Ein Stück Fritzdorfer Historie existiert nicht mehr - Geschichte fast aller Vereine mitgeprägt
Schwalbensaal in Fritzdorf wurde abgerissen
Besitzerfamilie Byhahn ist seit fünf Generationen mit dem Gebäudekomplex verbunden
Ließem. Ein Stück Fritzdorfer Historie existiert nicht mehr. Der „Schwalbensaal“ in der Schmiedegasse 15 hat die Geschichte der meisten Vereine des Ortes mitgeprägt, jetzt wird der Saal der Gaststätte „Zur Schwalbe“ abgerissen, um Platz zu machen für ein privates Wohnhaus. „Für die Fritzdorfer Vereine wird es höchste Zeit, dass der geplante Anbau an die Turnhalle schnellstens ermöglicht wird“, weist Ortsvorsteher Joachim Heinrich auf die problematische Situation der Vereine hin, denen mit dem Schwalbensaal eine wichtige Veranstaltung- und Begegnungsstätte genommen werde. Er hoffe, dass der Gemeinderat dafür die notwendigen Weichen stellen werde.
Schwer gefallen ist die Abrissentscheidung auch der Familie Byhahn, deren Geschichte schon seit fünf Generationen mit dem Gasthaus „Zur Schwalbe“ und dem Schwalbensaal verbunden ist. Doch der Zahn der Zeit habe stark an dem Gebäude genagt, das ohnehin schon seit einem Jahr nicht mehr für öffentliche Veranstaltungen zur Verfügung stand. Silvester 2012 habe die Karnevalsgesellschaft Grün-Gelb Fritzdorf hier die letzte große Party abgehalten. Die bisherige Eigentümerin Maria Byhahn ließ das Gebäude mittlerweile auf Sohn Andreas umschreiben, der sich allerdings noch nicht ganz sicher ist, was dort künftig entstehen soll - auf jeden Fall aber ein privates Gebäude und kein neuer Saal. Vermutlich werde es ein Wohnhaus, sagte er.
Geschichte reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert.
Die Geschichte des Gasthauses „Zur Schwalbe“ reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Die kleine Gastwirtschaft ist etwa 130 Jahre alt und wurde von Franz Nelles wohl um 1880 errichtet, ein genaues Datum ist nicht bekannt. Nelles war 1879 Mitbegründer des Männergesangvereins „Concordia“ Fritzdorf, der in diesem Jahr seinen 135. Geburtstag feiert. Die Vereinsgründung sei Anlass gewesen, für die Chorproben einen geeigneten Raum zu schaffen, erinnert sich Hermann Byhahn. Nelles habe sich dazu bereit erklärt, für den MGV ein Probenlokal zu errichten, das auch als Gastwirtschaft genutzt werden konnte. Es war allerdings ein kleines Gebäude, lediglich so groß wie der jetzige Thekenbereich der Gaststätte. Dort wurden auch tatsächlich etwa 130 Jahre lang den Chorproben des MGV abgehalten, und fast jeder Fritzdorfer Verein hielt hier seine Jahreshauptversammlung und diverse Vorstandssitzungen ab.
Etwa um das Jahr 1900 sei die Gastwirtschaft an Phillip Schüller verkauft worden, den Bruder der Großmutter der heutigen Besitzerin Maria Byhahn, und damit in die Familie gelangt. Zunächst führte Regina Schwalb, eine Großmutter von Maria Byhahn die Gastwirtschaft. 1936 übernahmen dann Marias Eltern, Karl-Josef und Margarete Schäfer, das Gasthaus und vergrößerten das ursprüngliche Gaststättengebäude noch vor den Zweiten Weltkrieg auf seine jetzige Größe. Während des Zweiten Weltkrieges sei die Gaststätte als Lazarett genutzt worden, erinnert sich Maria Byhahn, die hier ihr ganzes Leben verbracht hat. Später hätten die Amerikaner im Mai 1945 eine Offiziersküche eingerichtet. Ursprünglich seien die Speisereste einfach achtlos weggeworfen worden, erinnert sich Maria Byhahn, bis ihre Mutter Margarete Schäfer die Amerikaner davon überzeugt habe, dieses Essen in einer mehr als kargen Zeit doch an die zahlreichen Evakuierten aus dem zerbombten Bonn zu verteilen, die in Fritzdorf eine vorübergehende Bleibe gefunden hatten.
Schlägereien einst an der Tagesordnung.
Nach dem Krieg habe es fast regelmäßig bei Tanzveranstaltungen Schlägereien gegeben, doch eine ist Maria Byhahn bis heute in Erinnerung geblieben. 1951 habe eine Gruppe von Mastenstreichern Quartier in Fritzdorf bezogen, um die Strommasten in der Gemarkung zu reparieren und neu anzustreichen. Natürlich habe es da das eine oder andere Techtelmechtel mit Fritzdorfer Mädels gegeben, und bei einer Tanzveranstaltung seien sich die Fritzdorfer jungen Männer mit den Mastenstreichern in die Haare geraten, es habe sich eine wüste Schlägerei entwickelt. Bis eines der Mädchen aus Verzweiflung gerufen habe: „Hört endlich auf, da ist doch schon einer tot“ - was natürlich nicht gestimmt habe, obwohl einer tatsächlich bewusstlos auf dem Boden lag. Dennoch hätten sich die Kontrahenten so erschrocken, dass sie sofort auseinander gelaufen seien und der Streit damit beendet war.
Den Namen „Gasthaus zur Schwalbe“ erhielt das Gebäude übrigens erstmals 1958, als das Ensemble komplett renoviert war und man zum Schmiedegassenfest einen passenden Namen gesucht habe. Weil das Gasthaus bis dahin mit der Familie Schwalb verbunden war und darüber hinaus auch noch ein halbes Dutzend Schwalbennester am Haus gewesen seien, habe der Name nahe gelegen.
Tischtennisclub brauchte eine Spielstätte
Bis 1977 habe Karl Josef Schäfer das Gasthaus geführt und 1971 auch den heutigen Schwalbensaal angebaut, eigentlich um dem Tischtennisclub eine Trainings- und Spielstätte zu geben. Der TTC war nämlich 1958 gegründet worden und benötigte ebenfalls eine größere Bleibe, weil das Jugendheim mittlerweile zu klein geworden war für die sportlich sehr erfolgreiche Mannschaft. Doch die Planung war anscheinend alles andere als optimal, denn der TTC hat nur kurz in dem Saal gespielt, weil zum einen der Fußboden nicht tischtennisgeeignet und die Decke zu niedrig war, zudem entsprachen die sanitären Anlagen nicht den Vorgaben des Verbandes. So mussten die Tischtennisspieler in die Turnhalle nach Niederbachem ausweichen, bis die Fritzdorfer Mehrzweckhalle eingeweiht wurde.
Anschließend zog der Schwalbensaal jahrein, jahraus bei Faschingssitzungen, Tanzveranstaltungen, Dorfereignisse und der jeweils dreitägige Kirmes nicht nur die Bewohner des Ortes, sondern auch zahlreiche Gäste von außerhalb nach Fritzdorf. Viele bekannte Namen gaben sich hier ein Stelldichein, unter anderem war der ehemalige Bundespräsident Karl Carstens 1974 Schirmherr der 1200-Jahr-Feier von Fritzdorf, während der nachmalige Bundeskanzler Konrad Adenauer in seiner Zeit als Kölner Oberbürgermeister regelmäßig am Schwalbensaal vorbei fuhr, weil er seinen Bruder Johannes (1873-1937) besuchte. Der war nämlich viele Jahre Kaplan in Fritzdorf und eng mit der Familie Cremerius vom Sommersberger Hof befreundet.
Fritzdorfer Karneval besser als in Köln
Als die Karnevalssitzungen in früheren Jahrzehnten noch groß aufgezogen worden waren, musizierten hier unter anderem die Höhner, die Paveier, die Räuber und das „Fussich Julchen“. So manche Ehe sei bei den zahlreichen Veranstaltungen im Saale angebahnt worden, schmunzelt Hermann Byhahn, und die Stimmung sei immer hervorragend gewesen. Nicht umsonst seien zahlreiche Bonner Hauptstadt-Journalisten regelmäßig zu den Fritzdorfer Sitzungen geeilt. Damals habe es geheißen: „Der Karneval hier ist besser und echter als in Köln“, wie der ehemalige ZDF-Chefkorrespondent Gustav Trampe, ein regelmäßiger Besucher, einst festgestellt haben soll. -JOST-
Fundstück bei den Abrissarbeiten: Das Schild von 1983, mit dem der Schwalbensaal als Hofburg von Prinz Hermann I. (Byhahn) und Kinderprinz Markus I. (Byhahn) gekennzeichnet wurde.
Das Ehepaar Maria und Hermann Byhahn mit Hund Sammy in den Ruinen des Schwalbensaales. Fotos: -JOST-
