Rudolf Menacher entlockte den Schilden der Sankt-Sebastianer-Kette Sinziger Historie und Persönlichkeiten

Schützensilber im Turmgespräch

Schützensilber im Turmgespräch

Referent Rudolf Menacher (l.) und Schützenkönig Toni Scheuer mit historischer Königskette.Fotos: HG

Schützensilber im Turmgespräch

Das 1663er-Schild von Johannes Nahrung zeigt vorne den Heiligen Sebastianus.

Schützensilber im Turmgespräch

Das Schützensilber zog an.

Sinzig. Schon zweimal hat das historische Schützensilber jetzt bereits Station gemacht im Sinziger Schloss. Erst staunte Rudolf Menacher, als ihm Toni Scheuer 2017 für die Ausstellung im Heimatmuseum „Zeugnisse aus 750 Jahren Stadtgeschichte“ die Königskette der Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft brachte, die „immerhin 400 Jahre abdeckt“. Dann hat ihn das Prunkobjekt mit seinen eingespeicherten Fakten, wie Namen, Berufs- und Amtsbezeichnungen, Wappen und Hauszeichen derart gepackt, dass er sich darin vertiefte. Beim Turmgespräch des Denkmalvereins berichtete Menacher nun über „Das Schützensilber als Zeugnis der Sinziger Stadtgeschichte“. Anlass genug für Toni Scheuer, neuer Schützenkönig der Bruderschaft, die Kette mit ihren 65 Schilden aus der Zeit von 1547 bis 1953 zu präsentieren, ein nach dem Vortrag viel bewundertes Anschauungsobjekt.

Zwei Stadtbrände, Kriege, Besatzungen, Plünderungen, Beschlagnahmungen und die NS-Zeit hat sie überstanden. Nie wurde sie veräußert. Trugen anfangs Brudermeister die Ketten zu besonderen Anlässen, so lösten sie seit dem 16. Jahrhundert die Könige ab. So kam der Königsvogel an die Kette. Beim Vogelschießen benutzten die Sankt Sebastianer und die Sankt Hubertus-Schützen übrigens ab 1853 eine gemeinsame Stange.

Der Heilige Sebastian, Märtyrer und Pestheiliger, gestorben um 288 in Rom und in den ältesten Katakomben bestattet, eignete sich als Patron der Schützenbruderschaften, da er der Legende nach den Pfeile-Beschuss durch Bogenschützen überlebte, bevor er mit Keulen erschlagen wurde.

Rätsel geknackt

Zwar nennt die Sinziger Vereinigung 1301 als Gründungszeitpunkt, doch Menacher vermutet, dem Gros der Gründungsdaten folgend, das 15. Jahrhundert. Schützen allerdings habe es „spätestens nach Vollendung der Stadtmauer gegeben, also 1325“. Für Ahrweiler im Jahr 1492 ist denn auch ein Schießspiel belegt, zu dem „schutzen van Syntzig, Lyns, Remagen, Aldenaer ind Konynxfelt“ kamen. In Kriegszeiten ruhten die Aktivitäten jeweils. Die Sinziger Schützenbruderschaft wurde 1937 aufgelöst und 1949 neu gegründet. Ursprünglich womöglich als Hilfe in Pestzeiten entstanden und als Stadt-Schutz fortgeführt, waren die Aufgaben sodann noch die Begleitung der Fronleichnamsprozession, die Brudermesse, Begleitung mit Mitgliederbeerdigungen. Das historische Schützensilber lässt verschiedene Epochen erkennen: Schilde vom Ende 16., Anfang 17. Jahrhunderts haben meist runde Siegerkranz-Formen. Im 18. Jahrhundert sind sie oft sehr groß, dagegen im 19. Jahrhundert recht einfach.

Der älteste und kleinste Schild von 1547 zeigt ein K. und E. sowie ein Hauszeichen. Der Stifter war unbekannt, bis Rudolf Menacher die Stiftungsinschrift der Grablegungsgruppe mit dem gleichen Hauszeichen in der Sinziger Pfarrkirche auffiel: „Kirstgen Engels und Bele sin Hausfrau“ (Christian und Sibille Engels). Menacher sieht im Vogelkönig einen Sohn oder Enkel des Stifters.

Er beleuchtete weitere per Schild verewigte König-Persönlichkeiten, so 1577 Jacob Geseltgen, Mitglied der Hammerzunft, 1591 Nikolaus Mayer von Aach, 1571 bis 1619 Pastor und Landdechant in Sinzig, 1600 den mit lateinischer Inschrift glänzenden Sinziger Schulmeister Nicolaus Sonn, 1663 Jesus Maria Joannes Narunch, Landschütze und Mitglied der Schmiedebruderschaft, dessen Grabkreuz erhalten ist. Die Landschützen waren eine dem Landesherren unterstellte Miliz. 1649 stellte Sinzig 90 Landschützen für den Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg.

König sein kostet

Schützenkönige mussten wohlhabend sein. Laut Protokollbuch der Bruderschaft sollten sie ein Ohm Wein (rund 141 Liter), ein halbes gemästetes Kalb, einen Schinken, zwei Stümpfe grünes (frisches) Fleisch und Brot dazu spendieren. Carl Caspar Bachoven erfüllte die Voraussetzungen. Denn der Vogt, Amtsverwalter und Rentmeister der Ämter Sinzig und Remagen, schoss buchstäblich dreimal den Vogel ab, und zwar 1727, 1728 und 1729. Jedes Mal stiftete er einen enorm großen Schild.

1732 wurde Bernhard Anton Bachoven von Echt König. Er war ein Bruder von Carl Caspar und Vikar des Hubertusaltares der Pfarrkirche in Sinzig, den die Familie Bachoven gestiftet und später zurückgefordert hat. 1860 entfernt, befindet sich der Altar heute in der Steiermark.

Franz Michael Gödderz, Steuereinnehmer der Ämter Sinzig und Remagen wurde Anno 1753 König. Er war laut Protokollbuch der Bruderschaft „derer Churfürstlichen Durchlaucht zu Pfaltz Landtfähndrich“. Menacher: „Die Landschützen existieren also weiterhin, auch wenn seit 1726 Frieden im Land herrschte“.

Ausgerechnet ein Pfarrer war Anlass für eine Verweltlichung der Bruderschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Weil die Schützen die geweihte Fahne auch außerhalb kirchlicher Anlässe mitführen wollten, verbot der ab 1873 in Sinzig wirkende Pastor Justinus Griepenkerl ihnen die Fronleichnamsprozession zu begleiten und die Bruderschaftsmesse in Sankt Peter zu halten. So blieb es, bis Griepenkerl 1906 starb.