Am 24.10.2023
PolitikGutachten der Staatsanwaltschaft liegt den Fraktionen des Kreistages noch nicht vor - BLICK aktuell hat dennoch nach ersten Einschätzungen gefragt
Flut: „Kein Zweifel, dass der damalige Landrat eine erhebliche Schuld trägt“
Kreis Ahrweiler. Das von der Staatsanwaltschaft Koblenz im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Auftrag gegebene 228 Seiten umfassende katastrophenschutztechnische Gutachten zur Flut 2021 im Ahrtal liegt den Kreistagsfraktionen noch nicht vor. Eine kurze Zusammenfassung zum Inhalt gibt es lediglich aus der in den Medien publizierten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Koblenz. Darin teilt die Staatsanwaltschaft Koblenz mit, dass die von dort vorzunehmende Bewertung „aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Ermittlungen einige Zeit in Anspruch nehmen“ wird und „bis dahin die Staatsanwaltschaft keine weitere Einschätzung zur Sache abgeben wird, auch keine vorläufige“. Dennoch hat BLICK aktuell die Fraktionsvorsitzenden im Kreistag um eine erste Einschätzung gebeten, auch wenn sie mangels des Gutachtens nicht ins Detail gehen können. Hier die ersten Antworten der Fraktionen. Weitere Stellungnahmen stehen urlaubs- und krankheitsbedingt noch aus und werden nachgereicht.
Hans-Josef Marx (FWG)
Hans-Josef Marx (FWG) weist daraufhin, „dass der Kreis- und Umweltausschuss (KUA) in seiner Sitzung am 12.Dezember2022 als Reaktion auf die nach der Flut – und somit lange vor Existenz des von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachtens - bekannt gewordenen Abläufe des kreisinternen Flut-Krisenmanagements die Erstellung eines Brand- und Katastrophenschutzkonzeptes für den Kreis durch einen externen Anbieter in Auftrag gegeben hat“.
Des Weiteren habe der Kreistag am 10. März2023 im Rahmen des Haushaltsplanes für das Jahr 2023 insgesamt 5,5 Personal-Stellen für die Bildung einer Stabsstelle für den Brand- und Katastrophenschutz in der Kreisverwaltung bewilligt. Marx: „Die zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe im Kreishaus befindliche technische Einsatzleitung des Kreises wurde laut Landrätin Cornelia Weigand übergangsweise bei der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler untergebracht, wo übergangsweise auch ein Katastrophenschutzlager eingerichtet wurde.“ Über die aktuellen Sachstände sowohl zum Katastrophenschutzkonzept als auch zum Aufbau der Stabsstelle und zur technischen Einsatzleitung werde sich der KUA in seiner nächsten Sitzung am 13. November 2023 von der Verwaltung informieren lassen.
Christoph Schmitt (SPD)
Christoph Schmitt (SPD) erklärt: „Klar ist, dass der Kreis Ahrweiler im Katastrophenschutz unzureichend aufgestellt war. Daher hat die SPD Fraktion gemeinsam mit CDU und FDP im Kreistag bereits im Frühjahr 2022 die Initiative ergriffen und die Landrätin aufgefordert, den Katastrophenschutz neu zu bewerten und in einem Gesamtkonzept für die kommenden Jahre zusammenzuführen. Dabei sollten sowohl Fragen der Ausrüstung aber ebenso der Aus- und Weiterbildung sowie des erforderlichen Personaleinsatzes zur Planung und Umsetzung der Einzelmaßnahmen berücksichtigt werden. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auch auf die zeitnahe Aufstellung von Alarm- und Einsatzplänen gelegt werden. In einer der kommenden Sitzungen der Kreisgremien werden wir den aktuellen Sachstand erfragen und auf eine zeitnahe Umsetzung unseres Antrages hinwirken.“
Wolfgang Schlagwein (Grüne)
Wolfgang Schlagwein (Grüne) bezieht wie folgt Stellung: „Dass bis zur Flutkatastrophe im Landkreis Ahrweiler ein unzureichendes Einsatzführungssystem für den Ernstfall vorgehalten wurde, daran habe ich keinen Zweifel. Ich habe auch keinen Zweifel, dass der damalige Landrat daran eine erhebliche Schuld trägt. Ob dies zu einer Verurteilung reicht, müssen aber die Gerichte entscheiden. Unter der neuen Landrätin ist der Landkreis heute bestrebt, den Aufbau- und Ablauforganisatorischen Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes auf eine neue Grundlage zu stellen. Er wurde auf 5,5 Stellen aufgestockt, seit dem 1. August 2003 in einem neuen Stab zusammengefasst und direkt der Landrätin zugeordnet. Damit ist ein erster und wichtiger Schritt getan.“
Ulrich van Bebber (FDP)
Ulrich van Bebber (FDP): „Eine fundierte Beurteilung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Den in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft getroffenen Aussagen können wir jedoch nur voll zustimmen. Zum einen war der Katastrophenschutz in seiner Gesamtkonzeption und -organisation strukturell bei weitem nicht auf eine Katastrophe dieses Ausmaßes ausgelegt. Selbst wenn alles optimal funktioniert hätte, wäre es zu unnötig hohen Schäden und vermutlich vermeidbaren Verlusten an Menschenleben gekommen. Alles war zu klein gedacht. Zum anderen haben auf der operativen Ebene die Systeme, die eigentlich vorgesehen waren, nur teilweise funktioniert. Das lag, um es klar zu sagen, nicht an den freiwilligen Helfern, die ihr Bestes und mehr gegeben haben.“
Es sei aber zu kurz gegriffen, den Blick nur auf den Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler zu richten. Mindestens genauso in der Verantwortung stünden die Ebenen über dem Kreis, also die ADD und das Land. Auch hier habe es gravierende Versäumnisse in der Struktur und in der operativen Umsetzung gegeben.
„Jetzt kommt es aber auch darauf an, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen“, so van Bebber. „FDP, CDU und SPD haben dazu im Kreistag bereits im März 2022 die Kreisverwaltung beauftragt, ein neues Konzept für den Brand- und Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler zu erarbeiten. Damit sollte unverzüglich begonnen werden. Im Dezember 2022 hat die Landrätin dann den KUA um Zustimmung gebeten, ein externes Beratungsunternehmen mit der Erstellung dieses Konzeptes zu beauftragen. Obwohl noch keine Ergebnisse vorlagen, bewilligte der Kreistag im Haushalt 2023 zusätzlich 5,5 Stellen für eine neue Stabsstelle „Brand- und Katastrophenschutz“, die direkt bei der Landrätin angesiedelt ist. Diese ist eingerichtet, die Stellen sind zum Teil bereits besetzt. Die Erarbeitung des Konzeptes sollte im Wesentlichen im ersten Halbjahr 2023 erfolgen. Bisher wurden dem Kreistag jedoch keine Ergebnisse vorgelegt. Die FDP wird daher beantragen, dass in der nächsten Sitzung des KUA über den Sachstand berichtet wird.“ GS
Interessieren würde mich, wie diese Fraktionen abgestimmt hätten, wenn der frühere Landrat vor der Flut vorgeschlagen hätte, so viele neue Stellen für den Katastrophenschutz einzurichten und damit auch zu finanzieren. Und welche Initiativen und Anträge aus den Reihen dieser Fraktionen zum Thema Katastrophenschutz und Bevölkerungswarnung vor der Flut gestellt wurden. Wenn ich mir das Kreistagsinformationssystem anschaue, habe ich nicht den Eindruck, dass aus dieser Richtung vor der Flut schon viel gekommen ist. Und die weitere Frage erlaube ich mir: Wenn solche Stellen im August 2023 besetzt werden (ich nehme an 2003 ist ein Fehler im Bericht), ist dann da auch über 2 Jahre nach der Flut genau nichts passiert? Kreistagsfraktionen müssten außer Sachstandsberichten doch auch mehr hinbekommen.