Vierter Mundartwettbewerb der Sparkassenstiftung „Zukunft Kreis Ahrweiler“

„Früher und heute“ im Blick

„Früher und heute“ im Blick

Maria Hilgert verglich die Gepflogenheiten der Menschen früher und heute.-HG

„Früher und heute“ im Blick

Aufnahme der jungen Mutter mit Baby Brigitte auf dem Schiff.Repro: -HG

Ahrkreis/Burgbrohl. „Früher und heute“ – wer hätte dazu beim vierten Mundartwettbewerb der Sparkassenstiftung „Zukunft Kreis Ahrweiler“ aus einem größeren biografischen Erfahrungsschatz schöpfen können als Maria Hilgert? Mit dem so betitelten Beitrag trat die Seniorin aus dem Burgbrohler Ortsteil Weiler (ehemals Niederoberweiler) am Entscheidungsabend in Wehr als einer der Finalisten auf die Bühne.

Und wieder durfte sie einen Sonderpreis mit nach Hause tragen. Dies gelang ihr bereits 2013 beim Auftritt in Leimbach anlässlich des Wettbewerbs Nummer drei. „Ja jäw ett kän Seniore!“, hatte sie da ihre gereimten Betrachtungen überschrieben. Beide Beiträge der lebenserfahrenen tüchtigen Frau lassen keinen Zweifel daran, dass sie ihre Beobachtungen trefflich zuzuspitzen weiß und gerne eine Prise schwarzen Humor zugibt. Davon zeugten in Wehr Zeilen wie „On hölt dat Altersheim us ob, jät dat jesparte Häusche drob. Heut fahren mir hinkend mem Rollator vor on singen im Chor: ‚He dät et wih on do dät et wih‘“.

Eifeldorf Niederoberweiler

Maria Hilgert, geborene Rothbrust, kam in der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg am 5. September 1919 in Niederoberweiler zur Welt. Das damalige kleinbäuerliche Dorf konnte nicht alle seine Bewohner ernähren. Hilgert hat das in ihren „Kindheitserinnerungen aus dem Eifeldorf Niederoberweiler“ schriftlich festgehalten. Am ehemaligen Bahnhof, einer Haltestelle der Brohltalbahn, erlebte sie, wie die Menschen Abschied nahmen und sich wiedersahen. Die heute 96-Jährige erinnert sich, dass daran meist das ganze Dorf teilnahm: „Viele Verwandte waren an diesem Tag dabei, und vorwitzig waren die Leute auch. Da sah ich 14-jährige Mädchen, die am Tage zuvor aus der Volksschule entlassen wurden und zum ersten Mal in die Stadt fuhren, um zu dienen, wie man es damals nannte. Sie waren meist mager und unterentwickelt, und die Zöpfchen hingen dünn auf ihren mageren Schultern. Der Pappkoffer, der neben ihnen stand, hatte auch schon die Dienstjahre der großen Schwester oder der Mutter hinter sich. Oft stand ich dabei und beneidete sie, nicht ahnend, dass Dienen ein schweres Los war.“

Schifferfrau

Die Brohltalerin schlug einen anderen Lebensweg ein. Im Alter von 20 heiratete sie 1939 den Seemann Paul Hilgert aus Gönnersdorf.

Er ließ für seine Angetraute die Meere der Welt fahren, auf denen er vormals mit dem Frachtschiff unterwegs war. Als Ehemann und zukünftiger Familienvater aber wählte er die Binnenschifffahrt. Seine Frau und dann auch Brigitte, die älteste seiner drei Töchter – später kamen Christa und Beatrix zur Welt – nahm er mit an Bord.

Das Ehepaar fuhr von 1940 bis 1946 auf dem Schleppkahn mit kriegswichtiger Ladung: Erz, Eisen, Holz und Kohle. In den Jahren von 1950 bis 1958 waren sie zeitweise mit dem Schubschiff „Moliere“ auf Fahrt. Gerade in der ersten Zeit bedeutete das für die junge Frau aus einem Bauernhaushalt eine Riesenumstellung. Aufgeschlossen und interessiert, wie es ihrem Naturell entsprach, fand sich Maria Hilgert in die neuen Lebensumstände ein. Sie wurde mit dem Leben auf dem Wasser vertraut und mit vielen Flussfahrern. Sie staunte über die Häfen von Ludwigshafen, Karlsruhe und Straßburg, war geradezu fasziniert von „schönen großen Schiffen in Rotterdam und Antwerpen“.

Schwere Zeit

Sie stand aber auch entsetzliche Ängste aus, etwa bei Fahrten durch Nebel und Sturm oder als im Krieg eine Bombe neben dem Schiff einschlug. Die ständige Sorge um das Kind an Bord fuhr ebenfalls mit. Hinzu kam das Pendeln zwischen Niederoberweiler, wo ihre Mutter auf die jüngeren Töchter achtgab, und ihrem Mann auf dem Schiff, welches sie oft genug nur unter Schwierigkeiten erreichte.

Jahre später erlitt sie schwere persönliche Verluste, als 1966 ihre Tochter Christa tödlich verunglückte und 1968 Ehemann Paul. Dennoch ist es Maria Hilgert gelungen, ihren Lebensmut aufrechtzuerhalten.

Dazu trägt seit über 40 Jahren Willi Zenzen bei, mit dem sie harmonisch zusammenlebt. Die beiden tun einander gut, das spüren auch Außenstehende. „Wir sind jeden Tag froh, dass wir uns haben und noch für uns selbst zuhause sorgen können“, sagt die Seniorin.

Viel Gesprächsstoff

aus einem bewegten Leben

Nicht von ungefähr hört man ihr gerne zu. Maria Hilgert hat etwas mitzuteilen aus einem bewegten Leben, wobei sie sich auf ihr hervorragendes Gedächtnis und auf die Freude am freien Erzählen stützen kann. Und wie jeder gute Erzähler ist sie interessiert an Zusammenhängen, auch innerhalb der eigenen Familie.

Ihre Urgroßmutter mütterlicherseits Maria Gertrud, geborene Seiwert aus Wehr (1829 – 1918), heiratete Peter Ritzdorf (1814 – 1886) vom Steinberger Hof in Wehr. Dessen Vater, ebenfalls Peter Ritzdorf genannt (1767 – 1838) und die Mutter Christine, geborene Klüppel, waren das letzte Pächterehepaar des Hofes. Jahrhundertelang ist der 300 Morgen umfassende Hof der Prämonstratenser-Abtei Steinfeld stets verpachtet gewesen und ungeteilt geblieben. Mit der Säkularisation unter Napoleon aber wurde das Kloster aufgehoben und sein Besitz verstaatlicht. Die letzten Pächter, Peter und Christine Ritzdorf, erwarben den Hof 1809. Der Besitz wurde 1849 unter den zwölf lebenden Kindern des Ehepaars aufgeteilt.

Maria Hilgert hat Freude am Austausch und mag es auch, in die Rolle der Unterhalterin zu schlüpfen. Schon seit einigen Jahren hält sie Vorträge bei den Burgbrohler Seniorentreffen, die sie selbst initiierte. Früher trat sie zur Fastnachtszeit bei den Möhnen auf. „Da habe ich die ‚Zeitung‘ gemacht, und das durfte auch ein bisschen grob sein“, sagt sie. Lange war sie beim TuS Niederoberweiler aktiv, liebte die Garten- und Handarbeit.

Die Mundartsprecherin interessiert sich seit jeher für ihr Umfeld und vieles, was darüber hinausgeht. Vielleicht ist das ihr Patentrezept für ein aktives Leben bis ins hohe Alter.