An der Ahr entsteht nach der Flut die erste CO2-frei beheizte Gemeinde - Gespräch mit Rolf Schmitt

Der Macher von Marienthal

Der Macher von Marienthal

Flutkoordinator Rolf Schmitt. Foto: WITE

Marienthal. Weit fortgeschritten sind nach der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli vergangenen Jahres die Pläne für ein autarkes Dorfwärmenetz in dem kleinen Ahr-Ort Marienthal. Die Dorfwärme erfolgt CO2-frei über eine mit Pellets betriebene Heizungsanlage. Eine Solarthermie in den Weinbergen unterstützt die Heizung mit 20 Prozent der erforderlichen Heizenergie. Nach Umsetzung wäre Marienthal die erste CO2-frei heizende Gemeinde im Ahrtal. „Vor der Flut betrug der jährliche CO2-Ausstoß in Marienthal 238 Tonnen,“ so der mit seiner Familie in Marienthal wohnende Hochwasser-Koordinator Rolf Schmitt im Gespräch mit BLICK Aktuell. Bei Verlegung der Fernwärmerohre soll der Synergie-Effekt genutzt und gleichzeitig Glasfaser- und Stromleitungen mit verlegt werden. Gleichzeitig hat die Gemeinde Dernau für Marienthal ein Dorferneuerungsprogramm aufgerufen. Im Rahmen dessen wird die Gemeinde Dernau das zentrale Dorfplatz-Grundstück erwerben. Im oberen Bereich, Richtung Kloster, soll das Heizwerk mit Pellets-Lager entstehen. Direkt darunter soll ein „Freundschaftshaus“ entstehen: Dieses Dorfgemeinschaftshaus wird ein Geschenk des Donau-Ries-Kreises (Nördlingen) an den Ort Marienthal sein. Neben Bewirtungsmöglichkeiten und Toilettenräumen soll es in einem kleinen Gastraum Platz für etwa 40 Personen geben. Die Module werden in der Zimmerei Fachschule Nördlingen in Modulbauweise hergestellt, und sollen Mitte 2022 vor Ort montiert werden. Die Finanzierung des Freundschaftshauses erfolgt durch projektgebundene Spenden aus dem Ries.

Dessen Landrat, Stefan Rößle, hat die Schirmherrschaft für dieses Projekt übernommen.

Unterhalb dieser Gebäude soll der Dorfplatz völlig neu gestaltet werden. In diesen wird auch ein neuer Spielplatz integriert. Zu dessen Finanzierung sind ebenfalls bereits zweckgebundene Spenden eingegangen. Der zwischen früherem Kloster und Ahr verrohrte Kratzenbach soll teilweise, über eine Abzweigung, als offener Bach über das Gelände fließen. Zudem sind auf dem Platz zwei sich kreuzende Rebengänge vorgesehen. Gleichzeitig soll am unteren, parallel der Bundesstraße 267 gelegenen Bereich des Dorfplatzes, eine separate Bus-Haltespur eingerichtet werden. Durch diese geringfügige Verkleinerung des Platzes würde gleichzeitig auch Raum für eine Verkehrsinsel, mit Linksabbiegerspur in die Klosterstraße, geschaffen. An der unteren Spitze des Platzes soll ein kleiner Pavillon, zurzeit noch in Nutzung als Waschcenter, mit Terrasse ein Ort der Begegnung für Jung und Alt werden.

Seit der Flut ist der Bundespolizist Schmitt von seiner Dienststelle vorerst bis zum 31. März als Verbindungsperson zur Verbandsgemeinde Altenahr abgeordnet. Dessen Aktivitäten finden auch in den bundesweiten Medien Niederschlag: Ein Beitrag im Deutschlandfunk etwa titelte achtungsvoll: „Rolf Schmitt - der Macher von Marienthal.“ Er selbst sieht sich als Kümmerer für die Menschen im Ort. Marienthal ist derzeit zweigeteilt: 19 der Häuser gehören zu Bad Neuenahr-Ahrweiler, 18 zur Ortsgemeinde Dernau. Die Grenze verläuft entlang der Zufahrt zum Klostergebäude. In dem Ahrdorf wohnen rund 100 Personen. Bei der kürzlich durchgeführten Bürgerbefragung haben sich mehr als 90 Prozent der Bewohner für einen Anschluss an die Gemeinde Dernau ausgesprochen. Bei der Gemeinderatssitzung am 16. Dezember hat Rolf Schmitt dieses Bürgerbegehren an den Gemeinderat Dernau übergeben und gebeten, ein entsprechendes kommunales Verfahren gemäß Gemeindeordnung einzuleiten.

Direkt aktiv geworden

Rolf Schmitt ist in Marienthal schon direkt nach der Flut aktiv geworden. Er ist Ansprechpartner für Jedermann. Seien es Bürger, Handwerker, Behörden oder Medien. Auf dem Dorfplatz wurde auch schnell eine Infrastruktur wie beispielsweise Versorgungszelt, Verpflegungscontainer, Kaffeetheke, Wasch- sowie Duschcenter, geheizter Aufenthaltscontainer, Bürocontainer sowie eine Materialhütte geschaffen. Damit die Menschen im Ort bleiben oder hierhin zurück konnten, wurden an verschiedenen Stellen 22 Wohncontainer mit sanitären Einrichtungen für insgesamt elf Familien geschaffen. Auch Rolf Schmitt bewohnt mit seiner Ehefrau Ingrid einen solchen Container. Beide wohnten bis zur Flutnacht in einem Haus nahe der Ahr im Bereich der Ortsdurchfahrt. Und erstaunlich: Trotz der schlimmen Erlebnisse aus der Flutnacht strahlen beide eine souveräne Ruhe aus - was sich spürbar auch auf die Menschen im Ort überträgt. „Der größte Wunsch aller Marienthaler kann mit den eingeleiteten Maßnahmen Realität werden, dass die Menschen zur Heizsaison 2022/2023 in ihre mit Dorfwärme beheizten Häuser zurückkehren können,“ so Schmitt abschließend.