Stadtrat beschäftigt sich mit dem Nadelöhr bei Heimersheim

Bundesstraße 266 soll am Bahnhof Heimersheim nur noch halb so breit werden wie vor der Flut

„Arbeitskreis Fluthilfe“ hatte sich umfangreiche Gedanken gemacht - Bahnhof Heimersheim soll nach Lohrsdorf verlegt werden - weiterer Bahnhaltepunkte in Heppingen gewünscht

Bundesstraße 266 soll am Bahnhof Heimersheim
nur noch halb so breit werden wie vor der Flut

Die Bundesstraße 266 soll am Bahnhof Heimersheim nur noch halb so breit werden wie vor der Flut. Foto: Archiv ROB

02.11.2022 - 09:12

Kreisstadt. Wichtig genug für eine eigene Sitzung des Stadtrats von Bad Neuenahr-Ahrweiler war die zukünftige Gestaltung des Bereiches entlang der Ahr zwischen Heppingen und Lohrsdorf. Mit dem Thema hatte sich der „Arbeitskreis Fluthilfe“ aus Heimersheim unter der Leitung von Kurt Wolter und Cornelia Schlagwein zusammen mit dem dortigen Ortsbeirat intensive Gedanken gemacht und überlegt, wie man die Situation insgesamt verbessern könne. „Das ist ein außerordentliches und sehr fruchtbares Engagement der Bürgerschaft“, lobte Bürgermeister Guido Orthen (CDU). Die Ergebnisse trug Arbeitskreis-Mitglied Robert Füllmann dem Stadtrat vor, ergänzt von Verbesserungsvorschlägen durch Alfred Bach vom städtischen Planungsstab Aufbau. Der Stadtrat stimmte den darin gemachten Vorschlägen in fast allen Punkten einstimmig zu, nur bezüglich der künftigen Linienführung der Ortsumgehung Lohrsdorf gab es sechs Gegenstimmen der Grünen.


Kreisstadt ist nicht Herr des Verfahrens


Wobei Orthen gleich zu Beginn deutlich machte, dass die Stadt eigentlich gar nicht Herr des Verfahrens sei. Deshalb gelte es, viel Überzeugungsarbeit zu leisten: „Wir müssen deutlich machen, dass es für viele Menschenleben wichtig ist, wie dieser Bereich künftig gestaltet wird, um gemeinsam Gehör zu finden.“ Der Stadtrat werde jedoch keinesfalls eine 1:1-Wiederherstellung von Bahnlinie und Bundesstraße hinzunehmen. Das sah nicht nur der CDU-Fraktionsvorsitzende Christoph Kniel ähnlich: „Es ist von besonderer Bedeutung, dass wir in Richtung der übergeordneten Behörden und Institutionen ein sehr einheitliches und starkes Signal setzen, um zielgerichtet weiterzukommen und keine weitere Zeit zu verlieren - im nachvollziehbaren Interesse unserer Bürger.“

Ob die Bundesstraße 266 künftig nur noch auf drei Spuren ohne Standstreifen oder auf zwei Spuren mit Standstreifen verschmälert werden soll, ließ das Gremium zunächst offen, das sei letztlich Sache der Verkehrsplaner. Unumgänglich sei jedoch ein signifikanter Rückbau der Bundesstraße im Straßenabschnitt zwischen der Kloster-Prüm-Straße und dem Ortsbezirk Heppingen um mindestens die Hälfte der bisherigen Breite, also von bislang 25 auf höchstens 12,50 Meter. Dadurch würden auch zwei Auf- und Abfahrtsrampen obsolet, die von einem Kreisel ersetzt werden könnten. Derzeit sucht der Landesbetrieb Mobilität nach einer Lösung, wie die zum Teil zerstörte Rampe zur Auffahrt in Richtung Bad Neuenahr zumindest provisorisch wiederhergestellt werden könnte.


Eigene Brücke für den Rad- und Fußverkehr


Völlig abgekoppelt werden soll der Rad- und Fußverkehr, der künftig die B266 nicht mehr kreuzen und lediglich die auch als Kreisstraße fungierende Kloster-Prüm-Straße queren müsste. Die Radler und Fußgänger sollen dann nämlich über eine neu zu errichtende Brücke geführt werden, die parallel zur bestehenden Ahrbrücke die Stadtteile Heimersheim und Green mit Lohrsdorf und Ehlingen sicher verbinden würde.

Damit die Ahr auch auf der Nordseite mehr Platz zu ihrer Ausbreitung gewinnen könnte, wäre es erforderlich, den Bahnhaltepunkt Heimersheim weg vom ehemaligen Bahnhofsgebäude und stattdessen hin zum Ortseingang Lohrsdorf zu verlegen. Die dafür notwendige Zuwegung sei bereits gegeben und ausreichend Möglichkeiten für Parkplätze vor Ort vorhanden. Das würde auch den Wiederaufbau der völlig zerstörten Fußgängerbrücke auf Höhe des Heimersheimer Bahnhofs überflüssig machen. Stattdessen könnte ein zusätzlicher Bahnhaltepunkt in Heppingen entstehen, denn dann könnte der mittlere Bahnsteig am bisherigen Bahnhof Heimersheim entfallen und so die die Gleise enger zueinander verlaufen. Selbst vor dem Bergmassiv der Landskrone macht man nicht halt und schlägt den Rückbau von Weinbergflächen auf dem Bergrücken vor, womit die L80 noch näher an den Berg heranrücken würde. Unterhalb der Autobahn 571 soll zudem ein Durchlassbauwerk geschaffen werden, um einen Wasserablauf aus der Ehlinger Senke zu ermöglichen. Fußgänger und Radfahrer sollen dieses Bauwerk in trockenen Zeiten nutzen können.


Leichtigkeit des Verkehrs hat nicht mehr oberste Priorität


Alles in allem dürfe die „Leichtigkeit des Verkehrs“ nicht mehr die oberste Priorität besitzen, so Füllmann. „Unsere Generation hat die einmalige Chance, aber auch die Pflicht, Fehler der Vergangenheit zu beseitigen, zumindest zu verkleinern.“ Ergänzt wurde die Ausarbeitung des „Arbeitskreises Fluthilfe“ von Stadtplaner Alfred Bach. Bezüglich der Ortsumgehung Lohrsdorf will er zurück zu den ursprünglichen Planungen mit direkter Anbindung an die A571, womit auch eine Neufestlegung der FFH-Naturschutzbereiche einher gehe, die sich nach der Flut ohnehin neu entwickeln müssten. Dieses Ansinnen lehnten jedoch sechs Ratsmitglieder der Grünen ab, wobei Fraktionschef Wolfgang Schlagwein ohnehin stark bezweifelte, dass solche Pläne überhaupt eine Chance auf Genehmigung hätten.

Alle anderen Maßnahmen wurden einstimmig vom Stadtrat befürwortet. „Es geht um vielfältige, für die Bürger wichtige und zukunftsorientierte Festlegungen. Als Überschrift steht die Schaffung einer möglichst großen Durchflussbreite der Ahr am Engpass des Bahnhaltepunktes Heimersheim, wo sich leider auf schreckliche Weise gezeigt hat, dass dieses Nadelöhr verheerende Folgen verursacht hat“, sagte CDU-Fraktionschef Christoph Kniel in seiner Stellungnahme. Wie alle anderen Fraktionschefs dankte er dem „Arbeitskreis Fluthilfe“, der sich sehr intensiv mit der Gesamtthematik für Heimersheim und darüber hinaus für die benachbarten Ortsbezirke befasst und sehr konkrete Vorschläge unterbreitet habe. Wichtig für seine Fraktion sei die Klärung der Ersatzbahnhaltepunkte im Westen von Lohrsdorf und in Heppingen, womit neben dem Westen von Heimersheim, Gimmigen und Heppingen auch der Johannisberg eine bessere Bahnerschließung erfahren würde. Wesentlich für die Durchflusserweiterung sei jedoch der Rückbau der Bundesstraße 266. Kniel hielt es für unabdingbar, im Zuge der Planungen für das Gesamtquartier die überfällige Ortsumgehung Lohrsdorf wirklich zeitnah mit anzugehen. „Seit Jahrzehnten hoffen die Bürger auf Realisierung, und auch der Stadtrat hat auf unsere Initiative hin mehrfach die Notwendigkeit und Reduzierung der Bund und Land angemahnt.“


Kompromiss zwischen Verkehr und Hochwasserschutz


„Vom Ziel her denken“ wollte Grünen-Fraktionschef Wolfgang Schlagwein: wenn man in zweieinhalb Jahrzehnten die Klimaneutralität erreichen und ein nachhaltiges Verkehrssystem etablieren wolle, müsse der Pkw-Verkehr halbiert und stattdessen der ÖPNV, der Radverkehr und der bedarfsgeleitete Verkehr gestärkt werden. „Deshalb wird die eine oder andere Straße künftig zurückgebaut werden müssen“, sagte er voraus. Ein Beispiel sei die B266, deren Breite an der Engstelle durchaus halbiert werden könne. Damit werde ein guter Kompromiss zwischen den Verkehrserfordernissen und dem Hochwasserschutz erreicht. „Die Straße darf aber auf keinen Fall mehr als drei Spuren haben“, bekräftigte er.

SPD-Fraktionsvorsitzender Werner Kasel lobte das positive Zusammenwirken zwischen konstruktiver Bürgerbeteiligung und Aufgeschlossenheit der Kommune bei der Bewältigung großer Problemlagen. „Besonders positiv überzeugt der ganzheitliche Ansatz in der Betrachtung des künftigen Hochwasserschutzes und der bestmöglichen Vermeidung von Gefahren, der komplexen Verkehrsinfrastruktur und das Denken über mehrere Stadtkerne hinweg.“ Entscheidend sei aus der Sicht der SPD der Gewinn von Durchflussbreite für die Ahr und damit der Schutz von Menschenleben im Falle von Flutereignissen großen Ausmaßes. Gleichwohl seien auch die Aspekte der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf einer Bundesstraße mit überörtlicher Verkehrsbedeutung zu berücksichtigen. Kasel plädierte zwar für einen zweistreifigen Ausbau mit Standstreifen und wies auf die guten Erfahrungen „rund um den Nürburgring“ hin. Er konnte sich aber letztlich damit anfreunden, die konkrete Gestaltung offenzulassen, solange es bei der Halbierung der bisherigen Straßenbreite bleibe.


Vorfahrt für die Ahr zum Schutz von Menschenleben


Alfred Förner (FWG) fand, die Beschlüsse bedeuteten einen konkreten Beitrag für die Verbesserung des Hochwasserschutzes in den östlichen Stadtteilen. „Ein Ziel, dem andere Aspekte unterzuordnen sind!“ Zudem verschlechtere die Verlegung des Haltepunktes Heimersheim in östlicher Richtung, ergänzt durch einen neuen Haltepunkt in Heppingen, die Situation für die Heimersheimer Bahnnutzer nur unwesentlich, verbessere sie aber zugleich für die meisten Heppinger sowie für die Lohrsdorfer und die Ehlinger Bahnfahrer. „Eine wirkliche WIN-WIN-Situation“. Der Rückbau der B266 sei ebenfalls unabdingbar: „Hochwasserschutz muss hier Vorrang haben, verbunden mit dem Hinweis, dass die Engstelle bei der Flut möglicherweise Menschenleben gekostet hat.“ Nahezu logisch ergebe sich hieraus für den hoffentlich baldigen Bau der Ortsumgehung Lohrsdorf ebenfalls eine zweispurige Lösung nach den ursprünglichen Plänen. Alles in allem verschlechterten die Beschlüsse die Situation der Autofahrer nicht wirklich, trügen jedoch zu einer deutlichen Verbesserung der Situation für die Bahnfahrer, Radfahrer und Fußgänger und gleichzeitig den Hochwasserschutz bei.

„Vorfahrt für die Ahr zur Sicherheit und zum Schutz von Menschenleben“, so sah FDP-Fraktionschef Rolf Deißler die Entscheidung. Es gelte, die Fehler der Vergangenheit zu beheben und andere Lösung zu finden, dabei müssten aber alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden. Allerdings sah er Probleme auf das Ahrtal zukommen bei einer längeren Störung auf der Ahrtalbrücke. Dr. Jürgen Lorenz (Wählergruppe Jakobs) wies darauf hin, die Ergebnisse des „Arbeitskreises Fluthilfe“ hätten gezeigt, wie wichtig es sei, auf die Bevölkerung zu hören. „Ein gutes Beispiel dafür, wie regionale Politik gemacht werden kann.“ Martin Kallweitt (AfD) schließlich wies darauf hin, dass er schon im Juli eine Verlegung des Bahnhofs Heimersheim und einen weiteren Haltepunkt in Heppingen gefordert habe und freute sich, dass dies wohl nun auch von den anderen Fraktionen so gesehen werde.

JOST

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