Wer wird der nächste Bürgermeister der Verbandsgemeinde Brohltal?
Johannes Bell und Frank Klapperich stehen zur Wahl
Die Bürgerinnen und Bürger der Verbandsgemeinde Brohltal haben die Wahl: Am 23. April wird ein neuer Bürgermeister gewählt. Zur Wahl stehen Amtsinhaber Johannes Bell (FWG) und sein Herausforderer Frank Klapperich (SPD). Die beiden kamen nun gemeinsam zum Redaktionsgespräch ins Krupp-Medienzentrum nach Sinzig.
Sinzig. Susanne Tack begrüßt die beiden Kontrahenten und bittet sie, sich zunächst kurz vorzustellen. Johannes Bell ist 55 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Der Diplom-Verwaltungswirt ist seit 16 Jahren Bürgermeister der Verbandsgemeinde Brohltal. Frank Klapperich ist 52 Jahre alt, verheiratet, hat ebenfalls zwei Kinder und ein Enkelkind. Der Bautechniker beim Landesbetrieb Mobilität ist seit 2009 Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Spessart sowie Fraktionssprecher der SPD im Verbandsgemeinderat.
Wie die beiden den Status Quo der Verbandsgemeinde Brohltal sehen, will Susanne Tack wissen. Die Verbandsgemeinde „als solche“ stehe „ganz gut da“, antwortet Frank Klapperich. Besonders wirtschaftlich läuft es. Der Verbandsgemeinderat habe „gute Weichen“ gestellt, so Klapperich, und „gute Entscheidungen“ für die Bürgerinnen und Bürger getroffen.
Er habe vor 16 Jahren ein „gut bestelltes Feld“ von seinem Amtsvorgänger übernommen, sagt Johannes Bell. Bis heute „haben wir viel erreicht“. Die Verbandsgemeinde Brohltal sei eine Region, in der man gut leben und gut arbeiten könne.
„Diesen Weg gilt es, weiter fortzuschreiten“
Aber es gibt doch sicherlich Verbesserungspotenziale? „Wir sind bei vielen Dingen auf einem guten Weg“, so Johannes Bell. „Diesen Weg gilt es, weiter fortzuschreiten“, im Bereich Wohnbebauung, im Bereich gewerbliche Ansiedlung oder bei Schulen und Feuerwehren. In den 16 Jahren seiner bisherigen Amtszeiten seien 30 Millionen Euro investiert worden. Aber auf dem Erreichtem wolle er sich nicht ausruhen. In der Breitbandversorgung beispielsweise sei man „bereits gut unterwegs“, aber das Ziel sei Glasfaser bis ans Haus in allen Orten der Verbandsgemeinde.
Im Bereich Tourismus wünscht sich Herausforderer Klapperich „schlüssigere Konzepte“, auch wenn man da mit „den anderen beiden Verbandsgemeinden schon gut unterwegs“ sei. Er macht aus, dass die Gastronomen immer weniger werden. Daher müsse man sehen, auch für diese Unternehmen das Brohltal attraktiv zu halten, sonst gebe es am Ende viele Rad- und Wanderwege, jedoch keine Möglichkeit, irgendwo einzukehren. Bei der Digitalisierung setzt er auf ein Netz für die Gemeinden, um schneller an Daten zu kommen. Diese Art der Arbeit sei schneller und umweltfreundlicher. Beim geplanten gemeinsamen Feuerwehrhaus für Kempenich, Engeln und Spessart sei viel Zeit vergangen.
Schmetterling verzögert Bau von Feuerwehrhaus
Johannes Bell will dazu etwas sagen: „In die Zukunft gerichtet unterschreibe ich so alles mit.“ Aber man solle doch berücksichtigen, dass man im Tourismus die einzige Region in Rheinland-Pfalz sei, die mit anderen, nämlich den Verbandsgemeinden Pellenz und Mendig, zusammengegangen sei zur „sagenhaften Vulkanregion Laacher See“ - landesweit werde man dafür als Modellregion gelobt. Dennoch gebe es dort „weitere Aufgaben“. Beim Bereich Digitalisierung erinnert der Verbandsbürgermeister an das Online-Zugangsgesetz: In ganz Rheinland-Pfalz sollen die Verwaltungsdienstleistungen online gestellt werden. Das sollte bis Ende des Jahres sein.“ Dass dieser Zeitplan nicht eingehalten wurde, sei kein Versäumnis der Kommunen. Bei der gemeinsamen Unterbringung der Feuerwehren Kempenich, Engeln, Spessart sei ein Flächennutzungsplan erforderlich. Auf dem Gelände wurde mit dem Ameisenbläuling ein seltener Schmetterling gefunden worden, der zu Verzögerungen führte. „Da wäre ich gerne weiter“, aber der Naturschutz müsse auch berücksichtigt werden. Die Kontroverse geht weiter und verliert sich in Details, dass Susanne Tack zum nächsten Thema übergeht. Die beiden sind sich hierbei definitiv nicht einig.
Mehr Arbeitsplätze als vergleichbare Verbandsgemeinden
Beleuchten wir den Wirtschaftsstandort VG Brohltal. Im Brohltal gibt es „erstaunlich viele große Unternehmen“, so Susanne Tack. Ja, darauf sei man stolz, sagt Johannes Bell. An Arbeitsplätzen haben man etwa ein Drittel mehr aufzubieten als vergleichbare Verbandsgemeinden. Das sei nicht an einem Ort gebündelt, sondern über einige Orte verteilt. Das sei ein „Erfolgsweg“, so Bell, aber dennoch will er den Blick in die Zukunft gerichtet halten, um auch weiterhin Unternehmen Ansiedlungsmöglichkeiten zu bieten.
Frank Klapperich bestätigt, „wirtschaftlich sind wir sehr gut aufgestellt“. Nicht nur in Brohltal-Ost, sondern auch in kleineren Gebieten sei das spüren. „Im Allgemeinen kann man unterstreichen, dass sich die Verbandsgemeinde Brohltal mit den Unternehmen, die sie hat, glücklich schätzen kann.“
Viele Zuzügler auch aus NRW
Ansiedlung von Unternehmen ist die eine Sache, überlegt Susanne Tack. Aber wie findet und hält man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die man braucht? Wie kann man es schaffen, das Brohltal als Arbeitnehmer-Standort attraktiver zu machen? „Ich glaube, wir sind gar nicht so unattraktiv“, antwortet Frank Klapperich. Er berichtet von Zuzüglern aus NRW, die Arbeitsplätze fanden und gleichzeitig auch im ländlichen Raum wohnen wollten. „Wenn ich einen Arbeitsplatz innerhalb von drei bis zehn Kilometern erreichen kann, ist das schon ein ganz großer Vorteil gegenüber anderen Regionen.“
Wie sieht es insgesamt mit der Wohnbebauung aus? Johannes Bell nennt 17 Neubaugebiete in der Verbandsgemeinde. Das ist zugleich eine Herausforderung, wissen die Politiker, etwa bei der Bereitstellung von Kindergartenplätzen.
„Das müssen wir angehen“
Kommen wir noch einmal zum Tourismus. Johannes Bell berichtet von der rheinland-pfälzischen Modellregion mit dem Zusammenschluss dreier Verbandsgemeinden beim Tourismus. Die Touristeninformation in Maria Laach sei „sehr erfolgreich“. Bei den Hotels und Gaststätten gibt er seinem Herausforderer recht, hier gebe es Verbesserungspotenzial, „das müssen wir angehen“.
Frank Klapperich will das Radwegenetz besser aufgestellt wissen. Wenn man in drei Gebietskörperschaften touristisch unterwegs sei, sollten auch Radwege entsprechend vorhanden sein. Das wünscht er sich auch für Wanderwege. Die gebe es auf den jeweiligen Gebieten – aber nicht verknüpft. „Das touristische Radwegekonzept ist auf den Weg gebracht“, wirft Johannes Bell ein.
Dienstgeschäfte für Ortsbürgermeister digitalisieren
Ganz anderes Thema: Wie ist die Verwaltung aufgestellt und wo sollte man nachbessern? Frank Klapperich berichtet von einer Ortsbürgermeisterdienstbesprechung vor gut zehn Jahren, bei der man forderte, Dienstgeschäfte, die die Ortsbürgermeister angehen, zu digitalisieren. Das verkürze Zeiten, Wege und sei angenehmer für Beschäftigte. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass viele Dinge digital erledigt werden können. Für die Verwaltung will er auch über das Thema „Desk Sharing“ (Beschäftigte haben keinen eigenen Schreibtisch mehr) nachdenken. So könne man mehr Effizienz erreichen, einmal bei der Gebäudebewirtschaftung und bei auch bei der Attraktivität als Arbeitgeber.
„Das muss zentral angegangen werden“
Johannes Bell hebt eine „sehr gut ausgebildete, qualifizierte Mannschaft“ in der Verwaltung hervor. „Wir haben eine sehr motivierte Verwaltung“, die eine Qualität leiste, die kreisweit anerkannt werde. Bei der Digitalisierung wird er deutlich: „Es kann aus meiner Sicht nicht Aufgabe der Verbandsgemeinde Brohltal sein, einen Bauantrag, einen Hundesteuerantrag zu digitalisieren.“ Hier warte man auf Vorgaben des Landes, „das muss zentral angegangen werden“.
Haben die beiden konkrete Ideen, vielleicht sogar Visionen? Wollen sie neue Projekte anstoßen? „Das ist eine schwierige Aufgabe“, bekennt Frank Klapperich. An Infrastruktur habe die Verbandsgemeinde genügend, „was ja auch bewirtschaftet werden muss“. Guten Ideen will er sich nicht verschließen, aber im Moment gebe es „genügend Sachen, die man stemmen muss“, wie etwa die Sanierung des rollenden Denkmals Brohltal-Eisenbahn.
Johannes Bell knüpft an den Vorredner an. Das Projekt Brohltal-Eisenbahn sei mit zehn Millionen Euro das größte, das bislang in der Verbandsgemeinde umgesetzt wurde – mit 85 Prozent Landesförderung.
Zustand der Straßen „katastrophal“
Bevor es zur Abschlussfrage geht, will Johannes Bell noch den Zustand der klassifizierten Straßen im Brohltal „ist katastrophal. Da muss dringend etwas passieren!“ Und prompt entsteht eine Diskussion, wer denn verantwortlich ist und ob der Rat auf den zuständigen Landesbetrieb einwirke könne. Oder muss dieser tätig werden, bevor Handlungsbedarf angemeldet wird? Die Essenz aus diesem Dialog: Klapperich und Bell sind sich bei diesem Thema nicht einig.
Wie sieht die Verbandsgemeinde nach der Amtszeit aus?
Letzte Frage von Susanne Tack: Wo wird der Schwerpunkt des Verbandsbürgermeisters nach der Wahl liegen? Und: Wie sieht das Brohltal in acht Jahren, also nach der nächsten Wahlperiode aus?
„Die Arbeit wird weitergehen“, so Johannes Bell. Er wünscht sich eine friedliche Welt, keine Umweltkatastrophen und dass die Bevölkerung wieder so ist wie vor der Pandemie was Zusammenhalt, Zufriedenheit und Gemeinsinn angeht.
Frank Klapperich sieht seine „erste Hauptaufgabe“ nach der Wahl, sofern er gewählt wird, die Jugendarbeit stärker zu positionieren. Das könne nicht die alleinige Aufgabe der Vereine sein. Er will einen Fahrplan für die VG erarbeiten, klimaneutral zu werden. In acht Jahren will er überregionale Rad- und Wanderwege haben und als Wirtschaftsstandort die Verbandsgemeinde Brohltal immer noch als attraktiven Standort wissen.
Text / Foto: WPA
Hinweis der Redaktion: In der Print-Version dieses Redaktionsgespräches waren im Absatz „Dienstgeschäfte für Ortsbürgermeister digitalisieren“ die Standpunkte der Kandidaten vertausch. Dieser Fehler wurde nun korrigiert. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.