Kurt Heymann, Nachkomme von Dernauer und Ahrweiler Bürgern

Dem Holocaust mehrfachentkommen: „Ich bin ein Glückspilz“

Dem Holocaust mehrfach
entkommen: „Ich bin ein Glückspilz“

Kurt Heymann (re.) und Micha Adler in Naharija. Foto: privat

Kreis Ahrweiler.Vor wenigen Tagen, am 22. Januar wurde er 95 Jahre. Kurt Heymann, Nachkomme von Ahrweiler und Dernauer Juden schaut auf ein bewegtes Leben zurück. Im Jahr 1927 erblickt er als Sohn des in der Ahrweiler in der Oberhut 33 geborenen Leopold Heymann und Enkel des in Dernau in der Teichgasse geborenen David Heymann das Licht der Welt.

Er ist gerade mal sieben Jahre, als seine Eltern 1934 beschließen, vor den deutschen Nationalsozialismus nach Holland (Den Haag-Voorburg) zu fliehen. Ein Bruder von Mutter Frieda lebte bereits in Buenos Aires und so zog die Familie 1936 weiter von Holland nach Argentinien. Eine glückliche Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. Viele Mitglieder der Familie Heymann, die sich ins vermeintlich sichere Holland geflüchtet hatten, wurden von den Nazi-Schergen nach der Besetzung Hollands im 2. Weltkrieg trotzdem in den Tod getrieben und ermordet.

In Argentinien angekommen, fand der kleine gerade zehnjährige Kurt schnell eine Beschäftigung in einer Pralinienfabrik, obwohl Kinderarbeit eigentlich verboten war. So konnte er etwas Geld für die Familie verdienen und lernte schneller als jeder andere in der Familie die spanische Sprache. Als großer Freund der Musik spielte er mit dem Gedanken, eine Ausbildung als Musiker zu machen, entschied sich aber letztlich für eine Beschäftigung im Uhrenhandel, um ein gesichertes Einkommen zu haben. In späteren Jahren wurde er Geschäftsführer und dann Inhaber des Betriebes.

Im Alter von fast 75 Jahren zog Kurt mit Veronika seiner Frau dann noch einmal in ein anderes Land: Nach Naharija im Norden von Israel, an der Küste des Mittelmeers. Diesmal war der Antrieb noch einmal in ein anderes Land zu ziehen nicht so sehr der Antisemitismus, sondern die allgemeine Sicherheitssituation, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Argentinien immer mehr verschlechtert hatte.

In einem Gespräch mit Micha Adler, Israel und Matthias Bertram, die Kurt im Jahr 2018 bei ihren Recherchen über die Nachkommen der Familie Heymann in Naharija gefunden hatten und mit ihm sprachen, erzählte er seine Lebensgeschichte. Als Resümee hielt Kurt, der vor dem Nazi erst nach Holland, dann nach Argentinien geflohen war, fest: „Ich bin ein Glückspilz“. Welch eine positive Lebenseinstellung.

In gewisser Weise hat er natürlich recht. Viele Menschen aus dem engeren Familienkreis wurden Opfer des Naziregimes und seines menschenverachtenden Rassismus. Eines politischen Regimes, welches erst die Meinungsfreiheit beseitigte und dann die, die anderer Meinung und anderen Glaubens waren.

Vor wenigen Wochen ist Veronika, Kurt Ehefrau mit der er mehr als 70 Jahre verheiratet war, verstorben. Er selbst ist noch bei guter Gesundheit, auch wenn das Sehen und Hören zunehmend Schwierigkeiten macht. Die Geburtstagsgrüße zum 95. Geburtstag nahm er freudig an; den damit verbundenen Wunsch doch die 120 Jahre vollzumachen, lehnte er ab. 119 reichen aus, meinte er. Auch im hohen Alter hat er seinen angeborenen und/oder vererbten rheinischen Humor noch nicht verloren.