
Am 03.02.2025
PolitikBrohltal-Bürgermeister Johannes Bell redete sich im Sinziger Stadtrat beim Thema Bürokratie in Rage
Gemeinsamer Kampf für Gewerbeflächen an der A 61
Sinzig. Eine in der Ära von Bürgermeister Andreas Geron liebgewonnene Tradition ist im Sinziger Stadtrat fortgesetzt worden. Erstmals im Jahr 2019 hat im Stadtrat ein Bürgermeister einer Nachbarkommune ein Grußwort an das Gremium gerichtet. Zurückliegend wurden die Bürgermeister aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, Remagen sowie der Verbandsgemeinden Unkel, Linz und Bad Breisig jeweils in der ersten Sitzung eines neuen Jahres Begrüßt. Diesmal war es Johannes Bell, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Brohltal, der nach der Kreisstadt zweitgrößten Gebietskörperschaft des Kreises Ahrweiler.
Ansteckendes Kopfschütteln
Bell ging in seiner Grußadresse auf ein Monster ein, das landauf, landab in allen Kommunen sein Unwesen treibt: die Bürokratie. Und warf gleich einen Blick auf die Bundestagswahl: „Ich bin gespannt auf den von allen Parteien zum wiederholten Mal angekündigten Bürokratieabbau, den ich in 17 Jahren als Bürgermeister noch nicht erlebt habe.“ Bell blieb nicht bei allgemeiner Schelte, sondern ging ins Detail. So kritisierte er aufwendige Einzelvergaben von Bauleistungen, denn Generalunternehmer sind in Rheinland-Pfalz nur beim Wiederaufbau erlaubt. Beispiel des Bürgermeisters war der Neubau eines achtgruppigen Kindergartens in Niederzissen. In Nordrhein-Westfalen baut ein Unternehmer aus dem Brohltal „schlüsselfertig und maßgeschneidert beste Gebäude und 20 Kilometer südlich der Landesgrenze im eignen Heimatort darf er das nicht“. Bells Kopfschütteln ob dieses Umstandes war ansteckend.
Dito bei einem weiteren Beispiel. An der Autobahnabfahrt Industriegebiet Brohltal-Ost gibt es auf dem Parkplatz eine Schranke zum Industriegebiet, die nur im Notfall von Feuerwehr oder Polizei geöffnet werden darf. Konsequenz: Lastzüge aus dem Industriegebiet, die Richtung Köln wollen, müssen einen Umweg von zehn Kilometern fahren. „Anderswo sind riesige Investitionen erforderlich, um positive Effekte für die Umwelt und Emissionsschutz zu erzielen, hier bedarf es nur einer Ausnahmegenehmigung von einer Regelung durch das Bundesverkehrsministerium“, machte Bell seinem Ärger über das Monster Bürokratie Luft. Und kündigt einen gemeinsamen Kampf mit Andreas Geron an, denn bei Erfolg ergeben sich auch für Sinzig Möglichkeiten für gewerbliche Flächen an der Autobahn 61.
Land in der Kritik
Und auch Mainz bekam sein Fett weg: Da ging es um bessere Bezuschussung von Projekten in den Bereichen Schule, Kitas oder Feuerwehr, bei denen für die Förderung „viele Kosten nicht anerkannt oder deutlich veraltete Kostensätze oder Preise zugrunde gelegt werden“. Johannes Bell, der sonst eher nicht aus der Ruhe zu bringen ist, teilt aus: „Mangelnde Finanzierung von wichtigen Infrastrukturprojekten durch das Land bringt unsere Kommunen an den Rand der Leistungsfähigkeit oder stürzt sie bereits in den Abgrund.“ Deutliche Worte im Sinziger Ratssaal, die auch ohne die immer noch ausstehende Beschallungsanlage als Ruf nach Monster-Jägern verstanden wurden, und irgendwie an einen Auftritt von CDU-Legende Wolfgang Bosbach in Marienthal erinnerten: „Politiker, die von schneller und unbürokratischer Hilfe sprechen, lügen.“.
„Genug in Rage geredet“, fand Bell und räumte auch mit einer Befürchtung in Sinzig auf. Dabei geht es um die Diskussion der Umwandlung der Realschule plus in Niederzissen in eine Integrierte Gesamtschule (IGS). „Eine IGS in Niederzissen hat keine negativen Auswirkungen auf die Realschule plus der Stadt Sinzig“, machte Bell klar. Aber die Möglichkeit auch im Brohltal Abitur zu machen schaffe Entlastung , „da die Übergangsquote auf Gymnasien auch im Kreis Ahrweiler kontinuierlich steigt und auf die 60-Prozent-Marke zugeht“.
„Hut ab vor Leistungen“
Aber auch ein Kompliment ging an die Sinziger Politik. „Es gibt Gott sei Dank noch Menschen, die bereit sind, sich für ihre Mitmenschen zu engagieren“, sagte Bell in Richtung Stadtrat. Dies auch, weil die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche kommunalpolitische Arbeit von vielen schon in Richtung Schmerzensgeld tituliert werde. Und in Richtung seines Kollegen Geron fand Bell: „Es ist nicht leicht, Bürgermeister einer flutbetroffenen Kommune zu sein, vor allem auch wenn man auch persönliches Opfer der Flut ist, ich beneide die Kollegen an der Ahr in keiner Weise. Ich kenne meinen Arbeitsalltag und die Zeit, die ich bei geregelten Verhältnissen aufwenden muss. Deshalb Hut ab, vor dem, was hier von Bürgermeister, Kommunalpolitikern aber auch von der Verwaltung geleistet wird und geleistet werden muss.“ Und seinem Kollegen Geron wünschte er für die anstehende Bürgermeisterwahl einen Mitbewerber, „denn es ist leichter Wahlkampf mit einem Mitbewerber als mit und gegen sich selbst“ zu machen. Die öffentliche Ausschreibung der Bürgermeisterstelle brachte der Rat übrigens im Verlauf der Sitzung auf den Weg. Interessierte Bewerber können sich also melden.