Anliegen ist unser Konzept entstanden: Wir wollen eine bewegte, naturnahe Waldorfschule für alle sein.“

Das Konzept der Mayener Schule sei durchaus individuell, auch wenn es in großen Teilen auch von anderen Steiner-Schulen gelebt und umgesetzt würde. „Es ist heute leider so, dass Kinder in die Schule kommen und ganz viele primäre Erfahrungen nie gemacht haben. Mit dem ‚bewegten Klassenzimmer‘ geben wir den Kleinen Zeit zum Nachreifen und die Zeit, zum Beispiel – ganz simpel – eine schräge Ebene hochzulaufen und sich dabei selbst zu erfahren und Selbstbewusstsein und Vertrauen in den eigenen Körper zu entwickeln“, so Meiling. „Es ist wirklich so, dass viele Kinder das nicht mehr mitbringen. Die Waldorfpädagogik sagt , dass der Körper in den ersten sieben Jahren reift und erst, wenn diese Phase gesund abgeschlossen ist, kann die kognitive Ebene auch vollumfänglich erschlossen werden – was ja auch irgendwie logisch ist“, findet Meiling.

Bedürfnisse der Kinder stehen im Vordergrund

Unterricht in einer Waldorfschule strebt dieselben Abschlüsse an, die auch konventionelle Schulformen anbieten, hier geht man nur einen anderen Weg: Die Bedürfnisse der Kinder stehen in jeder Entwicklungsphase im Vordergrund. Am Ende selbst denkende, kreative, weltoffene und selbstbewusste junge Menschen ins Leben zu entlassen ist außerdem ein wichtiges Ziel der Waldorfpädagogik.

Dass die Schule tatsächlich in wenigen Tage ihre Türen öffnet, können Meiling und ihre Mitstreiter manchmal noch gar nicht fassen: „Wir sind intelligent-naiv an die Sache herangegangen“, schmunzelt Christine Seier-Balk, Mutter und Mitgründerin. Die kleine Portion Naivität, gepaart mit einem nicht totzukriegenden Optimismus habe davor geschützt, das ganze Ausmaß des Mammut-Projekts „Schulgründung“ von Anfang an zu überblicken, „vielleicht hätten wir uns ansonsten gar nicht getraut.“

Schon früh stand dem jungen Projekt eine Gründungsberaterin vom Bund der Freien Waldorfschulen zur Seite, bald schon verkündete die lokale Presse, dass es eine Waldorfschule in der Region geben werde, „da war der Lizenzvertrag noch nicht mal unterschrieben“, berichtet Lina Meiling und muss ihm Nachhinein fast staunen über ihren eigenen Mut und den Optimismus in der ersten Zeit. Die letzten drei Jahre seien ein Abenteuer gewesen, eine wilde Fahrt zwischen Euphorie und Verzweiflung. „Vieles haben wir wirklich auch ohne viel Verstand gemacht“, resümiert Lina Meiling, „ganz einfach, weil es getan werden musste und weil es niemanden gab, der es uns hätte abnehmen können.“ „Es hat für uns selbst aber auch so viel Positives gebracht“, sagt Christine Seier-Balk, „ich habe so viel gelernt in der Zeit.“ Auf Fortschritte seien immer auch wieder Rückschläge gefolgt. „Was wir aber letztlich können, ist uns Dinge vorzunehmen und die wirklich umzusetzen: Das geht nicht – doch das geht! Und es geht wirklich!“, macht es die junge Mutter fassbar.

Zu den extremsten Momenten habe der Besuch eines Ausschusses des Bundes der Freien Waldorfschulen in Mayen gehört. Vertreter aller Waldorfschulen in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Luxemburg treffen sich alle sechs Wochen und sprechen über alles, was an Organisatorischem in ihrer Region anliegt, sie unterstützen bei Gründungen, ein Fachgremium bewertet neue Konzepte. „Ein halbes Jahr vor Schuleröffnung mussten wir einen Antrag fürs Schulministerium stellen“, berichtet Lina Meiling. „Bevor wir diesen Antrag stellen konnten, mussten wir die Genehmigung vom Bund der freien Waldorfschulen haben.“ Um diese Genehmigung zu erhalten, muss eine Initiative mindestens 15 angemeldete SchülerInnen vorweisen, dazu ein komplettes Kollegium, ein Gebäude und einen Finanzplan samt Bürgschaften. Auch einen Gründungslehrer musste das Projekt vorweisen, „den haben wir sehr verzweifelt gesucht, ihn letztlich gefunden – und mit ihm haben wir ein unglaubliches Glück“, strahlt Lina Meiling.

Pädagogisches Konzept konnte überzeugen

Ganz wichtig war natürlich auch ein ausgereiftes, pädagogisches Konzept. „Mit unserem Konzept konnten wir das Gremium wirklich begeistern“, sagt Mitgründerin und Landschaftsarchitektin Maike Frings, die an der neuen Schule Gartenbau unterrichten wird. Auch der Stunden- und Deputatsplan war einwandfrei, das Grundstück war gekauft, der Bau geplant – und es waren bereits mehr als 15 Kinder angemeldet. Das Kollegium war gut aufgestellt.

Rund 30 Gäste kamen nach Mayen, um sich Örtlichkeiten und Konzept vorstellen zu lassen. Da die Initiative noch über keinerlei Räumlichkeiten verfügte, öffneten Manfred Künster und Marietta Blasweiler kurzerhand die Türen ihres Hausener Figurentheaters. „Das sind überhaupt so tolle Menschen, die uns unheimlich unterstützt haben“, ist Lina Meiling dankbar. Alles schien einfach perfekt zu laufen. Doch am Finanzplan sollte es scheitern: „Damit sind wir gnadenlos durchgefallen“, erinnert sich Lina Meiling noch bestens. Doch die Delegation fand die Mayener Initiative und ihr Konzept ansonsten so gut, dass sie ihr einige Wochen Zeit gab, ihre Finanzplanung zu überarbeiten. „Auch da kamen plötzlich wieder Menschen ‚aus dem Nichts‘, unter ihnen echte Finanzexperten, die unser Konzept ganz neu auf die Beine gestellt haben. Wir haben zudem einen Elternabend anberaumt, auf dem die Probleme angesprochen wurden. Wir haben weitere Arbeitskreise gebildet, die sich um Spenden und Materialbeschaffung kümmerten“, nennt Meiling die Maßnahmen. „Das war wirklich eine Krise, aber sie war gut, denn sie hat auch wieder vieles in Gang gebracht“, resümiert Christine Seier-Balk. „Es ist nicht zuletzt ein extremes Eltern-Engagement entstanden.“

Sommerfest am Samstag, 17. August

Am 12. August geht der Unterricht los und eine ganz besondere Schule bereichert ab dann die Mayener Schullandschaft. Am Samstag, 17. August, lädt die Initiative zum großen Sommerfest ein.

Alle Infos zur Mayener Waldorfschule und zum Festprogramm unter www.waldorfschule-eifel.de.

So sah die Baustelle noch vor wenigen Wochen aus. Das Schulgebäude wird mit jeder Klasse erweitert.

So sah die Baustelle noch vor wenigen Wochen aus. Das Schulgebäude wird mit jeder Klasse erweitert.

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