Hinweise für Rad- und Autofahrer - nicht nur fürs STADTRADELN
„Wo fährt der denn?!“
Sinzig. „Muss der mitten auf der Straße fahren? Hält den ganzen Verkehr auf!“, ärgert sich jemand am Steuer eines Autos über das vor ihm fahrende Fahrrad. „Muss das hier über den Gehweg gurken und mich belästigen?“, ärgert sich jemand anderes, zu Fuß vom Fahrrad bedrängt. „Wo soll ich bloß fahren?“, fragen sich manche, die sich in den Sattel schwingen. Das STADTRADELN dient ja auch dazu, zum Umsteigen zu bewegen. Einige suchen sich dann ihren Weg, wie er ihnen subjektiv sicher und bequem erscheint. Das führt dann mitunter dazu, dass erwachsene Menschen wie ein kleines Kind auf dem Gehweg herumfahren ... „In Sinzig gibt es ja kaum Radwege!“ wird oft geklagt. Die Begründung, warum dies keine Gefahr bedeutet und eher sogar gut für den Radverkehr ist, würde diesen Artikel genauso sprengen wie die Erläuterung, warum - entgegen der subjektiven Gefühlslage - Gehwegfahren deutlich gefährlicher ist als Fahrbahnfahren. Es geht im folgenden also nur darum, wie und wo genau man unter den gegebenen Umständen sinnvoll fährt.
Fahrräder auf der Fahrbahn sind der vorgesehene Normalfall
Straßen sind grundsätzlich für alle Verkehrsteilnehmer da, und es gilt § 2 (1) der Straßenverkehrsordnung (StVO): „Fahrzeuge müssen die Fahrbahn benutzen.“ Fahrräder sind Fahrzeuge, auch im rechtlichen Sinne. Man muss es einigen Leuten deutlich vor Augen halten: Gehwege sind den Fußgängern vorbehalten! Wer Fahrrad fährt, führt ein Fahrzeug - mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten. Leider werden zu oft die Rechte nicht wahrgenommen und die Pflichten vernachlässigt. Ich kann mich als Radfahrer nicht darüber aufregen, dass ich als Verkehrsteilnehmer nicht ernst genommen werde, wenn ich mich nicht selbst ernstzunehmend verhalte. Auch mit dem Fahrrad halte ich an roten Ampeln, beachte die Vorfahrtsregeln, fahre nicht auf der falschen Straßenseite und wechsel vor allem nicht, wie es mir gerade passt, zwischen Fahrbahn und Gehweg. Vorhersehbares Verhalten (entsprechend der Regeln) ist ein nicht zu unterschätzender Sicherheitsfaktor und dient dem Miteinander im Verkehr. Ich mag die oft stilisierte „Gegnerschaft“ zwischen verschiedenen Fahrzeugarten nicht. „Hallo Partner! Dankeschön!“, lautete in den 1980er Jahren ein Slogan zur Verbesserung des Klimas zwischen LKW- und PKW-Fahrern. Auch zwischen Rad- und Autoverkehr wünsche ich mir, dass das nicht als Gegeneinander gesehen wird. Die folgenden Hinweise dienen auch dem gegenseitigen Verständnis.
Nicht zu weit rechts fahren
Aber wie genau fährt man mit dem Fahrrad auf der Fahrbahn? „Am äußersten rechten Rand“ hieß es früher, mancher hinter der Windschutzscheibe erwartet das weiterhin, und im Sattel machen es viele instinktiv - doch Vorsicht! Die StVO schreibt allen Fahrzeugen vor, „möglichst weit rechts“ zu fahren; ein wichtiger und sinnvoller Unterschied. Es gibt keinen Grund, mit dem Fahrrad weiter rechts als die Autos zu fahren; einen Sicherheitsabstand zum Gehweg von 75 bis 80 cm stellte schon 1957 der Bundesgerichtshof fest. Die meisten Radfahrer fahren tatsächlich zu weit rechts! Grobe Faustregel: nicht weiter rechts, als Autos mit ihren rechten Rädern fahren. Unter Umständen ist das schon zu weit rechts. Insbesondere bei am Straßenrand stehenden Autos ist ein größerer Abstand (mind. 1 m!) wichtig. Immer wieder kommt es zu teils üblen Verletzungen durch sogenannte Dooring-Unfälle, wenn am Auto von innen plötzlich eine Tür geöffnet wird. Dies geschieht meist schwungvoll; rechtzeitiges Bremsen ist selten möglich: Schon mit nur 15 km/h fährt man in der einsekündigen Reaktionszeit ungebremst bereits über vier Meter, für die Verzögerung selbst braucht man (je nach Fahrkönnen und Qualität der Bremsen) nochmals über drei Meter bis zum Stillstand. Also unbedingt immer ausreichenden Seitenabstand halten; dann sind wegen Türöffnungen auch keine gefährlichen Notbremsungen nötig.
Ein bisschen Gelassenheit
An dieser Stelle möchte ich alle am Steuer eines Autos dazu aufrufen, die Fahrweise desjenigen zu tolerieren, der mit dem Fahrrad vor Ihnen herfährt. Das mag aus Windschutzscheibenperspektive oft arg weit links anmuten, aber es gibt berechtigte Gründe, auch ohne parkende Autos eher in der Mitte der Spur zu fahren statt ganz rechts „durch die Gosse“: Gullydeckel, Hydranten, Streusplitt und anderer Dreck, kleine Schlaglöcher und vieles mehr werden hinter dem Lenkrad oft gar nicht richtig wahrgenommen; auf dem Fahrrad sind es tückische Fallen, die sich häufig in der äußerst rechten Fahrbahnzone befinden. Es ist auch in Ihrem Interesse als Autofahrer, wenn der Radfahrer vor Ihnen nicht plötzlich stürzt und auf der Fahrbahn liegt. Akzeptieren Sie es, wenn das Fahrrad „mitten auf der Straße“ fährt. Das ist auch keine Behinderung des Verkehrs, denn erstens ist Radverkehr ebenfalls Verkehr, zweitens wird die durch den Beifahrersitz bedingte Überbreite von PKW auch nicht als Verkehrsbehinderung gewertet (zugegeben, das war polemisch), und drittens (jetzt wieder ernsthaft) ist ein Überholen sowieso nur mit ausreichendem Sicherheitsabstand zulässig! Falls nur die scharf rechte Fahrweise des Fahrrades dem Auto das Überholen ermöglicht, zeigt dies nur, dass das Einhalten des Abstandes nicht möglich und somit der Überholvorgang sowieso nicht erlaubt ist!
Sicherheit einfordern
Mit einer Fahrweise nicht zu weit rechts hat man es auf dem Fahrrad also ein bisschen selbst in der Hand, ob man zu eng überholt wird oder nicht. Fahre ich auf der Brücke über die Eisenbahn Richtung Sinzig Ost mit dem Fahrrad hart rechts, werde ich erfahrungsgemäß meist regelwidrig knapp überholt, manchmal sogar bei Gegenverkehr! Das hat schon zu manch brenzliger Situation geführt. Fahre ich weniger weit rechts, gar mittig in der Spur, können Autos nur überholen, wenn kein Gegenverkehr kommt und halten dabei öfter Abstand. Falls nicht, habe ich dann mit dem Fahrrad immer noch die Möglichkeit, notfalls nach rechts auszuweichen.
Ähnliches gilt in Kreisverkehren; dort ist schlicht kein Platz, um unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes mit einem zweispurigen Fahrzeug (PKW, Transporter, LKW) ein einspuriges Fahrzeug (Fahrrad, Motorrad) zu überholen. Trotzdem kann man immer wieder beobachten, dass genau dies versucht wird, wenn das Fahrrad entsprechend einladend fährt. Leider fahren in Kreisverkehren sehr viele Leute mit dem Fahrrad unvernünftig weit rechts, während mit Autos und (ebenfalls einspurigen) Motorrädern ganz selbstverständlich die Fahrspurmitte genommen wird. Die Mühlenbachstraße ist übrigens nicht nur zu eng zum Überholen; es gilt dort sowieso Schrittgeschwindigkeit.
Liebe Autofahrer: Auf nur wenigen Straßen ist genug Platz, um ein Fahrrad zu überholen, wenn gleichzeitig ein anderes Fahrrad entgegenkommt. Dennoch wird dies immer wieder praktiziert, wenn das zu überholende Rad hart rechts fährt („Der andere kann ja ebenfalls weiter rechts fahren!“). Liebe Radfahrer: Mit einer Fahrweise nicht ganz so weit rechts tragen Sie also auch zur Sicherheit entgegenkommender Radfahrer bei! nders als zur Zeit oft dargestellt, ist der Sicherheitsabstand beim Überholen von Fahrrädern keine neue Regel. Der einzige Unterschied ist, dass die StVO bisher einen „ausreichenden“ Abstand vorschrieb, und dieser in mehreren Gerichtsurteilen als 1,5 bis 2 m definiert wurde. Seit April dieses Jahres sind nun 1,5 m innerorts (2 m außerorts) auch in der StVO festgelegt. Nichts neues also. Dieser Abstand ist unter anderem wegen plötzlich notwendiger Ausweichbewegungen aufgrund der oben erwähnten Hindernisse (Schlaglöcher usw.) nötig. In den Unfallmeldungen heißt es oft „zog ohne erkennbaren Grund plötzlich nach links“; aber meist gibt es diesen Grund durchaus, er ist nur eben vom Autositz aus nicht ersichtlich. Weiterhin gibt es, besonders bei ungeübten Personen, oft unvorhersehbare Lenkerbewegungen, die die Balance auf dem einspurigen Fahrrad stabilisieren. Auch plötzliche Windstöße beeinflussen die Geradeausfahrt. Nicht zuletzt kann der von großen Fahrzeugen verursachte Luftzug bei zu engem Überholabstand zum Sturz führen. Dass hier massives Umdenken erforderlich ist, erlebe ich oft, wenn ich als Autofahrer ein vor mir fahrendes Fahrrad wegen mangelnder Platzverhältnisse nicht überhole, und dann hinter mir jemand ungeduldig hupt.
Apropos hupen: Haben Sie auf dem Rad keine Angst vor hupenden Autos: Wer hupt, hat Sie gesehen und wird Sie nicht mehr „übersehen“. Hupende Autofahrer möchte ich daran erinnern, dass laut StVO innerorts nur bei Gefahr gehupt werden darf. Die Hupe ist kein Beschwerdeinstrument; tatsächliche Gefahren werden meist durch Bremsen beseitigt, nicht durch Hupen.
Apropos Sichtbarkeit
Nicht zu weit rechts fahren ist auch eine Maßnahme, die eigene Wahrnehmbarkeit auf dem Fahrrad zu verbessern. Gerade auf Landstraßen wird ja oft empfohlen, äußerst weit rechts zu fahren. Wozu? Damit (s. o.) regelwidrig eng überholt werden kann? Fahren Radfahrer eher in Fahrspurmitte, verschmelzen sie nicht mit den vertikalen Strukturen am Straßenrand. Auch animiert ein auf der Spur vorausfahrendes Fahrrad eher zu verlangsamtem Herannahen als ein hart rechts fahrendes Rad, an dem man mal eben so vorbeifahren will anstatt regelgerecht mit der gebotenen Aufmerksamkeit zu überholen. Auch innerorts wird man besser wahrgenommen, wenn man nicht am Fahrbahnrand klebt. Achten Sie beim Autofahren doch einmal darauf, welchen Teilen der Straße an Einmündungen Ihre Aufmerksamkeit gilt: man guckt (insbesondere nach links) eher in Fahrspurmitte, ob „alles frei“ ist, und nicht an den äußersten Rand. Es heißt auf dem Fahrrad also: dort fahren, wo man auch wahrgenommen wird! Das größte Hindernis dabei sitzt im Kopf: unberechtigte Angst. Denn die überwiegende Mehrheit der Autofahrer nimmt tatsächlich Rücksicht und beabsichtigt keineswegs, in Unfälle mit Fahrrädern verwickelt zu werden.
Nikolai Mette
Fahrrad AG
im Bürgerforum Sinzig
