Pecher Winterakademie
Kritischer Vortrag über die Entwicklung in der Medizin
Pech. Den ersten Vortrag des dritten Zyklus der diesjährigen Pecher Winterakademie hielt Dr. Jürgen von Düsterlho mit dem Thema: „Quo vadis Medizin - Wollen wir Patient oder Kunde des Arztes sein?“ Mehr als 100 Zuhörer fanden den Weg in die Pecher Evangelischen Kirche zu diesem interessanten Thema. Neben den großen Fortschritten in der Medizin in den letzten 20 bis 30 Jahren wies Dr. von Düsterlho darauf hin, dass es durchaus auch einige negative Entwicklungen gibt. Besonders in den Krankenhäusern nehmen in den letzten Jahren durch Budgetdeckelungen einerseits und Kostensteigerungen andererseits durch Personal- und Verbrauchskosten (Strom, Wasser, Öl etc.) die Finanzierungsprobleme zu. So wurde darauf hingewiesen, dass alleine zwischen 2011 und 2012 die Zahl der defizitären Krankenhäuser in Deutschland von 32 Prozent auf 54 Prozent gestiegen ist. Wenn Kosten in Krankenhäusern gespart werden müssen, findet das vor allem auf dem Personalsektor statt. Die Einsparungen im Pflegebereich führen zu einer großen Unzufriedenheit bei den verbleibenden Schwestern und Pflegern durch Arbeitsüberlastung und dem Gefühl, sich dem Patienten nicht mehr wie erwartet widmen zu können. Das Finanzierungssystem mit sogenannten DRG-Gruppen muss infrage gestellt werden. Angebotene Mehrleistungen von Operationen auf vielen Gebieten und von invasiven Untersuchungen führen zur Verunsicherung der Patienten, erläuterte Dr. von Düsterlho an Beispielen und unter Bezug umfangreicher Literaturzitate. Auch viele sogenannte Vorsorge- oder Screening-Untersuchungen sollten nach neuen Erkenntnissen, bezüglich ihrer Sinnhaftigkeit auf den Prüfstand gestellt werden. Aber auch die Einschätzung zur Eigenverantwortung der Patienten fand bei den Zuhörern große Zustimmung. Der Referent wies darauf hin, dass Eigenschädigungen von Jugendlichen, z.B. durch Komasaufen und Schalltraumata in Diskotheken, ständig zunehmen und es in der Verantwortung von Eltern und Erziehern, aber auch der Politiker liege, darüber aufzuklären und Maßnahmen zur Verhinderung zu ergreifen. Durch mangelnde Bewegung und zu wenig Sport nimmt in Deutschland die Ausdauerleistung bei Kindern und Jugendlichen pro Jahrzehnt um sechs Prozent, in USA und Kanada sogar um acht Prozent ab, wie von Düsterlho anhand großer Studien nachwies. Ein weiterer wichtiger Punkt des Vortrags war die Rolle der überwiegend profitorientierten Pharmaindustrie, die immer mehr Einfluss in der medizinischen Forschung und in der Therapieempfehlung durch von Pharmafirmen bezahlte Ärzte bis in den Universitätsbereich hinein nimmt. Für Werbung wird von der Pharmaindustrie z.Z. bereits mehr Geld als für Forschung ausgegeben. Sogar neue Krankheiten werden erfunden, um durch entsprechende Steigerung der Medikamentenverschreibung Profite zu maximieren, erläutert Dr. von Düsterlho anhand von Beispielen. Wenn sogar Medikamente im Wert von 13 Milliarden Euro, die verordnet und von den Kassen bezahlt wurden, von den Patienten nicht eingenommen und für 19 Milliarden falsche oder unwirksame Medikamente verordnet werden, so kann man sehen, wie hoch auch dort das Einsparpotenzial wäre. Zum Schluss empfahl der Referent den Gästen des Heimatvereins einen kritischen Umgang mit Medienberichten und den umfangreichen Angeboten der modernen Medizin. Es spricht für den Vortragenden, dass ein großer Teil der Zuhörer anregte, das Thema aufgrund der Bedeutung und der Komplexität in die Planungen für den nächsten Zyklus aufzunehmen.
