Allgemeine Berichte | 28.04.2020

Vorsitzender Reiner Friedsam der Aktivgemeinschaft Sinzig hält Rückschau

Wir brauchen eine neue, kreative Normalität

„Wenn wir nur darüber diskutieren, was man wie wieder öffnet, verpassen wir viel zu viele Aspekte des menschlichen Zusammenlebens - und laufen außerdem Gefahr, immer und immer wieder in den Lockdown zu rutschen.“

Vorsitzender Reiner FriedsamFoto: FRIEDSAM Werbeagentur

Sinzig. Der Vorsitzende Reiner Friedsam der Aktivgemeinschaft Sinzig zieht im Interview mit BLICK aktuell ein Resümée der ersten Woche nach dem Shutdown:

„Die Corona-Debatte dreht sich vornehmlich um das Thema, welche Regel als nächste gelockert wird. Das führt in die Irre - die Gesellschaft sollte sich anderen Fragen stellen. Was haben wir nicht alles gelesen in den letzten Tagen. Von „Öffnungsdiskussionsorgien“ war die Rede, von der Wiedereröffnung von Küchenstudios und verkaufsoffenen Sonntagen. Während es den einen offensichtlich gar nicht schnell genug gehen kann, möglichst viele Bereiche des öffentlichen Lebens wieder auf Vor-Corona-Niveau hochzufahren, warnen die anderen vor einem erneuten Lockdown, den entsprechenden Folgen und der weiteren Gefährdung von Risikogruppen. Beide Positionen lassen einen wichtigen Aspekt außer Acht.

Wenn kein Wunder passiert, und Wunder passieren erfahrungsgemäß ja leider eher selten, dann werden die Pandemie und ihre Auswirkungen die Gesellschaft noch über Monate, wenn nicht sogar über Jahre begleiten. Um es mit anderen Worten zu sagen: Es wird bis auf Weiteres keine Normalität geben, wie es sie vor Corona gab. Zu inkompatibel ist unsere Art des Zusammenlebens mit der weiteren Eindämmung der Verbreitung des Virus.

Sei es nun die Art und Weise, wie wir in Großraumbüros zusammenarbeiten, wie wir unsere Kinder beschulen oder sie auf Spielplätzen spielen lassen, wie wir Feste feiern oder einkaufen gehen. Zu viele Kernpfeiler unserer Gesellschaft fußen darauf, dass Menschen einander (zu) nahe sind, ob bei der Arbeit, im Theater oder im Fußballstadion.

Es ist grundfalsch und sogar gefährlich, den Eindruck zu erwecken, mit dem Tragen von Mund-Nasen-Masken und der weiteren Aufstockung von Intensiv-Kapazitäten bekäme man das schon wieder hin mit der Normalität. Es ist ein viel weiter gehendes Umdenken erforderlich - und wir alle werden uns daran gewöhnen müssen, mit gewissen Unsicherheiten zu leben. Niemand kann seriös vorhersagen, wie lange es dauert, bis ein Impfstoff gegen das Sars-2-Virus gefunden ist. Und bis es so weit ist, müssen wir uns etwas einfallen lassen.

Gut leben mit und in der Pandemie

Der Lockdown kam in Deutschland zur richtigen Zeit, dank konsequenter Umsetzung und mit viel Hilfe der Bevölkerung konnte die Ausbreitung des Coronavirus gebremst werden. Was wir dadurch gewonnen haben, ist in erster Linie eines: Zeit. Und zwar Zeit, die wir eigentlich bräuchten, um unsere Gesellschaft möglichst Corona-kompatibel und gleichzeitig erträglich aufzustellen. Zeit, die wir gerade mit Öffnungsdiskussionen und Lockerungsdebatten wieder verspielen.

Anstatt darüber zu streiten, ob es nun Möbelhäuser, Biergärten oder Kitas verdient haben, als Erste wieder „normal“ aufzumachen, anstatt also berechtigte Interessen gegeneinander abzuwägen oder sogar auszuspielen, sollte unser Blick viel mehr darauf ausgerichtet sein, wie wir es hinbekommen, mit und in der Pandemie möglichst gut zusammenzuleben. Wie kann Teilhabe möglich gemacht werden, ohne dass es zu unkontrollierbar vielen Neuinfektionen kommt - und Menschenleben leichtsinnig gefährdet werden?

Wie kann man etwa das System Kita so umorganisieren, dass möglichst viele Eltern wieder arbeiten gehen können - ohne sich ständig Sorgen machen zu müssen, sich bei ihren Kindern anzustecken? Wie können Besuche in Alten- und Pflegeheimen möglich gemacht werden? Wie können Konzerte oder Demonstrationen stattfinden, wie können Menschen Dinge zusammen erleben, einander nah sein, ohne sich gegenseitig anzustecken? Wie können Risikogruppen dabei effektiv geschützt werden?

Die Lösung kann dabei nicht sein, dass man im Großraumbüro einfach nur jeden zweiten Tisch freilässt oder nur jedes zweite Kind in die Kita gehen kann, es müssen kreativere Ansätze her.

Dabei gibt es schon einige gute Ideen, die zeigen, dass sich vieles ermöglichen lässt, wenn unterschiedliche Instanzen mit gutem Willen zusammenarbeiten und wenn man vom (bisher) „normalen“ Weg abweicht. Wann, wenn nicht in diesen Pandemie-Zeiten, sollte Raum sein für ungewöhnliche Ideen - Festivals im Autokino-Format, kontaktloses Einkaufen beim Bio-Lieferanten, telefonische Hausaufgabenhilfe, Beratung durch Plexiglasscheiben. Solche Konzepte müssen her, sie müssen gefördert werden - und zwar dringend. Wir brauchen sie für möglichst viele Lebensbereiche. Sowohl, um viele Arbeitsplätze erhalten zu können, als auch, um die erforderlichen Einschränkungen durchzuhalten und dabei nicht den Spaß am Leben zu verlieren.

Wenn wir nur darüber diskutieren, was man wie wieder öffnet, verpassen wir viel zu viele Aspekte des menschlichen Zusammenlebens - und laufen außerdem Gefahr, immer und immer wieder in den Lockdown zu rutschen - mit fatalen Folgen, auch für die Wirtschaft.

BLICK aktuell: Wie viele lokale Geschäfte waren davon betroffen?

Reiner Friedsam: Über 50 Einzelhandelsfachgeschäfte

BLICK aktuell: Welche Geschäfte sind nun seit einer Woche wieder geöffnet?

Reiner Friedsam: Im Grunde sind alle Einzelhandelsfachgeschäfte in Sinzig wieder geöffnet, teilweise noch mit geänderten Öffnungszeiten.“

BLICK aktuell: Welche Vorkehrungen wurden getroffen, um die Geschäfte verantwortungsvoll betreiben zu können?

Reiner Friedsam: Jeder Inhaber/ -inhaberin hat stets das Bestreben, das meist familiengeführte Geschäft verantwortungsvoll zu betreiben. Dies umso mehr in solchen Krisenzeiten. Denn schließlich tragen sie oftmals auch die Verantwortung für die Existenzen ihrer MitarbeiterInnen. Diese Verantwortung lässt sich auch an dr Umsetzung der Sicherheits- und Hygienevorschriften erkennen, die oftmals sehr durchdacht, auch mit Blick auf die Details umgesetzt wurden. Für die geschäftliche Situation wurden die Mitgliedsbetriebe fortlaufend mit den aktuellsten Informationen hinsichtlich Soforthilfen etc. vonseiten der Aktivgemeinschaft versorgt, was dankbar angenommen und genutzt wurde.

BLICK aktuell: Halten Sie die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen für umsetzbar?

Reiner Friedsam: Ist ja bereits im Handel und in der Gastronomie für den Straßenverkauf entsprechend erfolgt. Und mit ein wenig Rücksichtnahme aufeinander, lässt sich beispielsweise auch in kleineren Läden oder bei erhöhtem Kundenaufkommen die Abstandsregel einhalten.

BLICK aktuell: Halten sich Kunden und Mitarbeiter daran?

Reiner Friedsam: Insbesondere am ersten Tag der Wiederöffnung konnte man leider häufiger Kunden beobachten, die sich unbekümmert in den Geschäften verhalten haben und erst nach Ansprache sich an die Hinweise gehalten haben. Das hat sich in den darauffolgenden Tagen dann jedoch gebessert.

BLICK aktuell: Hat sich das Verhalten der Kunden seit Beginn der Corona-Krise verändert? Kam es bei Wiedereröffnung zu einem Ansturm, oder haben die Kunden verhalten reagiert?

Reiner Friedsam: An dem Montag war allgemein ein höheres Kundenaufkommen in den Fachgeschäften festzustellen, was sich jedoch in den Folgetagen auf ein Niveau unter der üblichen Frequenz reduzierte. Im Grunde verständlich, da mittlerweile viele von Kurzarbeit betroffen sind, oder beispielsweise ihre geringfügige Beschäftigung verloren haben, und damit die Kaufkraft schwindet.

BLICK aktuell: Was wünschen Sie sich von Ihren Kunden?

Reiner Friedsam: Weiterhin das Verständnis für die Situation und ggf. Beeinträchtigungen, die aufgrund der Hygiene- und Sicherheitsvorschriften beim Betreten in den Geschäften einzuhalten sind.

BLICK aktuell: Die Politik hat großen Einfluss auf Ihre Geschäfte genommen. Wie schätzen Sie die Entscheidungen und Maßnahmen ein?

Reiner Friedsam: Es ist natürlich bitter, wenn einem quasi von einem Tag auf den anderen die Ausübung der Geschäfts- und Existenzgrundlage untersagt wird. Kritisch zu sehen ist die schleppende Bearbeitung der Soforthilfeanträge. Bitter ist allerdings die momentan noch fehlende Perspektive für die Restaurant- und Übernachtungsbetriebe.

BLICK aktuell: Gibt es vor Ort bereits gemeinsame Pläne, wie die Geschäftsleute sich gegenseitig durch die Krise helfen können?

Reiner Friedsam: Nicht nur Pläne, sondern bereits vom ersten Tag der angeordneten Schließung gab es für die Sinziger Betriebe das gemeinsame Öffnungs- und Lieferservice Onlineportal der Aktivgemeinschaft www.ag-sinzig.de, verbunden mit einer umfangreichen Bewerbung. Der Liefer- und Einkaufsservice wird, auch mit der Unterstützung von „Jugend hilft“ unter der Koordination vom HoT Sinzig, weiterhin angeboten. Diese Initiative wird übrigens intensiv und sehr dankbar angenommen. Aktuell ist gemeinsam mit Gastronomie eine Dankeschön-Aktion für den Muttertag vorbereitet. Hier wird es zu den Muttertagsbestellungen ein Flasche Ahrwein gratis dazugeben. Ebenso laufen bereits die Planungen für „Sprudelndes Sinzig – einfach anders“ sowie den Sinziger Weinsommer, ebenso in Zeiten von Corona mal anders. Konkretes dazu in Kürze.

BLICK aktuell: Wie ist aktuell die Stimmung im Einzelhandel?

Reiner Friedsam: Überwiegend verhalten bis positiv auf eine weitere positive Entwicklung hoffend. Neben dem Lebensmitteleinzelhandel verzeichnen derzeit die Floristik- und Baumarktbetriebe eine erhöhte Nachfrage, da die Menschen den Aufenthalt zuhause nutzen, um Heim und Garten schön zu gestalten.

Vorsitzender Reiner Friedsam Foto: FRIEDSAM Werbeagentur

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