Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Fokus des IPA-„Kamingesprächs

Unabhängigkeit, Partizipation und Transparenz

12.03.2021 - 16:37

Lantershofen. Unabhängigkeit, Partizipation der Betroffenen und Transparenz – diese drei Punkte bilden den Kern der Gemeinsamen Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig. Das Dokument hat auch im Zentrum des digitalen „Kamingesprächs“ des Instituts für Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt (IPA) mit Sitz in Lantershofen gestanden. Der Frage „Wie kann institutionelle Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch gelingen?“ widmeten sich am 10. März der Trierer Bischof und Beauftragte der DBK für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, Dr. Stephan Ackermann, Prof.in Dr. Sabine Andresen als Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs und der österreichische Theologe, Prof. Dr. Wolfgang Treitler. Er gab als Betroffener einen persönlichen Einblick in die kirchliche Aufarbeitung.

„Durch den Missbrauch werden soziale Kontakte massiv gestört, man wird isoliert“, lautet die Erfahrung von Treitler. Als Betroffener erhofft sich der Professor für Fundamentaltheologie und theologische Grundlagenforschung (Wien), dass sexualisierte Gewalt in der Gesellschaft thematisiert wird. „Damals fand man niemanden, der einem Gehör schenkte – das ist heute anders“, nannte er einen Fortschritt durch den Aufarbeitungsprozess. „Aufarbeitung schafft eine gesellschaftliche Anerkennung des Themas in seiner kriminellen Form und eine Vernetzung, die nicht gefährdet.“ Sabine Andresen unterstrich dieses Empfinden: „Ein zentraler Sinn der Aufarbeitung ist für Betroffene, nicht alleine zu bleiben, daher sind Dialog und Austausch wichtig.“

Dabei stellt sich die Frage, ob die Kirche die Aufarbeitung ihrer eigenen Fälle überhaupt allein leisten kann. „Bei dieser Aufgabe brauchen wir Hilfe. Daher haben wir als DBK den Kontakt zum Unabhängigen Beauftragten gesucht“, erläuterte Ackermann. Deshalb wurde die „Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland“ erarbeitet. Das Ziel sei die Aufklärung der systemischen sexualisierten Gewalt, betonte Ackermann. Darin eingeflossen seien auch die Kriterien der Unabhängigen Kommission, erinnerte Andresen. Diese orientierten sich an den Rechten der Betroffenen und den Pflichten für Verantwortliche in den Institutionen. Diese Aufgabe liegt nun bei den (teilweise noch zu gründenden) unabhängigen Aufarbeitungs-Kommissionen in den (Erz-)Bistümern. Täterstrategien sollen demnach von ihnen benannt und die Frage „Was hat dazu geführt, dass Fälle versteckt, vertuscht und Kindern nicht geglaubt wurde?“ bearbeitet werden, so Andresen. „Ich bin überzeugt von der gemeinsamen Erklärung“, betonte Ackermann und griff damit eine Forderung von Johannes-Wilhelm Rörig auf, der als Gesprächsteilnehmer dafür warb, dieses Dokument noch bekannter zu machen.

Zwar gibt laut der Erklärung der jeweilige Bischof den Anstoß zur Gründung einer Kommission in seinem Bistum, doch anschließend soll er die Aufklärung in die Hände der Kommissionsmitglieder geben. Sie seien frei in der Gestaltung ihrer Arbeit, und seien auch für die Veröffentlichung der Ergebnisse zuständig, betonte Ackermann. In diesem Zusammenhang nannte er den Austausch der Kommissionen untereinander, die Standards zur Dokumentation und die Pflicht zur Berichtslegung als wichtige Kriterien. Mehr denn je sei er von der Notwendigkeit überzeugt, dass sich die Kommissionen multiprofessionell zusammensetzen müssen– was ein durchaus aufwendiges Findungsverfahren voraussetze.

Andresen stellte eine große Heterogenität der (Erz-)Bistümer fest; daher sei „kein Gleichschritt in den deutschen Diözesen“ möglich. „Aufarbeitung braucht gute Strukturen“, betonte sie. Diese könnten dann eine Art Leitplanke sein für einen verantwortungsvollen Prozess. Für das Bistum Trier gab Bischof Ackermann einen Einblick: „Alle Expertinnen und Experten für die Kommission sind benannt, darunter sind Juristen, Historiker und Psychologen.“ Im nächsten Schritt solle der Betroffenenbeirat, für den aktuell die Auswahlgespräche liefen, Mitglieder für die Aufarbeitungskommission benennen.

Derzeit könne es noch keine feste Definition geben, was Aufarbeitung genau bedeute, resümierte Andresen am Ende der digitalen Veranstaltung mit rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die von Birgit Wilke, Hauptstadtkorrespondentin der Katholischen Nachrichten Agentur (KNA), moderiert wurde. Aufarbeitung sei nicht nur Vergangenheitsbewältigung, sondern auch eine aus der Gegenwart kommende Hinwendung zu erlittenem Unrecht. Aus diesem Grund sei es auch bei allen Schritten überaus wichtig, alles dafür zu tun, dass „mit der Aufarbeitung nicht etwas in Gang gesetzt wird, das Betroffenen zum Schaden gereicht“.


Weitere Informationen


Die Initiative zu der Einrichtung des IPA ging von 2019 von Bischof Ackermann aus. Das Institut will Partner für kirchliche wie nicht-kirchliche Institutionen und Gruppen sein, Erkenntnisse im Bereich von Aufarbeitung und Prävention systematisieren und Multiplikatoren vernetzen und in Austausch bringen.

Mit der Gründung eines Trägervereins und der finanziellen Unabhängigkeit, die durch eine Familienstiftung gewährleistet ist, will die Leiterin Mary Hallay-Witte das IPA weiterentwickeln und ausbauen. Projektbegleitung, etwa beim Erstellen von institutionellen Schutzkonzepten oder die Identifizierung von Forschungsfragen stehen ganz oben auf ihrer Agenda. Weitere Informationen zur Arbeit des IPA gibt es auf www.ipa-kirche.de und unter Tel.: 02641-9175510.

Pressemitteilung

Bischöfliche Pressestelle Trier

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Sonnenschein und Live-Musik beim Brunnenfest

Bad Breisig. Auch der Brunnenfest-Freitag war ein voller Erfolg. Bei strahlendem Sonnenschein und Live-Musik ließen sich es sich die Besucherinnen und Besucher des kultigen Bad Breisiger Festes so richtig gut gehen. mehr...

Polarlichter über dem Ahrtal

Ahrweiler. Es war ein seltenes und gleichzeitig zauberhaftes Schauspiel am Ahrtaler Nachthimmel: Strahlende Polarlichter leuchteten über Ahrweiler. Dieses Foto über dem Schwimmbad wurde von Fotograf Stephan Wirwalski aufgenommen, im Vordergrund ist die Otlerstraße zu erkennen. ROB mehr...

Regional+
 

Raubüberfall in Wissen am 18. April

Festnahme eines Tatverdächtigen nach Raubüberfall auf 80-jährige Frau

Wissen (Sieg). Wie bereits berichtet, kam es am Donnerstag, 18. April, gegen 9:45 Uhr in der Rathausstraße in Wissen zu einem Raubüberfall in einer Wohnung. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen verschaffte sich ein männlicher Einzeltäter Zugang zu der Wohnung der 80-jährigen Geschädigten und bedrohte diese mit einem Messer. Er forderte die Herausgabe von Wertgegenständen und erlangte unter anderem... mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
Mit stark beschädigtem Unfallauto geflohen

Unfallstelle gesucht

Mit stark beschädigtem Unfallauto geflohen

Altenahr. Am 10. Mai, gegen 00:00 Uhr wurde hiesiger Dienststelle ein stark beschädigter PKW der Marke VW gemeldet, der von Dernau in Richtung Altenahr fuhr. Als das Fahrzeug durch die Streife kontrolliert wurde, konnte ein frischer Unfallschaden an der Stoßstange vorne rechts festgestellt werden. mehr...

Unbekannter löst Radmuttern an Pkw

Unbekannter löst Radmuttern an Pkw

Binningen. Vermutlich in der Mainacht und oder danach wurden in der Ortslage Binningen bis dato an zwei Fahrzeugen gelöste Radmuttern/Radschrauben festgestellt. Ein Fahrzeug verlor das vordere Rad und wurde durch den Aufschlag auf die Straße nicht unerheblich beschädigt. mehr...

FWG Kettig

Das Eismobil kommt

Kettig. Am Freitag, 24. Mai kommt das Eismobil der FWG Kettig zu den Bürgerinnen und Bürgern in Kettig. Der Bürgermeisterkandidat der FWG Kettig, Florian Heyden begleitet im Team das Eismobil auf den verschieden Stationen. mehr...

Junge Union Mayen-Koblenz

Was denn jetzt Herr Altmaier?

Kreis MYK. Nun gibt es einen dritten Bewerber für das Amt des Landrats im schönen Landkreis. „Die Freie-Wähler-DNA muss Einzug im Kreishaus halten“, sagt dieser Kandidat, der als Ex-Stadtverbandsvorsitzender der SPD Koblenz in der Koblenzer Stadtpolitik kein Unbekannter ist. mehr...

Von Ahrweiler nach Berlin

Geschlossenheit und Zuversicht beim CDU-Parteitag

Von Ahrweiler nach Berlin

Kreis Ahrweiler. Mit fünf Delegierten ist der CDU-Kreisverband Ahrweiler nach Berlin zum Bundesparteitag der Union gereist - ein historischer Parteitag mit Verabschiedung des neuen, vierten Grundsatzprogramms „In Freiheit leben. mehr...

Einfach mal reinschnuppern

KCU bietet zweitägigen Kurs an

Einfach mal reinschnuppern

Unkel. Kanu Club Unkel e.V. lädt am 8. und 9. Juni zum Schnupperpaddeln für Erwachsene (ab 18 Jahre) und Jugendliche (10 bis 17 Jahre) ein. Infos für Erwachsene unter https://kc-unkel.de/anfaengerwochenende-erwachsene/... mehr...

TTC Ockenfels gelingt eine Rekordsaison mit gleich drei Aufstiegen

Die Saison 23/24 ist beendet und verlief für alle 4 Mannschaften des TTC Ockenfels hervorragend

TTC Ockenfels gelingt eine Rekordsaison mit gleich drei Aufstiegen

Ockenfels. Nachdem die 1. Mannschaft letztes Jahr den Aufstieg knapp verpasste, sollte diese Saison endlich der Schritt von der Bezirksoberliga in die Verbandsliga vollzogen werden. Es ergab sich ein umkämpftes Aufstiegsrennen, bei dem letztlich der 2. Tabellenplatz erkämpft wurde. mehr...

Dattenberg mietet Tennishalle für die Zukunft

Dattenberg. Nach langen und schwierigen Verhandlungen haben sich die Gemeinde Dattenberg und der Eigentümer der Halle einigen können: Die Gemeinde wird die Halle langfristig mieten und sich um die Sanierung kümmern bzw. mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
Dr. Maria Dommermuth:
Kommentar zum Artikel Schwangerschaftsabbruch: Beraterinnen sehen ebenfalls Neuregelungsbedarf (Ausgabe 19/2024) Der Forderung nach einem Angebot an wohnortnaher, flächendeckender Schwangerschaftskonfliktberatung kann nur zugestimmt werden. Dass die Diakonie aber die Forderung nach einem Recht auf...
Siegfried Kowallek:
Der bundesweit bekannte Journalist und Publizist Heribert Prantl, früher unter anderem als Staatsanwalt tätig, stellt kritisch heraus, das Thema Schwangerschaftsabbruch werde in Deutschland mit viel Strafrecht und wenig Hilfe beantwortet. Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion,...
Dorothea Meinold:
Ich bin bisher davon ausgegangen, es gäbe vor Wahlen so etwas wie ein Neutralitätsgebot für Mitarbeiter der Verwaltung ? ...
Maria Kleiber:
Manche Tiere wurden nun 500 Kilometer weit gekarrt und irgendwo in einer Pension untergebracht. Ich halte es in diesem Fall für den falschen Weg, Tiere der Besitzerin unter Zwang zu entziehen. Besser wäre es gewesen, ein oder zwei Mitarbeiter/innen zu stellen und dadurch Hilfe anzubieten. Kostengünstiger...
Peter Elsdorf:
Die sollen sich alle schämen! Ich habe mehrfach Gordon Schnieder um Hilfe gebeten. Mehrfach. Aber nie Antwort erhalten. Pfui...
Ute Ebert:
Das ist ein Skandal. Denken die vom Vet-Amt, dass es den Hunden, die eigentlich niemand wollte, jetzt besser geht? Wie herzlos können sie Mitarbeiter der Ämter sein ......... Ich bin einfach nur noch sprachlos und glaube an die "Gerechtigkeit"...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service