Allgemeine Berichte | 27.10.2022

Ein Blick in die Geschichte der Ahrweiler Fackelschaubilder zum Martinstag

Martinsbrauchtum in Ahrweiler: „Wertvoll und schützenswert“

Ahrweiler. „Das Ahrweiler Martinsbrauchtum ist wertvoll. Es ist schützenswert.“ Das konstatierte 1988 Dr. Ayten Fadel vom Amt für Rheinische Landeskunde in Bonn. Die promovierte Ethnologin kümmerte sich damals um die wissenschaftliche Aufarbeitung von Traditionen wie Mailehen, Klappern, Hahnenköppen und eben das Ahrweiler Martinsbrauchtum.

Da hob Fadel in ihrer Expertise neben dem Wettstreit der vier Huten (das sind die Stadtviertel) besonders den Wettbewerb um das schönste und originellste Fackelschaubild in den Weinbergen rund um die alte Kreisstadt hervor. Überdimensional leuchten nämlich nach dem Abbrennen der Martinsfeuer Schriften und Motive an den Hängen von Ahrhut, Oberhut, Adenbachhut und Niederhut. Eine gute Viertelstunde dauert das Fackelspektakel, das jährlich Schaulustige aus der ganzen Region nach Ahrweiler lockt. Es ist folglich eine Tradition mit großer Außenwirkung – die Gastronomie weiß sie zu schätzen.

Doch wo sind die Anfänge der Schaubilder? Martinsfeuer gibt es seit Urzeiten. Die Feuerschriften in den Bergen jedoch erst seit rund 70 Jahren. Und es sind zwei Ahrhöde Jonge, die sich die Grundidee des Fackelschaubildes auf ihre Fahne schreiben können: Ernst Heuwagen und Erich Kohlhaas . Beiden war der bis dahin durchgeführte Lumpenfackelzug (Pechfackeln gab es nicht, also wurden Stofffetzen mit Draht gebündelt und mit Teer getränkt) vom Martinsfeuer in die Altstadt zu langweilig. So setzen sie Anfang der fünfziger Jahre erstmals Fackeln an Stäben in den Hang oberhalb der heutigen Goethestraße und ließen mit geometrischen Motiven erstmals ein Schaubild leuchten. Die Idee kam an. Andere Huten folgten dem Beispiel. Auf Kreise, Kreuze und Olympische Ringe folgten ab den späten 1950-er Jahren die ersten Schriften – immer noch mit Fackeln im Hang.

In den Siebzigern wurde ein Mann Schultes der Ahrhut, der das ganze Schaubildwesen revolutionieren sollte: Klaus Bruckner. Seine Idee war der wiederverwendbare Multi-Buchstabe aus Moniereisen. Analog zur Schrift mit Leuchtdioden in Taschenrechnern entwickelte er Eisengerüste, die vielfältig für fast das ganze ABC eingesetzt werden konnten. Die Fackeln mussten nur noch aufgesteckt und angezündet werden. Ähnlich funktioniert es heute mit den Multi-Buchstaben aus Dachlatten. Bruckner war es auch, der für Platz an allen Hängen um die Stadt sorgte. Denn während Ahrhut, Oberhut und Niederhut Ende der Siebziger mit Groß-Schaubildern aufwarteten, blieb die Adenbachhut eher klein. Bruckner ließ die Junggesellen der Addemich den alten Bahndamm roden, und schon hatten sie den besten Platz der Stadt.

Anfang der neunziger Jahre war es dann Bürgermeister Rudolf Weltken der den Vereinen aus neuem Platzmangel half. Gegen die Einschränkungen durch die Flurbereinigung setzte Weltken mit Junggesellen und Geld aus dem Stadtsäckel auf stählerne Baugerüste als Stützen für die Motive.

Geistiger Vater der Wechselschrift

Doch zurück zu Klaus Bruckner. Er legte noch Mal eins drauf und wurde zum geistigen Vater der Wechselschrift. So flammten in der Ahrhut ab Mitte der Siebziger Schriftzüge nacheinander auf, wiesen auf Jubiläen oder Ereignisse hin. Der rotbärtige Hühne und leidenschaftliche Schütze war ein guter Lehrmeister. Und so kam unter dem Ahrhöde Duo „Lü und Gügü“ ein weiteres Novum auf: das bewegte Schaubild. Unerreichter Höhepunkt: 1980 ließen die beiden Konstrukteure aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Ahrtalbahn gleich einen ganzen Zug über Gleise mit zwei Loks am Hang der Ahrhut rangieren.

Doch so schnell die beweglichen Bilder gekommen waren, so schnell verschwanden sie wieder: Fackeln und Material wurden einfach zu teuer. Denn schließlich zahlen die Junggesellenvereine die ganze Feuer-Show aus der eigenen Kasse. Dass es dann dennoch in der Adenbachhut noch ein akustisches Schaubild gab, war der Gag schlechthin. Zum Bild der Glocken von Sankt Laurentius ertönte aus riesigen Boxen ihr Geläut. Heute packen die Junggesellenvereine die Schaubildaktion von unterschiedlichen Seiten an. Nieder- und Oberhut gehen bei ihren Schriften und Motiven durchaus kritisch mit dem Leben in Ahrweiler um. Ahrhut und Adenbachhut widmen sich mehr Jubiläen oder aktuellen Ereignissen. Die Flut zeitigte im vergangenen Jahr dann eine Premiere. Da war in Kooperation aller Vereine neben dem Martinsfeuer der Ahrhut an den Hängen von Oberhut, Adenbachhut und Niederhut die gemeinsame Fackelschrift zu lesen: „Aus Liebe zu unserer Heimat stehen wir in Gemeinschaft zusammen und unsere Stadt wird neu erblühen.“

Jury tagt auf dem Kanonenturm

Bei den Wettbewerben, die Jury auf dem Kanonenturm bestellen Martinsausschuss und Junggesellen, geht es den Vereinen neben der Ehre um den Silberteller der Kreisstadt für das schönste Feuer und um den Kupferteller des Martinsausschusses für das schönste Schaubild. Von der Bewertung ausgenommen ist Werbung jeglicher Art. Dennoch kam es hin und wieder zu diesen Ausrutschern, denn nicht gerade niedrige vierstellige Kosten bereiten jedem Junggesellen-Kassierer Kopfschmerzen. Daran sollten sich die Freunde dieses einmaligen Brauchtums erinnern, wenn sie vom Tal aus dem Flammenspektakel applaudieren. Und wie sagte Dr. Ayten Fadel so schön: „Das Ahrweiler Martinsbrauchtum ist wertvoll.“ Wohl dem, der es unterstützt. GS

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