Politik | 04.12.2023

Interview mit David Bongart, Projektleiter für das Nachhaltige Tourismuskonzept Ahrtal 2025

Ahrtal: Zwischen Wiederaufbau und der Schaffung von Attraktionen

könnte eine Hängebrücke als Verbindung von Rotweinwanderweg und Ahrsteig bei Walporzheim aussehen. Foto: PlannIng.plus

Kreis Ahrweiler. Wiederaufbau und Neustart des Tourismus an der Ahr. Dem stellt sich der Ahrtal-Tourismus mit dem neuen Konzept Ahrtal 2025. Blick aktuell sprach mit Projektleiter David Bongart über Ziele und Strategien.

BLICK aktuell: Nachhaltiges Tourismuskonzept Ahrtal 2025 – haben Sie sich in Ansicht der Realität im Tal nicht mit der Jahreszahl vertan?

David Bongart: Die Jahreszahl 2025 symbolisiert einen Meilenstein für das langfristige Ziel des nachhaltigen Tourismus im Ahrtal. Es ist wichtig, bereits vor diesem Zeitpunkt konkrete Schritte zu unternehmen, um die Region für Besucher und Bewohner attraktiver zu gestalten. Gleichzeitig ist sich der Ahrtal-Tourismus bewusst, dass bis 2025 nicht alles zu 100 Prozent fertiggestellt sein kann. Aber wenn wir uns nicht frühzeitig auf den Weg macht, Ziele und Meilensteine zu definieren, dann werden wir noch weiter abgehängt. Man muss immer mit bedenken, dass das Ahrtal im Grunde seit 2019 kein normales touristisches Jahr mehr erlebt hat. Während andere Regionen sich nach Corona wieder positionieren konnten, wurde das Ahrtal im Sommer 2021 durch die Flut komplett aus dem Wettbewerb geworfen. Daher galt und gilt es auch immer noch, trotz der widrigen Umstände, den Anschluss zu wahren und sich gleichzeitig für die Zukunft stark und gut aufzustellen. Neben diesen Besonderheiten im Ahrtal resultiert die Jahreszahl im Titel des Projekts aber auch aus der Zugehörigkeit zum Land Rheinland-Pfalz über die Verbundenheit zur Landestourismus-Organisation, der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH. Die Strategie zahlt auf die Landesstrategie ein, die ebenfalls das Jahr 2025 im Titel trägt.

BLICK aktuell: Ende 2025 soll die Ahrtalbahn wieder komplett fahren. Was läuft dann schon bei Ihnen? Welche Nahziele sind dann erreicht?

David Bongart: Die Wiederinbetriebnahme der Ahrtalbahn bis Ende 2025 ist ein bedeutendes Nahziel. Bereits jetzt laufen Vorbereitungen und infrastrukturelle Maßnahmen, um die Region auf diese Wiedereröffnung vorzubereiten. Dies wird dazu beitragen, die Attraktivität des Ahrtals als Reiseziel zu steigern und die Mobilität in der Region zu verbessern. Neben der Wiederherstellung der Bahnstrecke ist dieses Zeil auch bedeutend für die Wiederherstellung des Ahrtal-Radwegs. Viele Brücken, die nun neu errichtet werden, sind gleichzeitig auch die Brücken für den neuen Radweg.

BLICK aktuell: Papier ist geduldig, ihr Konzept postuliert ein starkes Wir-Gefühl im Tal. Merken sie nicht, dass die Menschen zweieinhalb Jahre nach der Flut auch müde sind? Müde der Probleme, müde des Wartens. Das zermürbt das beste Wir.

David Bongart: Die Herausforderungen nach der Flut sind zweifellos belastend. Das Konzept zielt jedoch darauf ab, durch konkrete Maßnahmen und gemeinsame Anstrengungen das Wir-Gefühl zu stärken und die Erschöpfung der Menschen anzuerkennen. Es soll dazu beitragen, durch konkrete Schritte neue Perspektiven zu schaffen. Das erfordert noch viel Kraft und Geduld von allen. Umgekehrt haben einzelne Bausteine des Projekts auch vielen wieder neue Kraft und eine Vision geschenkt, somit kann man die gemeinsam erarbeiteten Leitprojekte und Strategien auch als Motivation für den Wiederaufbau betrachten. Dies hat auch die Kampagne „We Ahr Open“ gespiegelt, die neben der Reichweite und Aufmerksamkeit in den Quellregionen des Ahrtal-Tourismus, zusätzlich auch das Wir-Gefühl gestärkt hat.

BLICK aktuell: Das Konzept spricht von konkreten Nachhaltigkeitsprojekten, von Neupositionierung. Werden sie doch mal konkret.

David Bongart: Nachhaltigkeit ist kein isoliertes Projekt und sollte es auch nie sein. Die Konzeption konzentriert sich auf die konkrete Einbindung von den drei Nachhaltigkeitssäulen (Ökonomie, Ökologie und Soziales) bei der Neupositionierung der Region. Wenn heute über neue touristische Projekte gesprochen wird, dann sind automatisch auch die Themen Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Digitalisierung Bestandteil aller Varianten. Als niederschwelliges Angebot hat der Ahrtal-Tourismus, resultierend aus den Workshops, bereits erste Leitfäden und Möglichkeiten zur Selbsteinschätzung erstellt. Diese können übrigens von jedem über den Ahrtal-Tourismus angefordert werden. Ein wichtiger Baustein wird auch die Zertifizierung des Ahrtals als nachhaltiges Reiseziel sein. Dieses Projekt wird aktuell konkretisiert und auf Machbarkeit geprüft. Diesem könnten sich die einzelnen Betriebe, wenn wir es erfolgreich umgesetzt bekommen, dann anschließen. Für die Zukunft wird eine Zertifizierung und eine Dokumentation von Nachhaltigkeitsaktivitäten für die Gäste selbstverständlich sein. Speziell Firmenkunden, die wir für das Tagungsgeschäft im Fokus haben, werden auf Grund der eigenen Nachhaltigkeitsziele verstärkt Angebote suchen, die diesen eigenen Zielen entsprechen. Damit ist man als nachhaltig zertifizierter Anbieter heute noch leicht im Vorteil, in der nahen Zukunft wird es aber als Standard vorausgesetzt.

BLICK aktuell: Wenn im Konzept festgestellt wird, wie wichtig Wandern und Radfahren im Ahrtal sind, ist das aber nun wirklich nicht neu. Nur, dass man es vielleicht anders anpackt. Aber wie?

David Bongart: Wandern und Radfahren sind zwar etablierte Aktivitäten im Ahrtal, jedoch soll deren Potenzial durch innovative Ansätze und verbesserte Infrastruktur weiterentwickelt werden. Das beinhaltet möglicherweise neue Routen, digital gestützte Angebote oder verbesserte Serviceleistungen für Besucher und Einheimische. Als neue Routen sind beispielsweise zusätzlichen Schleifen für den Rotweinwanderweg und den AhrSteig geplant. Darüber hinaus gibt es den Ansatz von naturnahen und attraktiven Rastplätzen an den Wander- und Radwegen, eventuell ergänzt um die Möglichkeit dort auch kulinarische Angebote in Anspruch zu nehmen.

BLICK aktuell: Die Idee von Hängebrücke und Skywalk gab es schon vor der durch die Flut geplatzten Landesgartenschau. Ist der Wiederaufbau nicht wichtiger als Projekte, die es andernorts sowieso schon gibt. Sollte die Ahr nicht durch Einzigartigkeit glänzen.

David Bongart: Die Idee von Hängebrücken und Skywalks kann die Attraktivität der Ahr-Region steigern, jedoch ist der Wiederaufbau der allgemeinen Infrastruktur nach der Flut ebenso von höchster Priorität, aber nicht die direkte Aufgabe des Ahrtal-Tourismus. Das Ziel ist, ein Gleichgewicht zwischen dem Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und der Schaffung einzigartiger, attraktiver Merkmale zu finden, die die Ahr als besondere Destination hervorheben. Natürlich wäre es nicht die erste Hängebrücke, die in einer touristischen Region entsteht, daher wurde in den Workshops und auch seitens des Gutachters sehr genau überlegt, wann und an welcher Stelle im Tal solche Angebote Sinn machen. Der nun durch den Gutachter favorisierte Standort in der Höhe der Bunten Kuh hat einen echten Mehrwert. Neben der Verbindung des AhrSteigs und des Rotweinwanderwegs, ist diese Brücke gleichzeitig auch ein optisches Highlight in dieser einzigartigen Ahrschleife.

BLICK aktuell: Im Konzept finden sich die Ahr-Thermen wieder, stehen Donnerstag auf der Tagesordnung einer Sondersitzung des Stadtrates.

David Bongart: Bad Neuenahr ohne eine Therme ist für den Ahrtal-Tourismus nicht vorstellbar. Dieses Fazit hat auch der Gutachter, Jan Kobernuß, in seinem Endbericht gezogen. Jetzt kann man darüber diskutieren, in welcher Form und an welcher Stelle die Ahr-Thermen sich zukünftig präsentieren. Aus Sicht der Tourismus-Organisation sollte die Frage schnellstmöglich geklärt werden, um nicht weitere Zeit zu verlieren. Auch wenn Thermen in der Regel nicht ohne jährliche Defizite zu betreiben sind, so muss man immer die sekundären Wertschöpfungsstärken einer solchen Einrichtung mit einkalkulieren. Zusätzlich ist es auch ein Imagefaktor, der den Standort Bad Neuenahr und damit das gesamte Ahrtal definitiv aufwertet und von potenziellen Gästen mit zum Buchungsimpuls führt. Die Therme in ihrer alten Form am alten Standort gehörte zu den besucherstärksten Angeboten im Tal.

BLICK aktuell: Und braucht das Tal wirklich ein Flutmuseum? ICCA, also International Crisis Center Ahr, hört sich zwar spannend an, wäre im Ergebnis aber nichts anderes als die Bundesakademie in Ahrweiler? Und die gibt es seit mehr als 50 Jahren. Eine Katastrophe für touristische Zwecke zu nutzen, dürfte nicht allen Menschen im Tal passen.

David Bongart: Der Ahrtal-Tourismus hat sich früh mit dem Thema Flutmuseum, unabhängig von dem ICCA, beschäftigt. Es muss ein Platz zum zentralen Gedenken geschaffen werden, der aber auch gleichzeitig die Solidarität und den Wiederaufbau dokumentiert. Aus diesem Grund wurde bereits eine Machbarkeitsstudie mit dem renommierten Atelier Brückner erstellt. Gerade die Diskussionen der letzten Tage zeigen, dass hier ein Bedarf besteht. Gleichzeitig könnte ein zentraler Anlaufpunkt auch den dezentralen Wildwuchs an potentiellen Gedenkorten eingrenzen. Nicht jeder Bürger und Gastgeber ist noch motiviert, die Geschehnisse der Flutnacht zu schildern oder an jeder zweiten Ecke darauf aufmerksam gemacht zu werden, aber die Gäste, die uns besuchen, haben Fragen dazu. Was nicht bedeutet, dass die Gäste nur aus diesem Grund das Tal besuchen und das sollte auch nie die Intention eines Flutmuseums sein. Vielmehr steht das Konservieren der Ereignisse, sowohl für die Bevölkerung als auch für Gäste und das neutrale Informieren über die Flutnacht dabei im Vordergrund. Der Ahrtal-Tourismus begrüßt es sehr, dass die Kreisverwaltung Ahrweiler eine Machbarkeitsstudie für die Idee des ICCA beauftragt hat und wir befinden uns auch in einem engen Austausch. Am Ende kann ein gut konzeptioniertes ICCA als eine Säule des Angebots das Flutmuseum enthalten. Wie bei allen Projekten wird es hier am Ende des Tages von der Umsetzbarkeit und damit verbunden von der Finanzierung abhängen, welche Variante in welcher Form realisiert werden kann.

Zur Person:

David Bongart aus Bad Neuenahr-Ahrweiler ist seit Sommer 2022 als Projektleiter Tourismuskonzept beim Ahrtal-Tourismus tätig. Der 47-jährige ist ausgewiesener Vertrieb- und Marketingexperte und verfügt über eine langjährige Berufserfahrung im Gastronomiebereich und der Weinwirtschaft. Unter seiner Leitung entstand das Nachhaltige Tourismuskonzept Ahrtal 2025, dessen Endbericht zum Jahresbeginn 2024 erwartet wird.Das Interview führte

Günther Schmitt

GS

David Bongart ist Projektleiter des Ahrtal-Tourismus für das Nachhaltige Tourismuskonzept Ahrtal 2025.  Foto: GS

David Bongart ist Projektleiter des Ahrtal-Tourismus für das Nachhaltige Tourismuskonzept Ahrtal 2025. Foto: GS

könnte eine Hängebrücke als Verbindung von Rotweinwanderweg und Ahrsteig bei Walporzheim aussehen. Foto: PlannIng.plus

Leser-Kommentar
09.12.202318:01 Uhr
Jan Gebhardt

Bla bla bla, mehr kann ich da nicht lesen. Danke für die kritischen Fragen. A little less talk, a little more Action, please.

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