Frank-Walter Steinmeier besuchte am Jahrestag der Flut das Ahrtal

Bundespräsident:„Erinnerung an einen Tag des Grauens“

Bundespräsident:
„Erinnerung an einen Tag des Grauens“

: Empfang in Altenahr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Gastgeber Wilfried Laufer. Foto: GS

Bundespräsident:
„Erinnerung an einen Tag des Grauens“

Interne Gesprächsrunde in der Weinlounge. Foto: GS

Altenahr. Bundepräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Jahrestag der Flut das Ahrtal besucht. Stationen waren Altenahr, Dernau und Mayschoß. In Altenahr traf Steinmeier in der Lounge des „Weinecks“, ein Weinlokal, das am 14. Juli 2021 bis zur Decke des ersten Geschosses unter Wasser gestanden hatte, im Beisein von Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit Kommunalpolitikern, Betroffenen und Helfern zusammen. Ein internes Gespräch, das auf großes Medieninteresse stieß. Im Anschluss an den, nach Teilnehmermeinung, offenen Austausch, erklärte Steinmeier, er habe bei seinem Besuch in der Vergangenheit erklärt: „Wir werden euch nicht vergessen.“ Deshalb sei er am Jahrtag der Flut in „Erinnerung an einen Tag des Grauens“ wieder ins Tal gekommen. Sein Dank galt den ungezählten Helfern aus ganz Deutschland, die sich nach der Flut für die Menschen im Ahrtal eingesetzt hätten. Dank galt aber auch den kommunal Verantwortlichen, die Tausende von Anträgen zu bearbeiten hätten. Der Wiederaufbau sei „keine Aufgabe von 365 Tagen, sondern für die nächsten Jahre“.

Steinmeier weiß um das Problem der Bürokratie mit dem Wiederaufbau ebenso wie darüber, dass es „nicht genügend Gutachter und Handwerker gibt“. In Richtung der Bürger des Ahrtals sagte der Bundespräsident: „Auch wenn das Ahrtal nicht mehr so oft in den Schlagzeilen ist, sind die Probleme der Politik in Berlin und Mainz bewusst.“

Marschrichtung vorgegeben

Steinmeier gab aber auch eine Marschrichtung vor, „denn der Klimawandel hat uns erreicht“. Phänomene wie brennende Wälder und Unwetter würden immer öfter auftreten. „Daher ist der Kampf gegen den Klimawandel wichtig“, sagte der Bundespräsident. Wichtig sei vor diesem Hintergrund, neue Strukturen im Katastrophenschutz zu schaffen. Das sei eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Länder. Ebenso sei Vorsorge vor Ort zu treffen. Dies wohl wissend, dass „der Ausbau von Retentionsflächen im engen Ahrtal nicht einfach ist“. Mut und Zuversicht wünscht sich Steinmeier für die Bürger des Ahrtal beim Wiederaufbau, den er „als „Leuchtturmprojekt“ für ganz Deutschland sieht.

Nach dem internen Gespräch befragte „BLICK aktuell“ Teilnehmer zu ihren Eindrücken. „Es gab ehrliche und offene Worte“, sagte der Ahrweiler Dechant Jörg Meyrer. Zur Sprache gekommen seien der notwendige Abbau der Bürokratie bei den Fluthilfen, die Probleme durch Personalmangel bei den Verwaltungen ebenso wie die schwierigen Situationen in denen sich Privatpersonen und Betriebe immer noch befinden.

Landrätin Cornelia Weigand forderte in Richtung des Gesetzgebers eine Vereinfachung des Baurechts für den Wiederaufbau, sieht aber auch, dass „wir Fragen und Probleme noch für ein Jahrzehnt vor der Brust haben“. Als äußerst wichtig sahen die Bürgermeister Dominik Gieler (Verbandsgemeinde Altenahr) und Rüdiger Fuhrmann (Ortsgemeinde Altenahr) den Besuch Steinmeiers an. Für sie ist wichtig, dass die „Bundespolitik auf der Schiene bleibt“ und Steinmeier weiß, dass der „Wiederaufbau lange dauern wird“.

Konkrete Ziele

Konkrete Ziele nannte Alfred Sebastian, Bürgermeister von Dernau: „Wir wollen der Ahr Raum und Platz geben.“ Dafür seien die Kommunen auf der Suche nach Möglichkeiten. Als Beispiel nannte er den von der Flut verwüsteten Dernauer Sportplatz, für den eine Standortlösung gefunden werden müsse. Sebastian beklagte wie die anderen Teilnehmer den „Wust an Bürokratie“ und sah die Verwaltungen mit den Aufgaben des Wiederaufbaus als „überfordert“ an. Zudem bestehe aktuell „die Gefahr, dass die Stimmung im Ahrtal kippt“. Sein Fazit daraus: „Wir müssen unterstützt werden.“

Und wie bewertet ein Nicht-Politiker den Gedankenaustausch mit Steinmeier? Christoph Smolenski, Chef der von der Flut zerstörten Ahrweiler Ehrenwall-Klinik: „Der Bundespräsident zeigte sich sehr einfühlsam. Er hat unterstrichen, dass er sich für die Nöte und Belange der Menschen interessiert. Die Frage ist, was er bewegen kann.“ Das könne eher Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die ja alle Gespräche verfolgt habe.

Hoffnung auf 15000 Gäste

Dass das Treffen mit Steinmeier ausgerechnet im „Weineck“ stattfand, hatte auch einen Grund. Nach 365 Tagen des Wiederaufbaus mit Unterstützung einer tatkräftigen Helfertruppe aus Dormagen ist Wiedereröffnung angesagt. „“Bis zum Jahresende hoffen wir noch auf 15000 Gäste“, sagte Wilfried Laufer, der Weinlokal und Pension mit seiner Frau Andrea und Tochter Sarah betreibt. „Wir richten den Blick nach vorn“, erklärte Laufer, der bei der Flut seinen Vater Bodo (83) verloren hatte. Er habe zwar noch keinen Kassensturz gemacht, doch mit Zuschüssen von 80 Prozent habe der Staat gute Rahmenbedingungen geschaffen. An seine Helfer aus Dormagen wir Laufer übrigens täglich beim Blick aus dem Fenster erinnert: Sie haben auf der gegenüberliegenden Seite der Seilbahnstraße, deren Zukunft der Gastronom übrigens als Gourmetmeile sieht, einen Weinberg mit 99 Stöcken der Rebsorte Monarch angelegt und für diese die Patenschaft übernommen.

Und auch das gab es in Altenahr: Spontan nahm Bundespräsident Steinmeier ein Bild entgegen, dass der kleine Muhammed-Ilaf Atac gemalt hatte. Es zeigt das Ahrtal in den deutschen Farben als tränendes Herz. Begleitet wurde der kleine Mann von Mutter Zeliha, die in Bad Neuenahr eine Versorgungsstation für Flutopfer leitet.