
Am 20.06.2017
Allgemeine BerichteNeunte Konferenz des Netzwerkes Kindeswohl und Kindergesundheit
Entwicklungen und Herausforderungen im Kinderschutz diskutiert
Rhein-Lahn-Kreis. Insgesamt 125 Mitarbeiter von Kindertageseinrichtungen und Schulen, aus dem Gesundheitswesen und von Beratungsstellen, aus Jugendeinrichtungen und der Jugendhilfe im Rhein-Lahn-Kreis waren jetzt bei der neunten Konferenz des Netzwerkes Kindeswohl und Kindergesundheit im Kreishaus zu Gast. Landrat Frank Puchtler, der die Konferenz eröffnete, zeigte sich hocherfreut über das große Interesse aller im Kinder- und Jugendschutz Tätigen und gratulierte dem Kinderschutzdienst, der in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiern kann. Aus diesem Grund fand die Netzwerkkonferenz des Jugendamtes des Rhein-Lahn-Kreises auch in Kooperation mit dem Caritasverband Westerwald/Rhein-Lahn statt.
Deren Leiter Frank Keßler-Weiß informierte anschließend über die Anfänge des Kinderschutzdienstes: Erst in den 80er Jahren sei allmählich ein Tabu gebrochen worden, womit der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wurde. Die Kinderschutzdienste waren die Antwort des Landes Rheinland-Pfalz auf diese Situation.
20-jähriges Bestehen gefeiert
Im Dezember 1997 wurde in Bad Ems der 13. Kinderschutzdienst des Landes in Trägerschaft der Caritas mit 1,5 Stellen eröffnet. Zunächst angesiedelt in der Familienberatungsstelle in Bad Ems, wechselte der Kinderschutzdienst 2005 ins neue Caritaszentrum nach Lahnstein.
Änderungen in Gesetzen zum Kinderschutz führten zu einem immer breiter werdenden Aufgabenspektrum des Dienstes. Neben einer kind-zentrierten Arbeit im Einzelfall ist der Kinderschutzdienst auch beratend tätig, das heißt: Er ist in Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdung Ansprechpartner für Mitarbeiter von Kitas, Schulen, Jugendzentren oder auch für Mitarbeiter im Gesundheitswesen.
Prävention wichtiger Bestandteil der Arbeit
Daneben sind Prävention in Kitas und Schulen sowie Netzwerkarbeit mit anderen Institutionen wichtige Bestandteile der Arbeit. In den vergangenen 20 Jahren habe der Dienst, so Keßler-Weiß, 1.831 Fälle von Kindern, die in ihrem Wohl gefährdet waren, unterstützt. Finanziert wird der Kinderschutzdienst mit Zuschüssen vom Land und Kreis, von Spendern und Sponsoren sowie dem Caritasverband selbst.
Was Prävention heißt und wie Kinder gegen Missbrauch und Misshandlung stark gemacht werden, demonstrierten eindrucksvoll Claudia Lichtwardt und Rolf Härter von der theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück mit ihrem Stück „Mein Körper gehört mir“. Das interaktive Theaterstück ist einer von vier Bausteinen des Koblenzer Präventionsprojektes für Kitas und Grundschulen. Wie erfolgreich das in der vierten Klasse der Grundschule Nassau angewandt wurde, zeigte ein kurzer Filmbeitrag.
Digitalisierung verändert Bedingungen des Aufwachsens
Nach der Pause mit Austausch, Diskussionen und Kuchen zum Jubiläum fesselte Professorin Dr. Kathinka Beckmann die Konferenzteilnehmer mit ihrem Vortrag zu aktuellen Herausforderungen im Kinderschutz: Heutzutage, man spricht vom „digitalen Zeitalter“, sei jeder Bürger egal welchen Alters durchschnittlich 88-mal am Tag mit seinem Smartphone beschäftigt. Die Digitalisierung verändere daher auch die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen rasant.
Bereits 94 Prozent der Kinder ab dem zehnten Lebensjahr seien täglich im Netz und hätten zu einem großen Teil ungehindert Zugang zum Internet – und damit auch zu kinder- und jugendgefährdenden Inhalten. Viele Eltern fühlten sich, so Beckmann, damit überfordert, ihre Kinder zu begrenzen, und nur 60 Prozent der Eltern hätten Absprachen mit ihren Kindern zu Inhalten der Smartphonenutzung.
Jugendliche als „übersehene Zielgruppe“
Daneben seien Cybermobbing oder Sexting neue, sich rasant verbreitende Probleme von Kindern und Jugendlichen. Jeder Dritte der Zwölf- bis 18-Jährigen gibt an, dass in seinem Bekanntenkreis schon mal jemand „fertiggemacht wurde“, zeige eine Studie aus dem vergangenen Jahr auf. Daher sei die Vermittlung von Medienkompetenz zur neuen Herausforderung für Eltern, Kinder und Fachkräfte herangewachsen.
Zwar sorgten neue „spektakuläre“ Fälle von toten Kindern in den letzten Jahren für eine weitere Qualifizierung im Kinderschutz und neuen Stellen in Jugendämtern. Doch gehe dies leider vielerorts zulasten des Jugendschutzes und der Jugendarbeit.
Professorin Beckmann rückte die Jugendlichen als „übersehene Zielgruppe“ bei ihrem Vortrag in den Fokus der Aufmerksamkeit. Sie wies darauf hin, dass der Schutzauftrag der Jugendhilfe bis zum 18. Lebensjahr gelte, daher müssten auffällige Jugendliche wieder mehr als „Subjekt im Kinderschutz“ gesehen werden. Besonders gefordert seien dabei auch Lehrer und Schulsozialarbeiter.
Netzwerk ist bereit für die neuen Herausforderungen
Ruth Carl, Koordinatorin des Netzwerkes Kindeswohl und Kindergesundheit, knüpfte in ihren Netzwerknachrichten daran an. Im Rhein-Lahn-Kreis wurde entgegen dem bundesweiten Trend nicht im Bereich der professionellen Jugendarbeit gespart. Im Gegenteil: Das Netzwerk ist auch im Jugendbereich aktiv und hat Gefährdungen von Jugendlichen mit im Blick. Angebote für Jugendliche und für Eltern mit kleinen Kindern werden unter anderem im Internet der Kreisverwaltung aktuell veröffentlicht. Zudem seien die katholischen Familienbildungsstätten ebenfalls Stellen, die viele unterstützende Angebote für Kinder, Jugendliche und Eltern hätten. Das Netzwerk ist jedenfalls bereit, so Ruth Carl, sich den neuen Herausforderungen im präventiven Kinder- und Jugendschutz zu stellen.Pressemitteilung des
Rhein-Lahn-Kreises
V.l.: Michael Heinen (Landesjugendamt), Thomas Jeschke (Caritasverband Westerwald/Rhein-Lahn), Simone Mast und Simone Kanschik (Kinderschutzdienst Rhein-Lahn), Ruth Carl (Netzwerkkoordinatorin, Kreisverwaltung), Professor Dr. Kathinka Beckmann (Hochschule Koblenz), Frank Keßler-Weiß (Direktor des Caritasverbandes Westerwald/Rhein-Lahn), Claudia Lichtwardt und Rolf Härter (Theaterpädagogische Werkstatt Osnabrück) sowie Landrat Frank Puchtler.Foto: Uwe Rindsfüßer