Allgemeine Berichte | 10.08.2021

Rückblick des Ökovereins Gönnersdorf

Abschied nach 33 Jahren

Gönnersdorf. Wer heute über den „Scheid“ wandert oder spaziert und dort am öko-gestylten „Abfallwirtschaftszentrum“ des Kreises Ahrweiler vorbeikommt, hat höchstwahrscheinlich keine Ahnung, welchen Kampf es gekostet hat, dieses kompakte Zentrum auf 6 ha hier zu bauen statt eine ursprünglich auf 30 ha geplante Kreisdeponie, die einen Großteil des „Scheid“, 300 Jahre alten Wald, Wasserreservoirs, Fauna und Flora großflächig vernichtet hätte.

Genau das war aber die Ausgangslage als Planung des Kreises Ahrweiler im Jahre 1988. Und genau das war der Grund für die Gründung des „Vereins für Landschaftsschutz und Ökologie e.V.“, Gönnersdorf, im selben Jahr, sowie die Formierung von ähnlichen Initiativen in den angrenzenden Gemeinden von Waldorf (Naturschutzgemeinschaft Waldorf), Niederzissen und Brohl-Lützing (Vereinigung Umwelt- und Landschaftsschutz). Heute, 33 Jahre später, ist vergessen, welche Arbeit sich die Bürgerinitiativen damals aufschulterten, um die Planungen des Ingenieurbüros Björnsen für die Deponie zu durchleuchten, – eines Planungsbüros, das im Auftrag des Kreistags über die Kreisverwaltung Ahrweiler sogar empörenderweise auch noch als seine eigenen Planungen beurteilendes und ausführendes Büro funktionierte.

Die Initiativen der Dörfer fanden sich zusammen in einer dann über Jahre hinweg höchst kooperativen ehrenamtlichen Arbeitsgemeinschaft. Man erarbeitete sich in einem Expertenkreis von einem knappen Dutzend besonders Hartnäckiger jeden einzelnen Planungsbereich, sah meterweise Planungsunterlagen auf jedes Detail durch, formulierte Kritiken, schrieb Einwendungen und machte Eingaben an den Kreis - und engagierte schließlich, als der Kreis stur blieb, gemeinsam den Spezialanwalt für Verwaltungsrecht Kall aus Moers, der mit Deponieverfahren viel Erfahrung hatte. Einen langen Atem brauchte es, denn die Politiker im Kreis, besonders die eigentlich zuständigen Grünen, die unbedingt eine alternative Verbrennungsanlage verhindern wollten, hatten Einsichtsprobleme ohne Ende.

Das öffentliche Echo auf den Widerstand war beträchtlich. Eine erste Großdemonstration versammelte sich auf dem Scheid schon 1988, weitere folgten in den Jahren danach. Die evangelische Kirchengemeinde Bad Breisig organisierte Wanderungen auf den Scheid mit Andacht am Ort der geplanten Deponie; einzelne Bürger kauften den Waldbesitzern auf dem Scheid Waldstücke im Deponiebereich ab, um es auf einen Enteignungsprozess ankommen zu lassen. Der Gönnersdorfer Verein verzeichnete 160 Mitglieder. Die anderen Initiativen fast ebenso viele. Die offiziellen Informationstermine des Kreises, die Experten-Anhörungen in den Scoping-Versammlungen, waren ebenso voll wie die der vereinigten Initiativen. Vergessen ist heute, mit welcher Penetranz damals die Björnsen-Ingenieure und die Kreisverwaltung darauf bestanden, alles zu wissen und den Initiativen Uninformiertheit unterstellten; vergessen sind die Einschüchterungsversuche und Maulkörbe für nicht genehme Experten, die von den Initiativen auf eigene Kosten erstellten Gegengutachten. Schon Anfang 1990 sollte ja eigentlich der Deponiebau losgehen.

Das Ziel der widerständigen Initiativen war, durch alle möglichen Aktionen die Umsetzung der Planungen immer wieder hinaus zu zögern, um mögliche politische Veränderungen nutzen zu können. Und die kamen unter der Aegide des damaligen Umweltministers Töpfer mit der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) als Anleitung zum Bundes-Abfallgesetz von 1993. Angesichts der stets steigenden Abfallmengen und der durch unbehandelte Deponierung verursachten enormen Umweltschäden verbot diese Anleitung die Deponierung unbehandelter Abfälle spätestens ab 2005; ab 2020 die Deponierung überhaupt. Noch jahrelang zogen sich die Gerichtsverfahren hin, in denen mehr und mehr nicht-Björnsen Gutachter sich gegen den Deponiebau wandten, – bis dann am 8. Dezember 2000 endlich der Knoten platzte und der Kreistag bei einer Enthaltung beschloss, neue Expertisen in Auftrag zu geben, um die Planungen der inzwischen auch wirtschaftlich-ökonomisch völlig veränderten Lage anzupassen. Schon im Sommer darauf, im Juni 2001, beschloss der Kreistag dann einstimmig, den Deponiebau fallen zu lassen und dafür die erheblich kleinere Umladestation zu errichten, die wir als „Abfallwirtschaftszentrum“ kennen. Dass sich dann alle Parteien des Kreistages beglückwünschten, schon immer das Richtige gewusst oder getan zu haben, war geschenkt.

Den Umweltinitiativen blieb danach noch die Aufgabe, eine kleine Wald-Gedenkstätte für die Rettung des „Scheid“ einzurichten, und in jüngerer Zeit dann auch noch den Rest des Vereinsvermögens der Gönnersdorfer für das Aufstellen stabiler Ruhebänke an den Wanderwegen auf dem „Scheid“ zur Verfügung zu stellen.

Nun, gut 20 Jahre nach dem „Sieg“, sind schon einige der damaligen Kämpfer der ersten Reihe nicht mehr unter uns: der erste Vorsitzende des Gönnersdorfer Vereins, Helmut Kittner, die Förderer Klaus Schäning und Friedhelm Schnittker, der Initiator in Niederzissen, Harald Lüdemann, der eifrige Ludwig Wasserscheidt aus Burgbrohl-Lützing und, nicht zu vergessen, der unermüdliche Rechtanwalt Klaus Kall. Andere sind weit fortgezogen wie das Ehepaar Hennemann nach Österreich, die Gamerschlags nach Berlin. Der Gönnersdorfer Verein, der zur Zeit noch 49 Mitglieder hat, will sich nun, seit 20 Jahren der „Ruhe“, mit der Waldorfer Naturschutzgemeinschaft Vinxtbachtal zusammenschließen. Darüber beschließen muss jedoch eine Mitgliederversammlung, die bisher wegen der Pandemie nicht stattfinden konnte. Es bleibt zu hoffen, dass diese Mitgliederversammlung, die über den beabsichtigten Zusammenschluss entscheiden muss, im Herbst diesen Jahres stattfindet.

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