Wachtberg war viel römischer als vermutet
Neues Römerbild skizziert
Wachtberg. Ein für viele Wachtberger neues „Römerbild“ skizzierte jetzt die Archäologin Dr. Jennifer Morscheiser-Nibergall vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege bei ihrem mit Karte und Bildern anschaulich unterlegten Vortrag über die „Römer in Wachtberg“.
Bisher ging man allgemein eher von einer Handvoll großer Gutshöfe aus, den sogenannten „villae rusticae“, die im Wachtberger Siedlungsraum schwerpunktmäßig in Niederbachem, Berkum, Adendorf und Villip lagen. Dagegen entwarf die Wissenschaftlerin das Szenario eines Netzes von etwa 54 solcher „Farmen“ - jeweils um die 500 Meter voneinander entfernt, die sich aus den bisherigen mehr als 120 Fundpunkten herauskristallisieren. Wachtberg gehörte damit zu der „Kornkammer“ der beiden Legionslager in Bonn und Remagen. Allein in Bonn mussten damals rund 6000 römische Legionäre versorgt werden.
Problem „Raubgräber“
Morscheiser-Nibergall sprach auf Einladung der Gemeinde im Rahmen des Projektes „Römisches Rheinland 2014“ im Hotel Dahl vor mehr als 50 Zuhörern und gab einen gut strukturierten Überblick über den aktuellen Wissenstand. Sie zeigte aber auch aktuelle Probleme der von vielen „zertifizierten“ Freiwilligen unterstützten Denkmalpfleger auf, die sich zunehmend mit gut organisierten und mit modernen Sonden ausgestatteten Raubgräbern konfrontiert sehen. Wachtberg lag zwar nicht unmittelbar an den großen Römerstraßen, war aber an der Schnittstelle zwischen Bonn und Remagen eine wichtige Versorgungseinheit und damit Teil des damals weltumspannenden römischen Wirtschaftsraums. So gehörten Töpferwaren aus der Provence und Delikatessen wie Austern von den fernen Küsten zum Standard in den besseren Häusern im römischen Rheinland.
Konkrete Grabungen stehen aus
Was in Wachtberg bisher fehlt, sind eingehende Grabungsergebnisse, die die früher eher zufällig gemachten, heute durch moderne Methoden auch ohne Grabungen zumindest identifizierbaren Objekte detailliert aufdecken und bestimmen. Das gilt für das Netz der Straßen wie für die „Villen“ und die anderen Siedlungsspuren, zu denen natürlich auch zahlreiche Brunnen, wie die beiden in den 1970er Jahren bei Villip im Auskiesungsgebiet gefundenen Exemplare gehören. Zu vermuten, bisher aber nicht gefunden ist im Übrigen auch ein Abzweig der aus der Eifel führenden großen Kölner Wasserversorgung. Herausragende Fundstücke sind die bei Berkum aufgefundenen Matronensteine. Mehr als hundert dieser im Rheinland stark vertretenen Schutzgöttinnen sind bekannt, die Berkumer Göttin ist an keinem anderen Ort vertreten. Steine aus diesem Fund waren während der gerade zu Ende gegangenen Wachtberger Römerwoche im Rathausfoyer ausgestellt. Sie werden nun als Dauerleihgabe im Niederbachemer Heimatmuseum gezeigt.
Klein-Villiper „burgos“ als Weltkulturerbe
Bevor sie abschließend noch ausführlich auf die gut zwei Dutzend Fragen einging, berichtete Dr. Jennifer Morscheiser-Nibergal von der spannenden Notgrabung an der Straße zwischen Villip und Arzdorf. Dort musste in diesem Sommer nach illegalen Grabungsaktivitäten die Fundsituation eines zum niedergermanischen Limes gehörenden Kleinkastells (burgos) systematisch aufgenommen und abschließend erschlossen werden. Die Wissenschaftlerin bittet in diesem Zusammenhang, sich mit Informationen über möglicherweise illegale „Schatzsucher“ unmittelbar an sie zu wenden unter Tel. (0 22 06) 9 03 00, oder E-Mail: jennifer.morscheiser@lvr.de. Oft reichen kleine Keramik- oder Münzfunde, um wissenschaftlich wichtige Schlüsse zu ziehen. Werden solche Zeugnisse aus dem räumlichen Zusammenhang entfernt, fehlt der Zugang zu den Erkenntnissen. Der „burgos“ bei Klein-Villip könnte für Wachtberg künftig übrigens erhebliche Bedeutung haben. Als Teil der niedergermanischen Grenzbefestigung könnte er einmal zum Weltkulturerbe gehören.
(Dr. Barbara Hausmanns)
Pressemitteilung
der Gemeinde Wachtberg
Gut besucht war der Vortrag im Hotel Dahl über die „Römer in Wachtberg“.
